15.06.2015

Goal

"SVP-Plakate fördern die Demokratie"

SVP-Werber Alexander Segert erklärt unter anderem seine aggressive Strategie bei der RTVG-Abstimmung.
Goal: "SVP-Plakate fördern die Demokratie"

Das schwarze Schaf, die Minarett-Raketen oder die Billag-Mausefalle. Sie alle stammen aus der Feder von Alexander Segert. Keiner polarisiert so wie er, seine Kampagnen spalten das Land. Im Interview mit persoenlich.com spricht der Geschäftsführer der Dübendorfer Agentur Goal über seine aggressive Strategie bei der RTVG-Abstimmung, wieso er die Aussagen auf seinen Plakaten legitim findet - und weshalb die Anti-Minarett-Initiative aus seiner Sicht ein ernst zu nehmendes Anliegen war.

Herr Segert, der Gewerbeverband hat die RTVG-Abstimmung am Sonntag hauchdünn verloren. War Ihre Kampagne zu wenig gut?
Aus meiner Sicht war der Abstimmungssonntag ein sensationeller Erfolg. Der Gesetzestext der Befürworter war sehr geschickt formuliert. Allen möglichen Interessensgruppen wurden tiefere Kosten und Ausnahmen offeriert. Es war daher kaum möglich, die Abstimmung zu gewinnen. Dass wir unsere Gegner nun sogar an den Rand einer Niederlage brachten und ein Zufallsmehr entschieden hat, ist en guter Erfolg.

Trotzdem, die Kampagne hat ihr Ziel verfehlt. War die agressive Strategie vielleicht doch nicht die richtige?
Nein, das war genau die richtige Entscheidung. Uns war von Beginn weg klar, dass wir das Hauptargument der Gegner, die Gebührensenkung, drastisch bekämpfen müssen. Hätten wir dies nicht getan, wäre unser Kampf aussichtslos gewesen und wir wären genauso untergegangen wie die Befürworter der Erbschaftssteuerinitiative. Ich wüsste deshalb nicht, was wir noch besser hätten machen können.

Der Gewerbeverband versuchte lange unter dem Deckel zu halten, dass Ihre Agentur hinter der Kampagne steht. Haben Sie sich dazu verpflichtet, nichts zu kommunizieren?
Nein, diese Gerüchte stimmen nicht. Von unserer Seite kommunizieren wir jedoch nie aktiv, welche Abstimmungskampagnen wir führen dürfen. Das muss der Kunde machen. Er steht im Vordergrund und entscheidet.

Bei jeder anderen Agentur wäre es für den Kunden auch kein Problem, dies transparent zu machen. Hatte der Gewerbeverband nicht einfach Angst, in die rechte Ecke gedrängt zu werden?
Nein, wir haben wir sehr viele verschiedene Kunden und sind breit abgestützt. Man engagiert uns wegen unserer erfolgreichen Kampagnen und nicht weil wir irgendein Gedankengut vertreten. Da sind unsere Kunden professionell. Übrigens, hätte ein Journalist bei uns oder beim Gewerbeverband angerufen, hätten wir auch kommuniziert, dass wir zusammenarbeiten. Die Geschichte wurde auch aufgebauscht.

Linke Parteien werden Sie aber wohl kaum je um eine Kampagne bitten?
Was sehr schade ist, denn die Linken hätten es bitter nötig, wie man an der aktuellen Kampagne zur Erbschaftssteuer gesehen hat. Dass wir trotzdem nicht für linke Partei arbeiten liegt wohl in der Natur der Sache: Es gibt wohl auch keine Agentur, die gleichzeitig für Mercedes und BMW arbeitet, das geht aus Interessensgründen einfach nicht. Hingegen betreuten wir auch immer wieder Einzelpersonen aus dem linksliberalen Spektrum bei Wahlen.

Viele fanden, die RTVG-Kampagne sei über das Ziel hinausgeschossen. Fehlender Geschmack warf man Ihnen vor.
Diese Argumentation ist typisch und war vorhersehbar: Die Befürworter sind davon ausgegangen, dass sie die Vorlage locker und ohne Diskussionen durchbekommen. Dann haben sie gemerkt: Der Gewerbeverband meint es Ernst und dann folgte die Erkenntnis, dass die Nein-Kampagne Früchte trägt, in der Bevölkerung greift und zu Diskussionen über die Vorlage führt. DAs hat zu einer spürbaren Nervosität im Ja-Lager geführt. Doch anstatt mit guten Gegenargumenten zu kontern, wurde wie so oft eine Stilkampagne lanciert. Das zeugt von grosser Hilflosigkeit und hat das Nein-Lager noch weiter gestärkt.

Die Kritik kam aber nicht nur von Seiten der Gegner, sondern aus den eigenen Reihen. Der Direktor des Bündner Gewerbeverbandes, Jürg Michel, distanzierte sich öffentlich von der Kampagne.
Individuelle Meinungen gibt es immer, das ist für mich kein Problem. Wichtig ist, dass der Gesamtverband die Devise "stay on message" beherzigt und die Hauptbotschaft konstant vertreten hat. Wie ich zudem gehört habe, kandidiert Jürg Michel im Herbst für den Nationalrat - vielleicht hat er sich von einer Distanzierung ein paar Stimmen für seine Nationalratswahlen erhofft.

Der Gewerbeverband sieht in der RTVG-Vorlage eine Steuerfalle, die Gebühren würden sich bis auf 1’000 Franken erhöhen. Glauben Sie wirklich daran?
Die Argumente kommen immer vom Kunden. Es ist nicht unsere Aufgabe, diese auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen. Unsere Aufgabe ist es, zu beraten, ob sich ein Argument für eine Kampagne eignet oder nicht, ob es verständlich, relevant und mehrheitsfähig ist und wie es erfolgreich kommuniziert und visualisiert werden kann.

Sie führen den Auftrag also auch aus, wenn die präsentierten Argumente offensichtlich nicht stimmen können?
Das ist nicht unsere Agenturaufgabe. Persönlich kann mir durchaus vorstellen, dass sich die Billag-Gebühren erhöhen werden. Steuern haben nun einmal die Tendenz, kontinuierlich zu steigen.

Kommen wir zur SVP. Nervt es Sie eigentlich, überall als "SVP-Werber" betitelt zu werden?
Nein, das ist ein tolles Kompliment. Die SVP ist die grösste und erfolgreichste Partei der Schweiz und noch dazu ein toller Auftraggeber. Als Agentur ist man da dauernd gefordert. Insofern ist die SVP als Kunde für uns die bestmögliche Referenz.

Mit Ihren Kampagnen haben Sie der SVP schon zu manchem Abstimmungssieg verholfen. Was ist Ihr Erfolgsgeheimnis?
Entscheidend ist die strategische und gedankliche Vorarbeit. Dafür ist auch die Billag-Abstimmung ein gutes Beispiel. Wir konnten die Lage genau analysieren und die Befindlichkeit der Bevölkerung richtig einschätzen. Diese Arbeit macht mir auch am meisten Spass. Das endgültige Plakat ist für mich am Schluss gar nicht mehr so relevant.

Kurz formuliert ist Ihr Prinzip doch immer das Gleiche: Man nehme das beste Argument und spitze es so lange zu, bis sich eine möglichst simple Botschaft ergibt.
Reduce to the max, lautet die Devise! Warum ist das so wichtig? Immer weniger Leute interessieren sich für Politik. Es ist unsere Aufgabe, die Bevölkerung zu bewegen und sie dazu aufzufordern, abstimmen zu gehen. Da ist man auf knappe, relevante Botschaften angewiesen, so einfach und konzentriert wie möglich. Ich vergleiche diese Arbeit immer mit einer Orange, die man auspresst. Der letzte Tropfen ist die Quintessenz. Mit ihr kann man arbeiten.

Diese krasse Vereinfachung eines politischen Themas lässt die Bevölkerung doch nur noch schwarz und weiss denken. Verunmöglichen Sie damit nicht eine vertiefende Diskussion?
Überhaupt nicht, eine klar Botschaft macht es erst möglich, darüber zu diskutieren. Schauen Sie die Kampagne zur Erbschaftssteuer an. Die war so langweilig, da hat gar niemand erst darüber gesprochen. Es ist keine wirkliche Diskussion entstanden, was für eine Demokratie und einen demokratischen Entscheid jedoch massgeblich wäre.

Nehmen wir die Masseneinwanderungsinitiative. Ihre Kampagne führte da doch nicht zu einer sachgemässen Diskussion. Stattdessen zielte sie einfach auf die Angst der Bevölkerung ab.
Politik und damit auch Abstimmungskampagnen haben doch die Pflicht, die Ängste, Sorgen und Bedürfnisse der Menschen aufzunehmen und anzusprechen. Und: Nur wenn sich die Menschen wirklich angesprochen fühlen - im zustimmenden oder ablehnenden Sinne - entsteht vor einer Abstimmung überhaupt eine Diskussion in der Bevölkerung und den Medien. Das ist wichtig für den demokratischen Meinungsbildungsprozess.

Sie wollen doch nicht sagen, vor der Anti-Minarett-Initiative hätte die Bevölkerung Angst vor Minaretten gehabt. Hier war es doch gerade Ihr Ziel, bei den Leuten Angst zu schüren, um die Abstimmung zu gewinnen.
Bei dieser Diskussion waren auch nicht die Minarette entscheidend, sondern deren Symbolik. Ziel war es, zu zeigen, dass hinter der Forderung nach Minaretten eine ganze Religion, eine Gesellschaftsanschauung steht, die zum Teil demokratiefeindlich ist. Die jüngste Geschichte hat dies auf tragische Weise bestätigt: In vielen Moscheen entsteht demokratiefeindliches Gedankengut. Dies zu zeigen, war das Ziel der Kampagne und der Auftrag des Kundens.

Aber nochmal, entstehen diese Ängste und Bedenken nicht erst aus solchen Kampagnen, in denen man den Islam als Feindbild in Szene setzt?
Nein, das ist eine Überschätzung der Werbung, eine solche Kraft hat sie nicht. Es ist uns nicht möglich, innerhalb von sechs Wochen, in denen ein Plakat hängt, ein Gefühl zu schaffen, das es noch gar nicht gibt.

Der allergrösste Teil der Muslime distanziert sich von radikalen Bewegungen. Verletzen Sie diese Leute nicht, wenn Minarette als Raketen dargestellt werden?
Es war gar nie unsere Absicht, diese als Raketen darzustellen. Das wurde spannenderweise hineininterpretiert. Wir wollten einfach zeigen, dass nach den Minaretten noch mehr kommt. Deshalb auch die Frau mit der Burka auf dem Plakat.

Positiv ist die Religion auf jeden Fall nicht dargestellt.
Aus Sicht der Aufklärung und der Emanzipation kann eine Frau mit Vollverschleierung tatsächlich kaum etwas Positives darstellen. Das ist richtig.

Zum Schluss noch eine persönliche Frage: Sie selbst sind Deutscher, haben zwei adoptierte Kinder aus Afrika, sind also auf die Toleranz der Schweizer angewiesen. Schaden Sie sich mit Ihrer Arbeit nicht selbst?
Ganz im Gegenteil. Die Schweiz ist für mich weltweit eines der tolerantesten Länder. Die Meinungsfreiheit ist hierzulande noch immer ein sehr hohes Gut. Wenn wir für unsere Kunden Kampagnen entwickeln dürfen, die zur politischen Diskussion anregen, ist das sicher ein kleiner Beitrag zur freien politischen Meinungsbildung. Zudem: In der Schweiz wird immer wieder zu Recht beklagt, dass die Teilnahme an Wahlen oder Abstimmungen zu tief ist. Viele der Abstimmungen, an denen wir im Auftrag unserer Kunden mitwirken dürfen, generieren eine Stimmbeteiligung von über 50 Prozent. Dies ist für eine direkte Demokratie sehr wichtig.

Interview: Nicolas Brütsch



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