14.06.2015

RTVG

Hauchdünnes Ja

Die Billag-Kontrollen gehören bald der Vergangenheit an.
RTVG: Hauchdünnes Ja

Mit einem historisch knappen Ja von 50,08 Prozent hat das Stimmvolk am Sonntag das neue Radio- und Fernsehgesetz (RTVG) angenommen. Das neue Gebührensystem ist somit unter Dach und Fach. Die Debatte über den Service-public-Auftrag der SRG beginnt nun aber erst recht. Möglicherweise muss nachgezählt werden.

Das Resultat könnte als eines der knappsten in die Geschichte eingehen. Insgesamt stimmten rund 1'128'400 Personen Ja zum neuen RTVG, rund 1'124'700 legten ein Nein in die Urne. Einige tausend Stimmen gaben also den Ausschlag.

Deutlich Ja sagten die Stimmenden in der Romandie. Eine Ausnahme bildete der zweisprachige Kanton Wallis. In der Deutschschweiz wiederum sagten lediglich zwei Kantone Ja: Basel-Stadt und Graubünden mit je rund 51 Prozent. Die übrigen Deutschschweizer Kantone sowie der Kanton Tessin stimmten Nein.

Das Ergebnis ist derart knapp, dass eine Nachzählung fällig werden könnte. Eine solche kann aber laut Bundeskanzlei nur angeordnet werden, wenn glaubhafte Hinweise auf Unregelmässigkeiten vorliegen.

Privatsender und Gastronomiebetriebe freuen sich

Der Verband Schweizer Privatradios (VSP) und der Verband der Radios Régionales Romandes (RRR) freut die Zustimmung zum RTVG: „Mit dem JA zum neuen RTVG werden die privaten elektronischen Medien in der Schweiz gestärkt“, schreibt der Verbandspräsident Jürg Bachmann in einer Pressemitteilung; dies bedeute für die privaten Radioveranstalter eine verbesserte Ausgangslage für die Herausforderungen der Zukunft.

Der Anteil der Privaten werde gegenüber heute und zu Lasten der SRG um bis zu fünfzig Prozent erhöht. Bisher nicht ausbezahlte Gebührengelder könnten nun für die Ausbildung junger Journalisten und die Technologieförderung eingesetzt werden. 

Auch GastroSuisse begrüsst die Annahme der Initiative, denn das neue System entlastet die gastgewerblichen Betriebe. Künftig wird die Gebühr nicht mehr an der Anzahl der Geräte, sondern am Umsatz bemessen. Dadurch bezahlen drei Viertel der gastgewerblichen Betriebe keine oder weniger Gebühren.

Gar nicht erfreut über die Annahme der Vorlage zeigte sich Gewerbeverbandsdirektor Hans-Ulrich Bigler: "Das ist ein schlechtes Zeichen für die Schweizer Wirtschaft", sagte Gewerbeverbandsdirektor Hans-Ulrich Bigler auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda. Die Unternehmen würden fünf Mal mehr belastet, sagte Bigler. In Zeiten des starken Frankens sei dies eine zusätzliche, "ärgerliche" Belastung.

Keine Billag-Kontrollen mehr

Mit dem Ja ist nun der Weg frei für ein neues Gebührensystem: Die geräteabhängige Gebühr wird durch eine allgemeine Abgabe ersetzt. Damit will das Parlament der Tatsache Rechnung tragen, dass die meisten Haushalte über Empfangsgeräte verfügen, da Radio- und TV-Programme heute auch auf dem Handy und dem Computer empfangen werden können.

Die Anmeldung bei der Billag entfällt, und auch Kontrollen braucht es keine mehr. Während einer fünf Jahre dauernden Übergangsfrist können sich Medienabstinente von der Gebühr befreien lassen. Dauerhaft befreit sind alle Bewohnerinnen und Bewohner von Alters- und Pflegeheimen.

Gebührensenkung im Hintergrund

Weil es keine Schwarzseherinnen und Schwarzhörer mehr gibt, wird die Gebühr sinken - nach Angaben des Bundesrates auf rund 400 Franken. Mit Ausnahme jener Unternehmen, die einen Umsatz von über einer Million Franken generieren, müssen alle Firmen weniger bezahlen als heute.

Und doch sind die Diskussionen mit dem Ja vom Sonntag nicht zu Ende - im Gegenteil. Die Debatten um den Service public und das Programm der SRG haben eben erst begonnen. Im Departement von Medienministerin Doris Leuthard ist ein Bericht in Arbeit, der Mitte 2016 vorliegen soll.

Gegner und Befürworter des neuen RTVG fordern eine Grundsatzdiskussion ohne Tabus. "Wir müssen über den Leistungsumfang der SRG diskutieren", sagte Gewerbeverbandsdirektor Hans-Ulrich Bigler, der das Nein-Komitee angeführt hatte.

Die AZ Medien fordern die "Eingrenzung der Marktmacht der SRG". Und auch die privaten Radio- und Fernsehstationen werfen die Frage auf: "Wie viel SRG brauchen wir?" Selbstverständlich darf man das hinterfragen", stellte Leuthard fest. Dies müsse aber unter der Berücksichtigung der Konsequenzen geschehen. Für den Bundesrat sei ein vielfältiges Medienangebot wichtig: "Medien sind für das Funktionieren der Demokratie elementar."

SRG-Generaldirektor Roger de Weck unterstrich, dass die SRG eine Auftragnehmerin des Service public ist und nicht die Auftraggeberin. Er freue sich auf die Zukunftsdebatte über den Service public. "Die SRG wird sich offen und konstruktiv in die Debatte einbringen." Dies sei ihre "statutarische Pflicht".

Das knappe Abstimmungsresultat widerspiegelt laut de Weck jedoch nicht den Rückhalt in der Bevölkerung: "Ich sehe keinen fehlenden Rückhalt der SRG in der Deutschschweiz."Die SRG werde weiterhin verschiedene Zielgruppen zu erreichen und verschiedene Bereiche abzudecken versuchen, sagte RTS-Direktor Gilles Marchand. Es brauche ein Programm für die junge und für die alte Bevölkerung. (sda/lcv)



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