21.03.2012

Social Media

Bringt mehr Aufwand als Nutzen

Dominik Allemann erklärt die neuste Studie.

Es werden immer mehr: Bereits 66 Prozent der Schweizer Unternehmen und Behörden setzen auf Social-Media. Die meisten sind erst seit einem Jahr oder kürzer dabei. Doch nach der grossen Anfangseuphorie herrscht Ernüchterung: Mehr als die Hälfte der Befragten sieht mehr Aufwand als Nutzen. Trotzdem erwarten 56 Prozent eine zunehmende Bedeutung von Social-Media für Image und Absatz. So die Ergebnisse einer am Mittwoch veröffentlichten Studie von Bernet-PR und der ZHAW.

Grossunternehmen und Nonprofit am aktivsten

Die Studie zeigt: Grossunternehmen sind mit 94 Prozent am stärksten engagiert, wogegen KMU wohl aufgrund beschränkterer Ressourcen zu 56 Prozent dabei sind. Ebenfalls überdurchschnittlich aktiv sind Nonprofit-Organisationen, hier nutzen 73 Prozent soziale Plattformen. Behörden, Verbände und Politik sind zu 56 Prozent aktiv.

Die drei wichtigsten Social-Media-Ziele sind der externe Dialog (86 Prozent der Nennungen), die Pflege von Image oder Reputation (68 Prozent) und das Verbreiten von Informationen zu Produkten oder Dienstleistungen (62 Prozent).

Facebook dominant, Google+ in den Top-Fünf

Klar am meisten Aktivität erreicht in der Schweiz Facebook (84 Prozent der Nennungen). Darauf folgen mit ähnlichen Anteilen Video-Plattformen wie YouTube (65 Prozent), Microblogging-Dienste wie Twitter (61 Prozent) und das Geschäfts-Netzwerk Xing (60 Prozent). Bereits an fünfter Stelle wird Google+ genannt (44 Prozent), obwohl sich das neue Netzwerk erst Ende 2011 für Unternehmensseiten öffnete. Im Interview mit persoenlich.com erklärt Dominik Allemann, Senior Berater und Stv. Geschäftsführer bei Bernet-PR, die Ergebnisse im Detail:

Herr Allemann, welches sind die grössten Veränderungen seit Ihrer letzten Studie vor gut einem Jahr?

Wir haben die Grundgesamtheit deutlich ausgeweitet. Letztes Jahr haben wir die grössten Schweizer Unternehmen befragt. Diesmal sind auch KMU's, NPO's und Behörden und Verbände dabei – das gibt uns eine bessere Gesamtsicht. Interessant ist es darum, die einzelnen Sparten zu vergleichen: 94 Prozent die Grossunternehmen sind aktiv. Dagegen sind die KMU's mit 56 Prozent etwas zurückhaltender – wohl wegen den beschränkten Ressourcen. Überdurchschnittlich präsent sind mit 73 Prozent auch die NPO's. Und etwas überraschend: Auch Behörden, Verbände und Politik sind bereits zu 56 Prozent aktiv.

Auffallend ist, dass der Aufwand grösser eingeschätzt wird, als der Nutzen. Es handelte sich bei Social-Media also doch um einen Hype.

Die Skepsis bezüglich Nutzen ist tatsächlich frappant. Und doch: 56 Prozent der Befragten erwarten eine zunehmende Bedeutung der Kanäle für Image und Wachstum. Das heisst: Viele haben erkannt, dass es sich beim Webdialog um mehr als nur einen Hype handelt. Wir stehen in der Phase des Ausprobierens. Niemand will diesen Zug verpassen – man weiss aber noch nicht genau wohin er fährt. Social Media wandelt sich vom Hype zur Pflicht.

Laut Ihrer Studie ist für Schweizer Unternehmen primär Facebook wichtig. Wird sich dieser Trend fortsetzen?

Der Abstand von Facebook mit 84 Prozent der Nennungen auf den direkten Konkurrenten Google+ mit 44 Prozent der Nennungen ist gross. Die Google+ Unternehmensseiten wurden aber auch erst im November 2011 lanciert – das Tempo dieser Entwicklung ist beachtlich. Es ist spannend zu beobachten, wie schnell Google+ aufholen kann. Facebook wird aber sicher stark bleiben. Beachtlich sind aber auch die hohen Anteile von Twitter und Xing mit je rund 60 Prozent.

Aus Ihrer Erfahrung: Wie kommen die PR-Abteilungen mit den Social-Media-Aufgaben zurecht?

Bis anhin mussten wir noch viel mehr Aufklärungsarbeit leisten in den PR-Abteilungen und auch im Management. Heute muss man bezüglich Webdialog nicht mehr bei Adam und Eva anfangen. Viele PR-Profis kennen die Kanäle, haben den allzu grossen Respekt verloren und erste Erfahrungen gesammelt. Jetzt müssen gesamtheitliche Strategien erarbeitet werden – erst 53 Prozent haben eine formuliert – und diese vor allem auch konkret umgesetzt werden.

Wo sind die Tücken?

Bei Inhalten und Ressourcen: Man muss die neue Kanäle mit relevanten Inhalten bespielen, sonst bleiben sie leblos. Damit man aber Relevanz erkennt, muss man zuhören, ein Monitoring betreiben. Erst daraus ergibt sich spannender, emotionaler und für die Zielgruppe wichtiger Content. Das alles braucht Zeit. Und die ganze Unternehmung muss involviert werden. Das ist mitunter nicht ganz einfach.

Wo wird der Aufwand unterschätzt?

Als grösste Herausforderung bezüglich Social Media wird der hohe Aufwand genannt (46 Prozent der Nennungen). Am liebsten an externe Dienstleister abgegeben wird Programmierung und Technik (45 Prozent). Unterstätzt wird wohl eben die Erarbeitung und Redaktion von Inhalt sein – immerhin haben 17 Prozent angegeben hier schon Externe involviert zu haben. Wenn man bedenkt, welche Rolle Authentizität im Social Web spielt, ist dies ein hoher Wert.

Momentan setzen viele Unternehmen auf Social-Media-Manager. Welche Erfahrungen macht man damit?

Fast jede fünfte Unternehmung (18 Prozent) verfügt über ein eigenes Social-Media-Team, bei fast der Hälfte der Befragten sind Ressourcen vorhanden (30 Prozent) oder geplant (14 Prozent). Das ist eigentlich schon viel. Auf der anderen Seite übernehmen viele PR- und Marketing-Verantwortliche diesen Aufwand noch zusätzlich. Eine spezielle Social-Media-Stelle zu schaffen ist sicher ein gangbarer Weg. Wichtig ist aber, dass diese Stelle eng ins PR-/Kommunikations-Team eingebunden ist und nahe an den Entscheidern dran ist.

Im Interview vom April 2011 nannten Sie Swiss, Swisscom, die Post, Denner, Migros, Graubünden-Ferien und Schweiz Tourismus als Best-Practice-Beispiele im Bereich Social Media. Sind diese Unternehmen noch immer eine Nasenlänge voraus?

Diese grossen Unternehmen sind sicher noch immer die Paradebeispiele. Sie haben die Bedeutung früh erkannt und mit etwas Mut und auch mit grosszügigen Budgets die neuen Kanäle recht kompromisslos eingebunden. Aber einige Grosse fehlen auch noch. Man darf gespannt sein, wie sich künftig Unternehmen wie die SBB oder Coop präsentieren werden.

Wer macht was besonders gut?

Wen man ergänzend erwähnen muss, sind die Non-Profit-Organisationen. Bezüglich Social-Media-Campaigning präsentieren diese immer wieder eine grosse Innovationskraft. Aber auch einzelne kleinere Unternehmen sind sehr engagiert und am Puls, halt mit kleineren Budgets. Deutlich zugenommen hat auch das Engagement von bedeutenden B2B-Unternehmen. Sie haben erkannt, dass Ihnen Social Media Kundennähe und einen Vorteil im Recruiting, im "War Of Talents" bringt.

Sie sagten damals, dass sich Unternehmen hin zu integriertem Online ausrichten müssen und sich quasi wie Verlage ausrichten sollen. Haben Sie bereits Beispiele entdeckt, wo die Kommunikationsabteilung in einer Art Newsroom sitzt?

Diese Entwicklung steht noch in den Kinderschuhen. Die erwähnten Grossunternehmen führen schon sehr aktive "Social Media Boards". Das Verständnis für diese Vernetzung ist deutlich gewachsen: 55 Prozent erwarten eine wachsende Bedeutung von umfassenden Strategien und bei der Integration der Social-Media-Kanäle in alle bestehenden Funktionen.

Die vollständige Studie ist verfügbar auf bernet.ch/socialmediastudie. Sie basiert auf einer im Januar abgeschlossenen Online-Befragung mit 419 Antworten aus Unternehmen, Nonprofit-Organisationen, Behörden, Politik und Verbänden. Gut die Hälfte der Antworten stammt von KMU mit weniger als 250 Mitarbeitenden. (pd/eh)


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