24.08.2015

VBZ

"Ich bin nicht so feige, und ziehe meine Aussagen zurück"

Nach 35 Jahren bei den Zürcher Verkehrsbetrieben geht Kommunikationschef Heinz Vögeli in Pension. Mit persoenlich.com spricht der Querdenker über sein Gespür für zukünftige Trends, sein neues Projekt Denkfabrik Mobilität und über heikle Aussagen als Pressesprecher. Zudem erklärt er, weshalb er in all den Jahren kein anderes Jobangebot angenommen hat.
VBZ: "Ich bin nicht so feige, und ziehe meine Aussagen zurück"

Herr Vögeli, Sie starten in die letzte Woche bei den VBZ. Was dominiert – Freude oder Wehmut?
Ich bin am Loslassen, das ist natürlich ein längerer Prozess. Aber ich freue mich – nicht darauf, die VBZ zu verlassen, sondern auf etwas Neues.

Sie gründen eine Denkfabrik für Mobilität, wie Sie es nennen. Was genau ist darunter zu verstehen?
Im täglichen operativen Geschäft hat man zu wenige Zeit sich mit grundsätzlichen Themen auseinanderzusetzen. Mobilität ist viel mehr als Verkehr. Ein Beispiel: Weshalb müssen sich Kinder mitten im Morgenverkehr in die Schule quälen, wenn alle von Vernetzung sprechen? Wäre es nicht möglich, die ersten beiden Lektionen am Morgen mit einem Onlinetool durchzuführen? Ein anderer Trend ist das Homeoffice. Solche Themen beeinflussen das Thema Mobilität entscheidend.

Sie gehen in Pension, sprühen aber noch vor Ideen. Haben Sie nie daran gedacht, es etwas ruhiger anzugehen?
Ich bin in der privilegierten Situation mein Leben lang das getan zu haben, was mir Spass macht. Der grosse Unterschied im Pensionsalter ist natürlich, dass man nicht mehr muss. Das gibt einem eine gewisse Freiheit. Aber ja, ich bin jeweils unglaublich angetan, wenn ich Gottfried Honegger mit seinen 98 Jahren durchs Seefeld zur Arbeit spazieren sehe. Das ist vom Naturell abhängig.

Sie hatten viele Interviewtermine in den letzten Wochen. Wie ist es für Sie, so im Mittelpunkt zu stehen?
Als langjähriger Pressesprecher ist es eine Art Déjà-vu. Auch wenn ich dabei als Sprachrohr der VBZ agierte, stand ich mit gewissen Aussagen doch als Person im Vordergrund. Da dachte ich oft: Himmel, was habe ich da wieder ausgelöst?

In einem Interview mit dem "Tages-Anzeiger“ forderten Sie die Fusion aller Verkehrsunternehmen des Kantons Zürich. War das so eine Situation?
Im Grunde habe ich nichts anderes gesagt, als das, was in der Unternehmensstrategie steht. Die VBZ wollen sich zu einem ÖV-Kompetenzzentrum im Kanton entwickeln. Für Wirbel gesorgt hat wahrscheinlich das Reizwort Fusion. Aber ich bin ja nicht so feige, und ziehe meine Aussagen zurück.

Kommunikation, Verkaufsförderung, Unternehmensstab, Informatikstrategie und Personalführung: Sie haben viele verschiedene Aufgaben erledigt. Was hat Ihnen am meisten Spass gemacht?
Kommunikation. Der Bereich hat mich durch alle Aufgaben hindurch begleitet.  Informatik fand ich auch sehr spannend, aber länger hätte ich das nicht machen wollen. Gereift bin ich wohl am meisten an den Aufgaben im Personalmanagement. In einem Unternehmen wie den VBZ mit 2500 Angestellten beschäftigt man sich zwingendermassen mit viel Erfreulichem, ist aber auch mit viel Beschwerlichem konfrontiert. Das ist mir zum Teil sehr nahe gegangen.

Sie haben viele innovative Projekte massgablich mitverantwortet - die Regenbogenkarte, der Gratis-Veloverleih Zürirollt oder die Nachtbusse. Woher kommen diese Ideen?
Manchmal frage ich mich das auch. Ich glaube, ich habe einfach ein Gespür dafür, Trends zu erkennen, wenn sie noch in der Luft liegen.

Energie, Kreativität und Lebensfreude seien die Werte, die Sie leiten, sagten Sie kürzlich. Wie reagieren Sie, wenn einer der drei Punkte aus dem Gleichgewicht gerät?
Ich werde unleidig und bin schlecht gelaunt, das passiert ab und zu. Dann frage ich mich, an was das liegt. Das Gleichgewicht halte ich, indem ich soziale Kontakte pflege und mich viel bewege.

Wie bewegen Sie sich?
Ich versuche Bewegung in meinen Tagesablauf zu integrieren. Im Schnitt mache ich sieben bis acht Kilometer über den Tag verteilt. Ich flaniere aber auch gerne oder gehe mal auf die Laufstrecke. Mir ist aber noch ein anderer Punkt wichtig, um glücklich zu sein: Einfach bleiben.

Wie meinen Sie das?
Ich fühle mich in einem opulenten Umfeld nicht wohl, Qualität ist mir aber trotzdem wichtig. Ich fahre zum Beispiel einen Fiat 500. Auch Zuhause gilt, möglichst wenig Möbel und möglichst viel Raum.

Sie waren 35 Jahre bei den VBZ. In der Branche kennt man Sie, wollte man Sie nie abwerben? 
Doch, immer wieder. Für mich sind zwei Kriterien wichtig: Das Produkt oder die Dienstleistung für die ich mich engagiere muss sinnstiftend sein, auch für mich als Mensch. Zudem fühle ich mich in grossen Unternehmen wohl. Somit kamen die meisten Anfragen gar nicht erst in Frage. Ein Angebot fand ich hochspannend, aber damals war meine Tochter noch etwas jünger und ich hätte viel reisen müssen. Da habe ich mich für die Familie entschieden. Es war immer eine Balance zwischen: Wie viel Vögeli vertragen der VBZ und wie viel VBZ verträgt der Vögeli? Diese Frage habe ich mir immer wieder gestellt.

Vor knapp zwei Jahren haben die VBZ die Kommunikationsstrategie umgestellt und gerade kürzlich wurde vbzonline.ch lanciert. Die Branche ist sehr schnelllebig. Dachten Sie nie: Ich bin zu alt dafür?
Nein, das habe ich nie gedacht. Wenn es um technische Fragen geht, gibt es ja immer Leute die helfen. Mich haben immer die Muster dahinter interessiert. In welchem Fall sollte man Facebook Twitter bevorzugen? Was macht man auf Instagram? Und wie bespielt man das Karriereportal Xing. Manchmal habe ich das Gefühl, die Social-Media-Cracks da draussen wissen genau, wie man die Plattformen bespielt, über die Wirkung was das Ganze auf die Kommunikation hat, wissen sie jedoch wenig Bescheid.

Die VBZ sind bekannt für kreative Werbekampagnen. Wie viel haben Sie da mitzureden?
Wir arbeiten seit 13 Jahren mit der Agentur Ruf Lanz zusammen und haben bei der Konzeption immer den Kundennutzen im Auge. Zudem haben wir ein kleines Budget, um auf aktuelle Ereignisse zu reagieren – wie gerade jetzt mit dem Papamobil (persoenlich.com berichtete). Solche Plakate bringen die Leute zum Schmunzeln, das ist wichtig.

Punkto Werbung waren Sie nicht immer so offen. Als es um den Verkauf von Werbeplätzen auf den VBZ-Fahrzeugen ging, waren Sie der einzige von acht Mitgliedern in der Geschäftsleitung, der Nein stimmte. Weshalb?
Ich sehe die Trams und Busse als eine Art Wahrzeichen von Zürich, mit den Farben Blau und Weiss gehören sie zum Erscheinungsbild der Stadt. Da spielt der Gedanke der Corporate Identity natürlich mit. Die Geschäftsleitung hat den Entscheid gefällt, und ich trage ihn natürlich mit. Auch wenn ich mich manchmal schon frage, weshalb gewisse Unternehmen den 500'000 Franken teurer Werbeplatz nicht besser nutzen. Gewisse Trams sind nicht attraktiv umgesetzt.

Wie gesagt, es ist Ihre letzte Woche. Was gibt es noch zu tun?
Vor meinem Pult stehen zwei grosse Container, die sich langsam aber sicher füllen. Bei vielem stellt sich die Frage: Brauch ich das noch oder nicht? Es ist ein befreiendes Gefühl, wenn die Antwort Nein ist.

Interview: Michèle Widmer, Bild: zVg.


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