16.09.2011

"Nach meiner Auffassung sollten sich Berater über ihre Kundenarbeit nicht äussern."

Urs Lauffer berät Schweizer Topshots, wie diejenige der Credit Suisse oder Roche. Seit 2007 ist er zudem Verwaltungsratspräsident der Wirz-Gruppe. Trotzdem bleibt er lieber im Hintergrund. In der aktuellen "persönlich"-Wirz-Sonderausgabe macht er eine Ausnahme und spricht erstmals öffentlich über sein Berufverständnis und sein Image als diskreter Strippenzieher. Zum Interview:
"Nach meiner Auffassung sollten sich Berater
über ihre Kundenarbeit nicht äussern."

Herr Lauffer, Sie sind VR-Präsident der Wirz Gruppe. Was hat Sie eigentlich bewogen, dieses Mandat anzunehmen?

Anfang 2001 wurde klar, dass sich Wirz in einer sehr schwierigen wirtschaftlichen Situation befindet. Wie in vielen anderen Unternehmen war man an der Uetlibergstrasse lange Zeit viel zu euphorisch und glaubte, die Bäume würden in den Himmel wachsen. Dem war bekanntlich nicht so. Nach dem 11. September und dem Platzen der Internetblase befand sich Wirz in einer äusserst unkomfortablen Situation. Erschwerend kam dazu, dass man über viel zu viel Arbeitsplatz verfügte und langjährige, teure Mietverträge abgeschlossen hatte. Als mich Jost Wirz bat, Mitglied des Verwaltungsrates zu werden, konnte ich dies nur schwer ablehnen.

Wie sind Sie bei der Sanierung vorgegangen?

Als ersten Schritt mussten wir die Finanzlage stabilisieren. Dies ist der Geschäftsleitung und dem Verwaltungsrat mithilfe von Restrukturierungsmassnahmen und einer Kapitalerhöhung gelungen. Aufgrund meines Netzwerkes konnten wir den Verwaltungsrat neu besetzen. So hat Christian Steinmann, Rechtsanwalt und Partner bei Bär & Karrer, das VR-Präsidium übernommen. Das war notwendig, weil man für die Sanierungsmassnahmen einen Juristen benötigte. Seit fünf Jahren befinden wir uns wieder auf Kurs. 2010 habe ich das VR-Präsidium von Christian Steinmann übernommen.

Mit Christian Steinmann, Bruno Gehrig, Elmar Ledergerber, Andreas Schmid und Ihnen verfügt Wirz über einen sehr repräsentativen Verwaltungsrat. Ist dies wirklich notwendig oder nur l’Art pour l’Art?

Das kommt darauf an, wie man einen Verwaltungsrat führt. Ist ein Verwaltungsrat mit externen Persönlichkeiten besetzt, macht das nur Sinn, wenn dieser mit der Geschäftsleitung über laufende Strategien und Geschäfte diskutiert. In der Kommunikationsbranche sind zudem die Vernetzung und Erfahrung sehr wichtig. Ich glaube, unser Verwaltungsrat kann diesen Anliegen sehr gut Rechnung tragen. Bei Wirz ist es eine Besonderheit, dass das Top-Management über die Aktienmehrheit verfügt. Wir sind so gesehen sozusagen die Angestellten der Geschäftsleitung.

Gab es einmal Widersprüche zur Geschäftsleitung?

Natürlich gab es diese, aber dies spricht ja für die Diskussionskultur bei Wirz. Es ist von grossem Vorteil, dass die Verantwortlichkeiten von Verwaltungsrat und Geschäftsleitung klar geregelt sind.

Einerseits stehen Sie als langjähriger FDP-Politiker im Fokus der Öffentlichkeit, andererseits agieren Sie als Unternehmensberater sehr diskret. Warum ist dies so?

Dies ist in der Tat mein erstes Interview in den vergangenen dreissig Jahren, in welchem ich über meine berufliche Tätigkeit spreche. Mein nächstes erfolgt also, wenn ich über achtzig bin. Nach meiner Auffassung sollten sich Berater über ihre Kundenarbeit nicht äussern, schon gar nicht in der Öffentlichkeit. Zum einen, weil Beratung, wie ich sie verstehe, ausschliesslich auf einem Vertrauensverhältnis beruht. Mein Kunde muss wissen, dass alles, was er mir anvertraut, auch unter uns bleibt und nicht an die Öffentlichkeit gelangt. Zum anderen: Ein Berater kann zwar manches besser wissen und auch gute Ratschläge geben, er kann aber dem Kunden die Verantwortung für dessen Handeln nicht abnehmen. Sobald nicht mehr klar ist, ob der Berater oder der Unternehmensleiter die Entscheide fällt, wird es unheilvoll. Seit zwanzig Jahren besteht die Tendenz, dass viele Berater als öffentliche Figuren wahrgenommen werden. Damit wird der Anschein erweckt, sie trügen auch Verantwortung. Dies ist aber falsch.

Wer gehört dann zu Ihren Kunden?

Diese Frage habe ich noch nie beantwortet. Lauffer & Frischknecht verzichten auch bewusst auf einen eigenen Internetauftritt. Ich freue mich, wie viele meiner Beratungsmandate niemals bekannt geworden sind. Aus meinen Verwaltungsratsmandaten kann man aber gewisse berufliche Verknüpfungen ableiten.

Beispielsweise zu den Wirtschaftsgrössen Rainer E. Gut, Fritz Gerber, Franz Humer, Rolf Dörig, Walter Frey, Andreas Schmid, René Braginsky oder zur Familie Jacobs ...

Als Kantonsrat muss ich meine Interessenbindungen offen legen. Bekannt ist, dass ich seit beinahe dreissig Jahren die Präsidenten und CEOs von Roche berate. Der Pharmakonzern verfügte in dieser langen Zeit mit Fritz Gerber und Franz Humer lediglich über zwei Verwaltungsratspräsidenten und hat jetzt mit Severin Schwan den dritten CEO. Für einen Berater ist es ein einmaliges Privileg, einen Weltkonzern über eine solch lange Phase begleiten zu dürfen.

War es Ihr Berufswunsch, Berater zu werden?

Nein, überhaupt nicht. Ich bin mit 18 Jahren wegen sogenannt einseitiger Begabung vom Gymnasium verwiesen worden, da ich mit Physik, Mathematik und Chemie nichts anfangen konnte. Es war Fügung, dass ich anschliessend beim legendären PR-Büro Farner Unterschlupf fand, wo mich Rudolf Farner und der damalige Chef, Gustav Däniker, unter ihre Fittiche nahmen. Entscheidend für mein Weiterkommen war der damalige Roche-Chef Fritz Gerber, den ich für Farner beraten durfte. 1985 wollte ich selbstständig werden. Als ich Fritz Gerber meinen Abschiedsbesuch abstattete, meinte er nur: "Es wird sich nichts ändern, Sie bleiben unser Berater." Das war nicht nur ein Glücksfall, sondern bildete auch den Grundstein zu meiner Karriere.

Als Berater von Schweizer Topshots müssen Sie eigentlich immer noch ein wenig mehr von der Materie verstehen als Ihre Kunden. Ist dies überhaupt machbar?

Von der eigentlichen Materie verstehe ich häufig nur sehr wenig. Als Berater einer Baufirma kann ich beispielsweise keine Auskunft über Baumaterialien geben. Hingegen muss ich einen sehr detaillierten Überblick sind oftmals recht einsam und in ihrer Hierarchie gefangen. An wen sollen sie sich wenden? An ihren Stellvertreter wohl kaum. Von der Selbstprofilierung gewisser Berater halte ich überhaupt nichts. Es geht darum, aus externer Sicht und interner Kenntnis die richtigen Fragen zu stellen. Dabei ist aber zentral, dass die Antworten von den Kunden kommen. Sobald der Berater die Antworten gibt, wird es gefährlich. Ich stelle nur die Fragen.

Interview: Matthias Ackeret

Das vollständige Interview finden Sie in der "persönlich"-Sonderausgabe zum 75. Jubiläum von Wirz, welche soeben erschienen ist.


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