TV-Kritik

Aus dem Knast in die Beiz

Er hat sie alle reingelegt: SRF, die (deutsche) Produktionsfirma ITV, seinen Wirt, seine Kandidaten-Gspänli – und die Fernsehzuschauer. Vergangene Woche deckte «Blick» auf, dass der verurteile Zürcher Grossbetrüger und Wiederholungstäter Beat K. (61) in der Sendung «Mini Beiz, dini Beiz» eine Woche lang als Feinschmecker aufgetreten war (persoenlich.com berichtete).

Rückblick: Der Männedörfler Beat K. hatte als Chefbuchhalter ein Zürcher Medizinalunternehmen um über 600’000 Franken betrogen. Das Zürcher Obergericht verurteilte ihn 2016 zu 30 Monaten Gefängnis, davon 12 Monate unbedingt. Derzeit hockt er diese Massnahme in der der Strafanstalt «La Stampa» bei Lugano in Halbgefangenschaft ab.

Ein Betrug treibt vielfach den nächsten hervor: Bereits 2003 hatte der «SRF-Star» im Kanton Bern wegen Veruntreuung von mehreren 100'000 Franken eine Freiheitsstrafe kassiert. Schon die SRF-«Rundschau» hatte Beat K. als Betrüger entlarvt: der Zürcher wechselt immer wieder den Kanton, um seinen haufenweisen Betreibungen «aus dem Weg zu gehen».

Die deutschen Macher und die SRF-Verantwortlichen von «Mini Beiz, dini Beiz»: ahnungslos. Wer leicht traut, wird leicht betrogen. Vorletzte Woche durfte sich der Gefängnisinsasse im Schweizer Fernsehen am Lago Maggiore als Gourmet aufspielen. Das Restaurant La Campagnola in Vairano TI ist eine angenehme Sitzgelegenheit. Lieber hinter der Bar als hinter Gittern. Einblender unter K.’s Bild: Marketingberater, Hobbys: Golf und gutes Essen. Erst kommt das Fressen, dann die Moral. Auch Sträflinge haben einen Magen. Und die (Fernseh-)Welt will betrogen sein.

Unter dem Titel «Gipfel der Dekadenz» habe ich an dieser Stelle bereits im Frühjahr geschrieben, dass «Mini Beiz, dini Beiz» verkommen ist. Je länger diese Sendung läuft, desto schwieriger wird es, sie sachlich zu beurteilen. Dennoch: Häufig trifft man darin auf unprätentiöse, einnehmende Protagonisten, sowohl bei den Kandidaten als auch bei den Gastronomen. 

Oft aber möchte man den Magen durch den Hals entleeren, weil in dieser Sendung immer häufiger gewichtsveredelte Selbstdarsteller, Wichtigtuer und Bluffer mit erhöhtem Fettanteil Gebührengelder verfressen und versaufen. Und das vorgesetzte Essen und Trinken so objektiv beurteilen wie Frutarier das Geschehen in einem Schlachthof. Gerne würde man mal erspähen, was bei diesen ungeniessbaren Schlingern zuhause in der Küche und auf dem Tisch steht.

Aus dem langweiligen Alltag ausbrechen und einmal Leben als Blender im Fernsehen auftreten – SRF macht es mit «Mini Beiz, dini Beiz» vielen möglich. Was die Seriosität betrifft, ist der «Frauentausch» (RTL 2) dagegen eine Sonntagsmesse.


René Hildbrand
René Hildbrand ist Journalist, langjähriger Fernsehkritiker und Buchautor. Während 27 Jahren war er für «Blick» tätig, danach Chefredaktor von «TV-Star».

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Kommentare

  • Dieter Widmer, 11.09.2017 09:22 Uhr
    "Mini Beiz, dini Beiz" wäre eigentlich ein originelles Programmformat. Das Problem ist aber, dass viele Stammgäste gar nicht in der Lage sind, ein Essen zu beurteilen, und entsprechend hanebüchene Urteile abgeben. Schade. Ich schaue mir lieber auf Kabel 1 die Sendereihe "Mein Lokal, dein Lokal" an, weil dort Küchenchefs einander bewerten, die in der Regel von Kochen viel verstehen.
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