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Migros zeigt Nespresso die Kugel – trifft sie auch?

von Stefan Vogler

Bereits seit Wochen spricht der seit vier Jahren amtierende CEO Fabrice Zumbrunnen davon, dass die Migros mit einem revolutionären Produkt auf den Markt kommen will, das neue Massstäbe setzten soll.

Die Erwartungen wurden bewusst hochgeschraubt und entsprechend intensiv gestreut. Man konnte sich dem täglichen Hype kaum entziehen, den die Medien um die unbekannte Grösse veranstalteten. Dabei war von der «grössten Produktinnovation der Firmengeschichte» die Rede, was eine endlose Gerüchteküche befeuert hat. Die Migros war täglich in einem emotionalen Themenfeld präsent. Und das nur kurze Zeit nach der Alkoholabstimmung, die dem grössten Detailhändler sogar eine «Arena»-Sendung bescherte. Alle wollten dieses Rätsel vorzeitig lösen und sondierten selbst in den Migros-Filialen nach möglichen Antworten bei den Mitarbeitenden.

Seit wenigen Tagen wissen wir, dass es sich um ein weiteres Kaffeeautomatensystem handelt, bei dem die Kapseln zu Kugeln wurden, die biologisch abbaubar sein sollen. Verlässliche Studien dazu gibt es noch nicht.

Schmeckt uns der Kaffee als «Lindorkugel»?

Man ist unter Expertinnen und Experten verblüfft und unsicher, ob die Migros damit Nespresso wirklich die Kugel reichen kann. Immerhin haben sich die rezyklierbaren Kapseln von Nespresso in den letzten Jahren gut bewährt. Mit einem hochwertigen Kaffeesortiment in unterschiedlichsten Stärken und Aromen, einem Club, starken Kundenerlebnissen in den eigenen Läden, einem guten E-Shop und Georg Clooney als beliebter Markenbotschafter schafft es Nespresso, ihre Kaffeekapseln als Luxusprodukt zu vermarkten. Gemäss Kantar beträgt der Markenwert über acht Milliarden US-Dollar.

Wer hat eigentlich auf «CoffeeB» gewartet, und ist dies wirklich die ultimative Alternative in der Arena unterschiedlichster Kaffeesysteme, die heute in diesem übersättigten Markt um die Gunst der Kaffeetrinkenden buhlen? Erfüllt «CoffeeB» die Erwartungen an eine Weltneuheit?

Folgende Überlegungen stelle ich zur Diskussion:

  • Sicher liegt Nachhaltigkeit im Trend und überzeugt gegenüber dem Hauptkonkurrenten Nespresso, gerade auch im Bereich der Kaffeekapseln, die dort meist in Alu gefertigt sind. Dies passt zum attestierten Image der Migros als sympathischste Marke der Schweiz und ihrer Brand Mission.

  • Die TV-Spots rund um das neue System «CoffeeB» sind attraktiv gemacht. Die Werbekampagne von Peter Brönnimann passt und inszeniert die Verkündung einer Weltneuheit prima.

  • Die Migros hat «CoffeeB» im Kampf gegen die Hauptkonkurrentin Coop geschickt genutzt, um im Wettbewerb der Giganten innovativ wahrgenommen zu werden. Es spricht vieles dafür, dass es hier auch um die Marke und das Innovationsimage der Migros ging und «CoffeeB» dafür geschickt genutzt wird. Tägliche Aufmerksamkeit wurde erzeugt, die Migros waren mediales Dauerthema.

Migros setzt auf Eigenmarken

Die Migros muss und will ihre besten Eigenmarken – wie nun auch «CoffeeB» – künftig als exklusive Markenartikel, vielleicht auch im Ausland, positionieren. Die Option, gegen einen global unbestrittenen Top-Brand wie Nespresso und den Weltkonzern Nestlé anzutreten, mobilisierte die Medien und brachte den Brand Migros selbst in die Weltpresse. Dies war strategisch und taktisch geschickt und positioniert die Migros auf der nachhaltigen Seite.

Fazit: «CoffeeB» ist sicher keine «sensationelle Weltneuheit». Sie erschliesst aber ein bedeutendes Marktpotenzial und ist für das Nachhaltigkeits- und Innovationsimage der Migros viel wert. «CoffeeB» setzt die Luxusmarke Nespresso und ihre teuren Kapseln, vor allem bei preisaffinen und umweltbewussten Kundinnen und Kunden wohl unter Druck. Voraussetzung ist allerdings, dass die braune Kugel des orangen Riesen mit der ziemlich unemotionalen Marke «CoffeeB» keinen wässrigen Kaffee produziert. Sonst geben ihr die Kundinnen und Kunden rasch die Kugel.



Stefan Vogler ist Dozent und Studiengangsleiter des CAS Marketing Communications an der HWZ Hochschule für Wirtschaft Zürich und erfahrener Markenexperte.

Unsere Kolumnistinnen und Kolumnisten vertreten ihre eigene Meinung. Sie deckt sich nicht in jedem Fall mit derjenigen der Redaktion.

 


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