24.03.2017

Werbung neben Hass-Videos

Schweizer Firmen stoppen Youtube- und Google-Ads

Werbung der Post, Swisscom, Migros, Coop oder Ikea taucht im Umfeld von extremistischen Youtube-Videos auf. Nun reagieren erste Schweizer Firmen: Swiss Life und Baer schalten vorderhand nicht mehr über Youtube und das Google Display Network. Havas Schweiz hält – anders als Havas UK – weiter an Google fest.
Werbung neben Hass-Videos: Schweizer Firmen stoppen Youtube- und Google-Ads
Erst vor zwei Wochen lancierte Swiss Life den neuen Werbespot das «weise Baby». (Bild: Screenshot Youtube)

Der kleine Klugscheisser schwafelt nicht mehr auf Youtube: Swiss Life schaltet dort keine Werbung mehr. Auch Baer hat sich zu diesem Schritt entschieden. Die beiden Firmen reagieren damit auf Recherchen von «10vor10». Diese zeigen auf, dass Werbevideos auf Youtube vor Videos mit extremen Inhalten geschaltet werden (persoenlich.com berichtete).

So teilt die Weichkäse-Herstellerin Baer AG dem SRF mit: «Wir sind schockiert, dass unsere Werbung offenbar auf Youtube im Kontext mit Videos mit inakzeptablem Inhalt erscheint. Dies ist Rufschädigung und wir distanzieren uns in aller Vehemenz von solchen Inhalten, die in keiner Weise von uns akzeptiert oder geteilt werden. Aus diesem Grund werden wir sofort sämtliche Werbeaktivitäten auf Google Display Network (GDN) und Youtube stoppen.»

Swiss Life, die erst vor rund zwei Wochen mit dem «weisen Baby» eine neue Kampagne startete (persoenlich.com berichtete), schreibt «10vor10»: «Wir haben die von uns gebuchten Ads auf Youtube und auf Google Display per sofort gestoppt.» Und: «Wir erwarten von den Plattformen, extremistische Inhalte unverzüglich zu löschen.»

Auch Sunrise und Electrolux prüfen laut dem Nachrichten-Magazin derzeit einen Rückzug falls Google das Risiko von Fehlplatzierungen nicht substanziell reduziere. 


Coop, Migros und Post vor Neo-Nazis 

Wie persoenlich.com am Donnerstag berichtete, hatte «10vor10» recherchiert, dass vor Neonazi-Videos Werbungen von Post, Micasa, Ikea Schweiz, Baer, Swisslife, Sunrise, Nivea, Ricola, Swisscom und Electrolux auftauchen: Ein Coop-Werbefilm läuft vor einem Video von Michael Savage, dem die Einreise nach Grossbritannien wegen «Schürens von Hass» untersagt ist. Werbevideos von Coop oder Baer werden auch vor einem Video mit dem umstrittenen Salafisten Pierre Vogel platziert.

Zudem taucht Schweizer Werbung laut SRF bei diversen Verschwörungs-Talkern auf. So etwa bei Alex Jones von «Infowars». Jones ist der Mann, der auch schon behauptete, Hillary Clinton habe persönlich Kinder ermordet oder das Sandy-Hook-Massaker habe nie stattgefunden. Auch vor Videos von Jones tauchen Post, Fust, Emmi und viele weitere namhafte Schweizer Firmen auf. Pikant: Betreiber von fragwürdigen Kanälen auf Youtube verdienen bei genügend Klicks aus der Schweiz an programmatischer Werbung mit.

Havas Schweiz: «Brand Safety ist sehr ernst»

In Grossbritannien haben bereits über 250 Unternehmen Werbe-Deals mit Google gestoppt, weil ihre Anzeigen bei extremen Inhalten platziert worden waren. Havas, eine der weltweit grössten Agenturen, hat die Google- und Youtube-Werbung ihrer Kunden in Grossbritannien sistiert.

Eine Ausweitung sei derzeit nicht geplant, auch nicht für die Kunden der Schweiz-Niederlassung. «Wir als Agentur beraten unsere Kunden und sind verpflichtet, sie über die Gefahren aufmerksam zu machen. Google ist grundsätzlich ein geschätzter Partner von Havas», sagt Nathalie Diethelm, CEO von Partner Havas Media Schweiz auf Anfrage von persoenlich.com. Man nehme das Thema Brand Safety sehr ernst. Die von Google angekündigten Massnahmen diesbezüglich seien ein «wichtiger Schritt, welcher von allen Seiten begrüsst wird und zwingend ist».

Google ist gefordert 

Die entsprechenden Videos hat Google inzwischen gesperrt. Auf Anfrage von «10vor10» schreibt Google, man möchte sich «ausdrücklich entschuldigen» für Fälle von «Anzeigen von Marken im Umfeld von Inhalten, die nicht mit ihren Werten übereinstimmen». Und: «Wir wissen, dass dies für Werbetreibende und Agenturen, die uns vertrauen, nicht hinnehmbar ist.»

Man habe daher die Richtlinien und Tools für Werbung umfassend überprüft. Und bereits Änderungen in drei Bereichen angeschoben: «Bei unseren Anzeigenrichtlinien, bei der Durchsetzung dieser Richtlinien und in Form neuer Kontrollmöglichkeiten für Werbetreibende.» 


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