Werbung neben Neo-Nazi-Videos

Youtube - Nicht nur Online-Werbemittel der Post, auch solche der Swisscom, Migros, Coop oder Ikea tauchen im Umfeld von extremistischen Youtube-Videos auf. Damit offenbart sich eine Schwäche des Programmatic Advertising.

von Tim Frei

Personalisierte Online-Werbung gerät in die Kritik, bislang vor allem in Grossbritannien. Laut einem Bericht der «Times» haben weltweit über 250 Firmen, darunter Toyota, Volkswagen oder BBC, einen Werbe-Stopp verhängt. Das internationale Werbenetzwerk Havas UK hat die Schaltungen ihrer Kunden auf Youtube vorerst zurückgezogen, wie der «Guardian» berichtete. Die «Times» hatte zuvor berichtet, dass Werbung in Videos von Hasspredigern und Extremisten aufgetaucht waren. Nun erreicht die Diskussion die Schweiz. Recherchen der SRF-Sendung «10vor10» zeigen, dass mehrere namhafte Unternehmen ebenfalls davon betroffen sind.

So würden Werbeschaltungen der Swisscom, der Post, der Migros, der Ikea Schweiz und jene von weiteren Firmen vor und während Neonazi-Videos erscheinen. Auch im Umfeld von Youtube-Videos mit Verschwörungsrednern würden Anzeigen auftauchen – zum Beispiel diejenigen von Emmi und Coop.

Die betroffenen Unternehmen lehnen die Werbung in diesem fragwürdigen Umfeld klar ab, heisst es. Nebst der Swisscom, die im konkreten Fall Massnahmen ergreifen werde, nimmt nur Ikea vor laufender Kamera gegenüber «10vor10» Stellung. «Das entspricht unseren Werten ganz und gar nicht. Das ist keine akzeptable Lösung von Werbeeinblendungen», sagt deren Sprecher Alexander Gligorijevic.

Mangelndes Bewusstsein in der Schweiz

Beat Muttenzer, Mitinhaber und Geschäftsführer der auf Youtube-Werbung spezialisierten Agentur «Yourposition», moniert in der SRF-Nachrichtensendung, dass in der Schweiz noch wenig Bewusstsein für Gefahren da sei, die der Wandel zu personalisierter Werbung mit sich bringe. «Früher hat man Werbeplatzierungen auf Internet-Portalen fix eingekauft. Heute folgt die Werbung dem User durch das Internet», sagt er. In diesem Zusammenhang habe man aus dem Auge verloren, in welchem Kontext und auf welchen Platzierungen die Werbung ausgespielt werde. Zudem habe man vergessen, dass es letztendlich in der Verantwortung des Werbetreibenden liege, dies zu kontrollieren.

Kanalbetreiber verdienen mit

Laut Muttenzer gehen bis zu 70 Prozent dieser Werbeeinnahmen an die jeweiligen Kanalbetreiber. So würden Inhalte finanziert, die als fragwürdig empfunden werden oder die moralisch nicht hiesigen Wertvorstellungen entsprechen würden.

Google hat mittlerweile auf den Werbe-Stopp aus Grossbritannien reagiert und am Dienstag Vorkehrungen angekündigt, damit Werbung nur in Verbindung mit seriösen Inhalten erscheinen kann (persoenlich.com berichtete). In den kommenden Monaten wolle der Internetkonzern zudem Funktionen anbieten, mit denen Werbetreibende «leichter und lückenlos» regeln könnten, wo auf Youtube und im Netz deren Anzeigen erscheinen sollen.