50 Jahre in facettenreicher Retrospektive

Alberto Venzago - Das Museum für Gestaltung Zürich würdigt das umfangreiche Werk des Fotografen und Filmemachers. Unter Alberto Venzagos Arbeiten aus über 50 Jahren finden sich eindrückliche Kriegsbilder genauso wie glamouröse Erotik. Am Donnerstagabend war Vernissage.

Alberto Venzagos internationale Reportagen wurden weltweit publiziert und ausgezeichnet, seine Studioaufnahmen und Werbekampagnen sind einprägsam und ästhetisch zugleich. Venzago pendelte stets zwischen Dokumentation und Inszenierung, zwischen «genommenen» und «gemachten» Bildern. So ist seine Arbeit ebenso geprägt von klassischer Reportagefotografie und freien Arbeiten wie von hochgradig inszenierten Bildwelten für Werbung und Porträt. Das Printmagazin «persönlich» veröffentlicht seit Jahren «Albertos Tagebuch».

«Ein wahres Bild ist wichtiger als ein schönes Bild», fasst der Fotograf und Filmer Venzago seine Philosophie zusammen. Er wirft einen kritischen Blick auf das Weltgeschehen und hat meist den Menschen im Fokus seiner Arbeit. Dabei trifft er auf unterschiedlichste Lebenswelten und dokumentiert bewegende Geschichten, von der Kinderprostitution in Manila oder der faszinierenden Voodoo-Religion Benins zum hedonistischen Partyrausch im Zürcher Club Kaufleuten.

In seiner Arbeit als «concerned photographer» scheut Venzago keinen Schauplatz – weder das organisierte Verbrechen der Yakuza in Japan, Bruno Mansers Kampf gegen die Abholzung des Urwaldes auf Borneo, noch den Iran und dessen langjähriger Krieg mit dem Irak. Viele von Venzagos fotojournalistischen Essays erregten in Magazinen wie Life, The Sunday Times, Stern oder Geo Aufsehen. Seine engagierte Arbeit, davon vier Jahre als Nominee bei Magnum Photos, wurde mehrfach ausgezeichnet, etwa mit dem Infinity Award des International Center of Photography.

Die Schweiz als wiederkehrendes Thema

Die Mehrheit seiner Reportagen realisierte Venzago im Ausland, zeitgleich waren die Schweiz und seine Heimatstadt Zürich ein wiederkehrendes Thema in seiner fotografischen Arbeit. «Ohne Kamera fühle ich mich beinahe nackt, sie ist immer mit dabei», sagt der Fotograf und schiesst witzige, bedrückende und aufwühlende Bilder an den unterschiedlichsten Orten: Mitten in den Demonstrationen für ein Autonomes Jugendzentrum (AJZ) oder in der offenen Drogenszene am Platzspitz, an folkloristischen Festen, im Militär, in einem Banksafe unter dem Paradeplatz oder im Sexgewerbe im Niederdorf.

Die langjährige Erfahrung als Reportagefotograf weiss der Zürcher jedoch auch in weniger riskanten Situationen einzusetzen. So springt Venzago in inszenierten Welten mühelos zwischen Film und Fotografie, Kunst und Kommerz hin und her und kennt dabei keine Berührungsängste. Er setzt etwa die Anti-Rassismus-Kampagne der Schweiz um, dokumentiert Schweizer Grosskonzerne rund um die Welt oder realisiert gross angelegte Werbekampagnen, beispielsweise für die Swissair.


Immer wieder fotografiert Venzago auch Persönlichkeiten aus Kunst, Film oder Showbusiness. Tina Turner, Sting, Mick Jagger, Andy Wahrhol, Penelope Cruz, H.R. Giger und viele mehr sind mit teils unerwarteten Porträts in der Ausstellung vertreten. Für sein jüngstes Projekt verschmelzen Venzago und seine Partnerin Julia Fokina als Künstlerduo «One» Malerei, Erotik, Film und Pathos in opulente Bildgeschichten.

Eine Ausstellung wie eine Oper

Die Ausstellung «Alberto Venzago: Taking Pictures – Making Pictures» im Museum für Gestaltung an der Ausstellungsstrasse 60 in Zürich nimmt das Publikum mit auf eine abwechslungsreiche Reise durch 14 Kapitel aus dem Gesamtwerk des Fotografen. Die einzelnen Bereiche werden eigens inszeniert und mit der Hängung, mit Farbe und teilweise mit Ton zu einer spezifischen Atmosphäre verdichtet. Im Kino der Ausstellung sind Ausschnitte aus den vielen Filmen zu sehen, in denen Venzago die Kamera und teilweise auch die Regie führte.

Am Donnerstagabend war Vernissage. Die Ausstellung dauert bis zum 2. Januar 2022. (pd/cbe)