08.07.2021

Hildegard Schwaninger

«Malen ist etwas, das jeder kann»

Sie ist die legendärste Gesellschaftskolumnistin des Landes: Während der Pandemie hat sich Hildegard Schwaninger neu erfunden und wurde Kunstmalerin. Grösstes Vorbild ist der verstorbene Superstar Andy Warhol, mit dem sie befreundet war und der sie auch zweimal gemalt hat.
Hildegard Schwaninger: «Malen ist etwas, das jeder kann»
«Ich habe mit dem Malen etwas völlig Neues begonnen und viel gelernt», so Hildegard Schwaninger. (Bilder: Keystone/Alexandra Wey, Hildegard Schwaninger)
von Matthias Ackeret

Frau Schwaninger, während des Lockdowns begannen Sie zu malen. Wie kam es dazu?
Am 26. Februar 2020 war ich im Hotel The Dolder Grand zu einer «Art Night» eingeladen, einem Malkurs. Ich habe seit der Schule nicht mehr gemalt, und das machte riesigen Spass. Als drei Wochen später der Lockdown kam, hatte ich plötzlich viel Zeit. Ich bestellte Leinwände, Pinsel und Farben und eine Staffelei. Mein bisheriges Leben war ja vollkommen umgekrempelt. Der Spa, in dem ich fast täglich schwimme, war geschlossen, und am Abend fanden keine Veranstaltungen mehr statt. Vorher war ich jeden Abend unterwegs – Oper, Theater, Cocktailpartys, Vernissagen –, plötzlich war nichts mehr los, ich hatte viel freie Zeit. Ein Buch zu schreiben, dazu hatte ich keine Lust. Ausserdem mache ich immer gern was Neues – die Malerei war etwas Neues für mich.

Sie malen vor allem Menschen. Sind das persönliche Bekannte?
Ich habe ausschliesslich Menschen gemalt. Psychologisch leicht erklärbar. Vor dem Lockdown traf ich dauernd Menschen, lernte täglich neue Menschen kennen, plötzlich traf ich niemanden mehr. So malte ich mir meine Cocktailpartys und Gesprächspartner auf die Leinwand.

«Man kann die Latte nicht hoch genug legen, wenn man sich inspirieren lässt»

Hatten Sie Zeichenunterricht, oder sind Sie Autodidaktin?
Ich habe natürlich nicht einfach vor mich hingemalt. Ich habe in meiner Bibliothek viele Kunstbücher, und die habe ich mir genau angeschaut. Modigliani, die Porträts des jungen Picasso, die Bilder von Alex Katz, die Farben von Matisse. Man kann die Latte nicht hoch genug legen, wenn man sich inspirieren lässt.

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Andy Warhol hat Sie zweimal porträtiert. Hat er Sie inspiriert?
Andy Warhol, der grösste Künstler der Pop-Art, war ein Visionär, der etwas völlig Neues geschaffen hat. Es wäre vermessen, da irgendeinen Vergleich zu ziehen.

Sie kannten Andy Warhol und hatten Kontakt zu ihm bis zu seinem Tod. Wie haben Sie ihn erlebt?
Andy Warhol war der liebenswürdigste Mensch, den ich kannte. Als ich 1982/83 in New York lebte, lud er mich oft zum Mittagessen ein. Immer ganz spontan. Ich rief ihn vormittags an, und er sagte: «Come over for lunch!» In seiner Factory am Broadway traf man die interessantesten Leute. Einmal war dort Bruno Bischofberger, sein Zürcher Kunsthändler, und ich sass mit ihnen am Tisch, als das neue Projekt «Paintings for Children» geboren wurde. Die Kinderbilder wurden dann in der Galerie Bruno Bischofberger in Zürich ausgestellt. Der Lunch in der Factory war immer «easy-going». Man sass am grossen Tisch, über dem ein Elchkopf hing, und einer von Andy Warhols Mitarbeitern brachte Sandwiches aus dem Deli-Store um die Ecke, meistens Croissants mit Thunfischsalat. Andy Warhol war ruhig. Er wollte immer alles wissen. Er redete nicht viel, er hörte lieber zu. Er war auch sehr witzig. Einmal brachte ich ihm das Porträt, das er von mir gemalt hatte, und bat ihn, es zu reparieren. Es hatte eine kleine Delle. Er fragte, was passiert sei. Ich sagte, mein Sohn habe einen Apfel gegen das Bild geworfen. Andy Warhol lächelte: «He knows about art.»

«Das Malen ist eine viel geliebte Tätigkeit»

Wie hat Ihre Umwelt auf Ihre Bilder reagiert?
Diejenigen, die sie gesehen haben, sagen, ich hätte «eine eigene Handschrift».

Was ist Ihr Fazit? Wann ist für Sie ein Bild gelungen?
Malen ist etwas, das jeder kann. Winston Churchill hat gemalt, Friedrich Dürrenmatt, Prinz Philip, die Königin von Dänemark malt, kurz: Das Malen ist eine viel geliebte Tätigkeit. Aber es wäre verwegen, sich deshalb Künstler zu nennen. Ich habe mit dem Malen etwas völlig Neues begonnen und viel gelernt. Als ich kürzlich – Gott sei Dank ist der Lockdown zu Ende und die Museen sind wieder offen – im Kunsthaus Zürich in der Ausstellung von Gerhard Richter war, sah ich seine Arbeiten mit völlig neuen Augen.



Dieses Interview erschien zuerst in der Mai-Ausgabe des Printmagazins persönlich.



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