Neuer Werbespot sorgt für Shitstorm

Gillette - Mit seinen Rasierern hat das Unternehmen jahrelang das Image des perfekten Mannes gepflegt. Nun wagt Gillette dank #MeToo den Imagewechsel. Dafür gibt es viel Kritik in den sozialen Medien – vor allem von Männern.

Der Rasierer-Riese Gillette polarisiert mit einem auf YouTube veröffentlichten Werbeclip, der derzeit viral geht. Der Spot der Agentur Grey New York wurde schon millionenfach angeklickt. Das Video erwähnt gleich zu Beginn die #MeToo-Bewegung und hinterfragt, was genau das Beste im Mann sei. Dabei stellt es klassisch-aggressive Männlichkeit als negativ dar und ruft Männer zu positiverem Verhalten auf. Während manche das begrüssen, erntet der Spot massive Kritik und sogar Boykottaufrufe von jenen, die sich selbst offenbar als Verteidiger wahrer Männlichkeit sehen.

Der Clip der Regisseurin Kim Gehrig spielt mit Gillettes bekanntem Slogan («Für das Beste im Mann»), indem er daraus eine Frage macht. Die Antwort scheint dem Spot zufolge klar: eben kein rücksichtsloser Rowdy, für den mit dem Argument «Jungs bleiben Jungs» Bullying und sexuelle Belästigung normal sind, sondern lieber jemand, der einschreitet, wenn er derartiges Verhalten beobachtet. Denn das könnte Vorbildwirkung haben für Jungen, die es sehen – weil die Buben von heute die Männer von morgen sind.

Auf Facebook, Twitter und YouTube sind zehntausende Kommentare abgegeben worden. Kritiker sehen in dem Clip beispielsweise «feministische Propaganda» oder einen Beleg, dass Gillette keine «maskulinen Männer» als Kunden wolle. Entsprechend kursiert auch schon der Aufruf #BoycottGillette – und manch einer kündigt der Marke die langjährige Treue auf.


Ein kurzer Blick in die YouTube-Kommentare verrät, aus welcher Ecke ein Gutteil der Kritik kommen dürfte. So fällt immer wieder das Kürzel «SJW» («Social Justice Warrior»). Dieser einst neutrale Begriff ist heute ein beliebtes Instrument rechter Online-Recken, die den Charakter von Personen infrage stellen wollen, die für sozialliberale Werte wie Feminismus einstehen.

Problematische Marke

Dass ausgerechnet Gillette mit seiner Neuinterpretation des eigenen Slogans zu «The Best Men Can Be» ins Kreuzfeuer der Kritik selbsterklärter echter Männer geraten ist, entbehrt freilich nicht einer gewissen Ironie. Denn der 30 Jahre alte englische Slogan «The Best A Man Can Get» ist doch zweideutiger als sein deutsches Pendant «Für das Beste im Mann», wenn man bedenkt, was stereotyp das Beste ist, das ein Mann kriegen kann. Kein Wunder also, dass Kritiker der Ansicht sind, der Slogan könnte direkt aus den 1960er-Jahren stammen.


Zudem sieht sich Gillette mit dem Vorwurf der sexistischen Preisgestaltung konfrontiert. Als dieses Thema Anfang 2016 in Grossbritannien allgemein hohe Wellen geschlagen hat, ermittelte «The Telegraph», dass der Rasierer «Gillette Venus Swirl Flexiball» vier Mal so viel kostet wie ein vergleichbares Männer-Modell. Da ist es also nicht verwunderlich, dass in Verbindung mit Gillettes aktuellem Clip das Kürzel «SJW» fällt – immerhin impliziert das den Vorwurf, jemand würde eine Agenda nur aus Eigennutz statt aus Überzeugung vorantreiben. Das scheint hier nicht ganz von der Hand zu weisen zu sein. (pte/cbe)