Vertrag mit Service Scouts offengelegt

SBB - Weil sie nicht offen kommuniziert haben, dass ihre zehn Service Scouts ein GA und rund 400 Franken Reisespesen erhalten, gerieten die SBB unter Beschuss. Berichten die Service Scouts überhaupt kritisch über ihre Zugfahrten, wenn sie dafür bezahlt werden? persoenlich.com hat sich den Vertrag zwischen SBB und Service Scouts angeschaut.

von Lucienne Vaudan

Zehn Pendler sollen ein Jahr lang unter Hashtag sbbservicescout in ihren eigenen Social-Media-Kanälen über Erlebnisse mit den SBB berichten. «Neutral und durchaus kritisch» sollen diese Mini-Berichte sein, schreiben die SBB auf ihrer Website und ziehen damit ihre neue Marketingstrategie – Kritik am Unternehmen in aller Öffentlichkeit stattfinden zu lassen, weiter.

Nicht ganz so öffentlich hat man aber über die Vergütung dieser Service Scouts gesprochen. Das nahmen verschiedene Medien auf: Wie kritisch Kritiker überhaupt sein können, wenn sie für ihre Meinung bezahlt werden, fragt etwa der «Blick» und bei «watson» fragt man sich, weshalb weder SBB noch Service Scouts die Entlohnung publik gemacht haben.

«Was Blick und watson zur angeblichen Intransparenz schreiben, ist nicht korrekt. Wir haben jedem Service Scout erlaubt, den Vertrag zwischen ihm und den SBB offenzulegen», sagt Jan-Hendrik Völker-Albert, Marketing-Verantwortlicher der SBB gegenüber persoenlich.com.

Neun Posts pro Monat

Trotzdem fand sich auf der Service-Scout-Seite bis am Mittwochmorgen kein Hinweis auf die Vergütung der Reisekosten. «Das ist auf Anfrage immer offen kommuniziert worden und wurde jetzt auch im Internet transparent aufgeschaltet», sagt Völker-Albert. Tatsächlich weisen die SBB nun aus, dass sie den Service Scouts als Spesenentschädigung und gegen Beleg ein Jahres-GA plus CHF 345.- Zusatzleistungen finanzieren.

persoenlich.com liegt der Vertrag zwischen Scouts und SBB vor. Als einzige Bedingung ist die Anzahl von sechs Posts pro Monat in den persönlichen Social-Media-Kanälen der Scouts, sowie drei «detaillierten redaktionellen Beiträgen» genannt. Diese längeren Beiträge unterliegen einem Redaktionsplan, den die Scouts gemeinsam mit der Kommunikationsabteilung der SBB erarbeiten.

Längere Beiträge können beispielsweise ein klassischer Blog-Post oder ein Videobeitrag sein, «alle Scouts können Themen frei eingeben. Der Redaktionsplan legt die Themen lediglich sinnvoll auf eine Zeitachse», erklärt Völker-Albert. Inhaltlich gewähren die SBB den Scouts gemäss Vertrag freie Hand.

«Wir haben uns auferlegt, in jeder Form transparent zu sein. Ich denke, die SBB kommunizieren sogar proaktiver als alle anderen Schweizer Unternehmen, Intransparenz können wir uns gar nicht leisten», so Völker-Albert.

Hashtag gehijackt

Mit Kritik an dem vorläufig einjährigen Experiment müsse man leben können und unter dem Strich ziehen die SBB bereits jetzt eine positive Bilanz: «Aus Marktforschungsperspektive konnten wir bereits viele neue Daten sammeln, an die wir sonst nicht gekommen wären. Die Service Scouts entdecken Probleme aus einer anderen Optik als wir, und das ist sehr wertvoll für uns», sagt Völker-Albert.

Seit vergangener Nacht sind unter dem Hashtag sbbxxx aber nicht nur Kritik und Lob für die SBB zu finden, sondern auch spärlich bekleidete Damen mit Affinität zu Brasilien, die den Hashtag für eigen Zwecke nutzen. «Auch damit müssen wir leben», sagt Völker-Albert gelassen, «in der digitalisierten Welt kann es halt vorkommen, dass Hashtags gehijackt werden.»

Philipp Meier (metakong), einer der Service Scouts publizierte auf Snapchat eine Reihe von Kurzvideos, in denen er Stellung zur Kritik von «Blick» und «watson», seinem früheren Arbeitgeber nahm: Man hätte die Vergütung der Reisespesen transparenter kommunizieren können, er freue sich über das Gratis-GA, werde aber deshalb nicht weniger kritisch berichten.