Aufruhr wegen Köpfungsbild

Michèle Binswanger - Die anonyme Onlineplattform «Megafon Reitschule Bern» zeigte die prominente Journalistin mit abgeschlagenem Kopf. Jetzt reicht der Tagi Strafanzeige ein.

Am vergangenen Sonntag verbreitete die anonyme Onlineplattform «Megafon Reitschule Bern» auf Twitter ein Bild, das die profilierte Tagi-Journalistin Michèle Binswanger im Stil der französischen Revolution mit abgeschlagenem Kopf vor einer aufgebrachten Menge zeigte. Grund war die Aussage Binswangers in ihrem Sonntagszeitungs-Interview mit Stefan Aust, der Vorwurf rechts zu sein, könne ein Todesurteil sein.

Strafanzeige wird eingereicht

Obwohl «Megafon Reitschule Bern» das Bild mittlerweile entfernt hat und sich auch umständlich für die Karikatur entschuldigte, reicht Tamedia nun Strafklage ein, wie Chefredaktor Arthur Rutishauser heute in einem Kommentar schreibt: «Immer und in jedem Land fängt das damit an, dass man erst Journalistinnen verunglimpft, dann die Journalisten schikaniert und sich hinterher wundert, wenn etwas passiert. Die tragischen Ereignisse rund um «Charlie Hebdo» sind noch nicht so lange her, als dass sich nicht jeder, der sich als Newsplattform verstehen will, nicht auch überlegen muss, welche Folgen sein Tun haben kann.»

Kritik übt Rutishauser auch an der ehemaligen Zuger Politikerin Jolanda Spiess-Hegglin, die das Bild geliked hatte und sich seit einem Jahr in einem Rechtsstreit mit Binswanger befindet. Rutishausers Fazit: «Besorgniserregend ist, dass mittlerweile ein Teil der politischen Linken so intolerant geworden ist, dass sie auf jeglichen Anstand verzichtet und Volksverhetzung betreibt, wie wir sie bei Rechtsextremen erwarten.»

Kritik von Roger Köppel

Auch Weltwoche-Verleger und Chefredaktor Roger Köppel kritisiert auf Weltwoche-daily die Binswanger-Karikatur. Unter dem Titel «Stell Dir vor, eine linke, staatlich finanzierte Institution ruft zur Köpfung einer Journalistin auf und nichts passiert» meint Köppel, interessant sei nun, was im richtigen Leben, in der richtigen Schweiz passiert: «Nahezu nichts. Die Politik schweigt. Sandro Brotz bleibt stumm. Für die meisten Zeitungen ist der Vorfall keine müde Zeile wert. Auch von den Kulturschaffenden hört man nichts, keinen Piepser. Es gibt keine Hashtags, keine Solidarität, keine Lichterkette. Irgendeiner kritisiert dann doch noch die Reitschule, worauf diese ihren Tweet löscht mit der Bemerkung, es habe sich doch unübersehbar um Satire gehandelt. Etwas mehr los ist auf den sozialen Medien. Dort regt sich etwas Empörung, vor allem aber viel Häme gegen die geköpfte Journalistin, die sich ja nicht wundern müsse, wenn man ihr den Schädel abhacke angesichts des «rechten Unsinns», den sie immer wieder schreibe. Einer wirft ihr vor, sie habe ja auch für die Weltwoche publiziert, da dürfe man sich erst recht nicht beschweren, wenn einem symbolisch der Kopf abgeschnitten werde.» (ma)