«Berufstätige Frauen werden immer noch auf ihr Äusseres reduziert»

Patrizia Laeri - Ein Artikel über «Jugendwahn» bei SRF wirft hohe Wellen. Zu Reden gibt nicht nur das Alter in der Newsmoderation, sondern vielmehr, dass Patrizia Laeri als «Ex-Hobby-Model» bezeichnet wurde. Nun äussert sich die SRF-Börse-Moderatorin. Gegenüber persoenlich.com kritisiert sie die «Schweiz am Sonntag» und Chefredaktor Patrik Müller scharf.

von Edith Hollenstein

Frau Laeri, die «Schweiz am Sonntag» vermeldete Sie als Nachfolgerin von Daniela Lager, wenn auch nur mit Bezug auf Gerüchte. Geben Sie uns einen Zwischenstand: Wie weit ist der Bewerbungsprozess?

Es geht nicht darum, ob ich Kandidatin bin oder nicht. Zu diesen Spekulationen äussere ich mich auch nicht. Das Problem ist doch, dass die «Schweiz am Sonntag» in ein laufendes Bewerbungsverfahren eingreift und ohne Kenntnis, ob ich überhaupt zur Verfügung stehe, meine Person herabwürdigt und aus einer Ökonomin ein Hobby-Model macht.

Im Artikel von Sacha Ercolani gibt in der Tat vor allem die Formulierung «Ex-Hobby-Model» zu reden. Ist dies auch derjenige Punkt, der Sie persönlich am meisten stört?

Im gesamten Artikel der «Schweiz am Sonntag» werde ich abschätzig und einzig mit der Qualifikationsbezeichnung «Hobby-Model» betitelt. Die Aussage ist nicht nur frei erfunden – ich war nie als Model tätig – sondern sie ist im Zusammenhang mit der Kandidatur für einen wichtigen journalistischen Posten auch despektierlich gegenüber SRF, herabsetzend gegenüber einer Ökonomin und gestandenen Polit- und Wirtschaftsjournalistin und deshalb persönlichkeitsverletzend.

Welche weiteren Stellen kritisieren Sie?

Es ist befremdend, dass berufstätige und engagierte Frauen immer noch derart – beziehungsweise ausschliesslich – auf Ihr Äusseres reduziert werden und zusätzlich als unwissend und naiv betitelt werden. In meinem Fall hat die Verachtung öffentlich stattgefunden. Ich bin aber überzeugt, dass es zahlreiche andere Frauen gibt, die ein Lied von solchen Erfahrungen singen können.

Wie kommt die SchwaS zu dieser Aussage?

Ich kenne den Autor Sacha Ercolani nur flüchtig. Er hat mich nicht kontaktiert und beherrscht offensichtlich das Einmaleins der journalistischen Recherche nicht.

Was werfen Sie ihm vor?

Mein CV ist über einen Klick im Internet öffentlich einsehbar. Besonders fragwürdig ist für mich die Rolle des Chefredaktors Patrik Müller. Patrik und ich kennen uns seit Jahren. Wir sind fast gleich alt und beide Ökonomen. Er kennt also meinen Hintergrund bestens. Trotzdem segnet er den Text ab, teasert ihn noch auf der Print- und Online-Frontseite an – entgegen besseren Wissens. Hand aufs Herz: Ist das fairer Journalismus?

Was hat dieser Artikel für Auswirkungen auf Ihre Bewerbung um den Job?

Ich vermute mal, dass der Fall in die Journalismus-Ausbildung eingehen wird als ein Lehrbeispiel für Sexismus im Journalismus. Er ist schon auf dem Radar von Professoren wie Vinzenz Wyss.

Das Problem ist ein ganz Grundsätzliches. Der Schweizer Watch-Blog Medienpranger listet fast täglich sexistische Beispiele in der Berichterstattung auf, in Österreich protestieren Bloggerinnen gegen frauenverachtende Kommentare im Netz und in Deutschland ergiesst sich eine Hass-Lawine über eine gestandene ZDF-Sportreporterin, weil sie zwei Euro-Spiele kommentiert. Woher kommt dieser Hass, diese Verachtung? Ich hoffe auf Antworten. Ich will darüber reden und verstehen.

Inwiefern haben Sie interveniert?

Wissen Sie, es ist nicht der erste sexistische Artikel über mich in der «Schweiz am Sonntag». Ich habe Patrik Müller umgehend – also bereits am Sonntag – geschrieben und eine Klarstellung verlangt. Er ist darauf bisher nicht eingegangen. Im Gegenteil, er hat darauf in den alt bekannten patriarchalischen Mustern reagiert, indem er verharmlost und mich als Frau in die übersensible Ecke stellt. Schade. Die meisten Menschen entschuldigen sich, wenn sie etwas kaputt gemacht haben. Und in den USA werden solche Klarstellungen im Übrigen als Qualitätszeichen einer Zeitung angesehen. Die «New York Times» zelebriert das ja richtiggehend.

Den Text aus der «Schweiz am Sonntag» haben mehrere Medien zitiert, z.B. blick.ch oder auch wir von persoenlich.com – und damit auch die Formulierung «Ex-Hobby-Model»Haben Sie interveniert?

Ich habe bei anderen Medien nicht interveniert. Die «Schweiz am Sonntag» positioniert sich seriös und hintergründig. Sie geniesst eine hohe Glaubwürdigkeit – deshalb haben wohl auch viele Medien den Artikel übernommen. Aber auch Leser vertrauen auf den Fakten- und Wahrheitsgehalt der Aussagen in einer «Schweiz am Sonntag». Die Qualitätsansprüche dürfen da nicht einfach von Ressort zu Ressort variieren.

Aber eben; die Formulierung wurde übernommen.

Das ist ein schönes Beispiel von Rudel-Journalismus – ein vom leider viel zu früh verstorbenen Soziologen Kurt Imhof geprägter Begriff. Da macht der erste Journalist einen Fehler und alle übernehmen ihn. Das Rudel vergrössert den Kollateralschaden, den letztlich die «Schweiz am Sonntag» damit angerichtet hat. Es war der meist gelesene und verbreitetste Artikel des Wochenendes. Auf «20 Minuten» gingen rund 400 Kommentare ein, zum Teil heftigst gegen meine Person.

Sie erhielten aber auch Unterstützung, auf Twitter zum Beispiel.

Ja und im «Tages-Anzeiger» – von der Seriosität vergleichbar mit der «Schweiz am Sonntag» – wurde der Begriff «Hobby-Model» nicht übernommen und durch «erfahrene Wirtschaftsjournalistin» ersetzt. Dementsprechend verteidigend waren die Kommentare. Da sehen Sie mal, was für einen Unterschied einzig die Bezeichnung ausmachen kann. Man kann von Lesern schliesslich nicht erwarten, dass sie das Curriculum von Moderatorinnen und Moderatoren kennen oder selber noch recherchieren. Sie müssen sich auf den Wahrheitsgehalt der Artikel verlassen können.

Haben Frauen im Wirtschaftsjournalismus Nachteile?

Es gibt immer noch viel weniger Frauen als Männer im Wirtschaftsjournalismus. In letzter Zeit passiert es mir wieder öfters, dass ich die einzige Frau an Pressekonferenzen bin. Ich ertappe mich deshalb vermehrt bei der Frage, ob sich in den letzten Jahren eigentlich wirklich was geändert hat. Also Frauen, bitte bewerbt Euch! Wirtschaftsjournalistin ist ein cooler Beruf.