08.01.2003

"Das Prozedere um Schellenbergs Nachfolge ist ein Wild-West-Verfahren"

Die Wogen gehen hoch in der Frage um die Nachfolge von Fernsehdirektor Peter Schellenberg. Kaum eine Publikation mit nationaler Ausstrahlung, die sich in den vergangenen zwei Wochen nicht zum Wahlprozedere geäussert hätte. Wie schlimm steht es wirklich? "persoenlich.com" hat sich mit dem Zürcher Medienjuristen Professor Wolfgang Larese (Bild) unterhalten. Das Interview:
"Das Prozedere um Schellenbergs Nachfolge ist ein Wild-West-Verfahren"

Die Nachfolge von Fernsehdirektor Peter Schellenberg wird gegenwärtig heiss diskutiert. Wie beurteilen Sie die Situation?

Solange nichts entschieden ist, kann man sich höchsten in die Lage der möglichen KandidatInnen versetzen. Dass etwa Lebenspartner porträtiert und durchleuchtet werden, ist bestimmt unangenehm und sollte nicht passieren müssen. Doch das hat mit der fehlenden Professionalität in diesem Verfahren zu tun. Unter den gegebenen Umständen wird sich wohl manch ein geeigneter Kandidat eine Bewerbung sehr genau überlegen. Denn wer abgeschmettert wird, gilt künftig als Verlierertyp.

Der Regionalrat tagt zweimal jährlich während weniger Stunden. In dieser kurzen Zeit muss eines der medienpolitisch wichtigsten Ämter dieses Landes bestellt werden. Ist das angemessen?

Das Tempo gibt sich der Rat selber, so unter Druck ist er gar nicht, denn Peter Schellenberg ist noch ein Jahr im Amt. Die wollten wohl rechtzeitig beginnen. Die Struktur des Regionalrates ist historisch entstanden, er soll -- wie es einst hiess -- die "wesentlichen Strömungen der Bevölkerung" wiedergeben. Heute ist das natürlich vorbei. Trüge dieser Verwaltungsrat die Verantwortung für einen Milliardenbetrieb, wären die seltenen Treffen bedenklich. Doch dem Regionalrat sind ja nur noch wenige Aufgaben geblieben: die Bestimmung der Programmstrukturen, die Wahl des obersten Chefs und auf Antrag die des Kaders. Zudem steht die SRG viel stärker als andere Betriebe unter ständiger Beobachtung durch die Medien. Damit wäre selbst ein Fehlentscheid tragbar, zumal sich die von Peter Schellenberg über Jahre geschaffenen Strukturen kaum so schnell werden umkrempeln lassen.

Welche Alternativen könnten Sie sich für das Verfahren zur Bestellung des Fernsehdirektors vorstellen?

Das jetzige Prozedere ist ein unstrukturiertes, unprofessionelles Wild-West-Verfahren, laufend tauchen neue Namen auf. Es werden elementare Regeln wie die Gleichbehandlung der KandidatInnen oder der Schutz der persönlichen Dimension verletzt. Und die Informationspolitik ist miserabel. Es braucht eine ordentliche Ausschreibung, zudem müssten bestimmte Antragsberechtigte -- etwa der zuständige Bundesrat -- eigene KandidatInnen nennen können. Nach Ablauf einer Anmeldefrist hätte eine Vorauswahl von vier oder fünf BewerberInnen stattzufinden. Diese würden bekanntgegeben und zu einer Prüfung eingeladen, anschliessend fiele der Entscheid. Transparenz ist wichtig, wo keine Informationen sind, füllen Gerüchte die Lücke. Und die sind schädlich für die Beteiligten.

Wie beurteilen Sie die Kompetenz des Regionalrates?

Die Kompetenz ist die eines demokratischen Gremiums, vergleichbar etwa mit dem Nationalrat, der den Bundesrat wählt -- das ist Schweizerischer Normalfall. Störend ist ja nicht die Schwerfälligkeit, sondern die mangelnde Professionalität. Ein anständiges Prozedere kriegt heute doch jeder Verein hin, da ist klar was schief gelaufen.

Armin Walpen wird eine zu grosse Einflussnahme unterstellt. Wie sehen Sie das?

Das ist weniger eine Frage des Rechts als der Persönlichkeit. Herr Walpen ist halt eher dominierend, was ihm aber nicht vorgeworfen werden kann. Jetzt versucht er eben seine Position einzubringen, wie im Übrigen auch Bundesrat Moritz Leuenberger. In beiden Fällen bleibt die Frage, warum sie sich öffentlich äussern müssen -- ich finde das fehl am Platz. Doch das hat, wie gesagt, mit dem unstrukturierten Prozedere zu tun, wo offenbar jeder zu jedem Zeitpunkt neue Kandidaten portieren kann.

Denken Sie, dass der SRG-Regionalrat gegen die Vorschläge des -- offenbar von Walpen dominierten -- Ausschusses stimmen könnte?

Das wäre für Schweizerische Verhältnisse schon etwas seltsam, theoretisch zwar möglich, aber sehr unwahrscheinlich. Die Wahl ist eine Formalität, man muss sich das praktisch vorstellen: Findungskommission und Ausschuss haben als vorbereitende Organe Pflichtenhefte und Checklisten, jeder Vorschlag ist gut vorbereitet. Eine Ablehnung durch den Regionalrat wäre Ausdruck eines zerstrittenen Organismus’ und letztlich auch ein Zeichen, dass er die falschen Mitglieder in den Ausschuss bestellt hat. Wenn nun Regionalräte wie Hans-Jürg Fehr oder Maximilian Reimann von einer möglichen Rückweisung der Vorschläge sprechen, so sind das kaum mehr als Drohgebärden.

Ihr persönlicher Tipp: Wer wird Schällis Nachfolger?

Wenn Ingrid Deltenre nicht gewählt würde, wäre das ihr gegenüber ein Affront, weil sie damit als ungenügend erschiene. Dann hätte man das Spiel definitiv zu weit getrieben.



Kommentar wird gesendet...

Kommentare

Kommentarfunktion wurde geschlossen

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren:

Zum Seitenanfang20230603
persönlich Exemplar