07.03.2015

Barbara Lukesch

"Den Mut, in zu grosse Schuhe zu schlüpfen"

Die Journalistin spricht über ihr neues Buch, für das sie 17 Frauen porträtiert hat.
Barbara Lukesch: "Den Mut, in zu grosse Schuhe zu schlüpfen"

Frau Lukesch, Sie sind erfolgreiche Journalistin und Buchautorin, unterrichten am MAZ. Was ist Ihr Karrieretipp?
Ich glaube, man muss neugierig sein, bereit, immer wieder Risiken auf sich zu nehmen, effizient arbeiten und strategisch entscheiden. Dazu sollte man Kritik als Motivation verstehen, etwas zu ändern, und nicht als Beleidigung.

Sie zitieren in Ihrem Buch "Wie geht Karriere" Beatrice Tschanz, die sagt, es brauche Härte, um unbeliebte Entscheidungen zu treffen und zu vertreten, oder Regine Aeppli, die sagt, man dürfe es nicht allen recht machen wollen. Beides Aussagen, die ebenso auf Männer zutreffen. Weshalb ein Buch einzig über Karrierestrategien von Frauen?
Frauen- und Männerkarrieren verlaufen immer noch sehr unterschiedlich. Das zeigen auch die hitzigen Debatten um Frauenquoten oder um die Vereinbarkeit von Job und Familie. Ich habe beobachtet, dass es in Männergruppen keine Rolle spielt, wer Kinder hat und wer keine. Unter Frauen sieht das anders aus. Es bildet sich rasch ein Graben zwischen Müttern und Frauen ohne Kinder. Natürlich müssen auch Karriere-Männer unbeliebte Entscheidungen treffen. Aber wenn sich eine Frau wie Beatrice Tschanz so äussert, hat das doch eine andere Wirkung, denn Frauen und Männer unterstehen anderen Erwartungen. Deshalb habe ich darüber ein Buch geschrieben.

Welchen Erwartungen sollte man denn heute als Frau gerecht werden?
Ich denke, von Frauen wird immer noch verlangt, dass ihr Kind an erster Stelle steht. Stephanie von Orelli, Mutter dreier Kinder und Chefärztin der Frauenklinik am Triemlispital sagt im Buch, dass sie sich für die Karriere entschieden hätte, wenn sie vor die Wahl Kind oder Job gestellt worden wäre. So etwas öffentlich zu sagen, ist für Frauen ein Tabubruch.

Was hat Sie gerade an diesen 17 Frauen fasziniert?
Als Journalistin bin ich vielen spannenden Frauen begegnet. Das Buch ist nun ein bunter Strauss unterschiedlichster Frauen und Lebenswege, jede mit einer ganz eigenen Geschichte, so dass alle Leserinnen und Leser etwas finden, das sie für sich mitnehmen können.

Stellten Sie bei der Recherche dennoch Gemeinsamkeiten fest – oder anders: wie geht denn nun Karriere?
Es gibt nicht den einen Weg, mein Buch ist auch kein Rezeptbuch für Karrieren. Aber wenn die 17 Frauen, die ich porträtiert habe, etwas gemeinsam haben, dann den Willen, ihren Weg nach ihren eigenen Vorstellungen zu gehen und ihr Ziel zu erreichen. Ihre Leidenschaft für das, was sie machen. Sie treffen in diesen 17 Kapiteln alles an: Den Mut, sich zu exponieren, den Mut, in zu grosse Schuhe zu schlüpfen, den Mut, zu scheitern, die Bereitschaft, zu lernen, aber auch, sich von gewissen Verhaltensmustern zu distanzieren und Dinge anders zu machen. Ich denke da zum Beispiel an Felicitas Boretti und Nadja Sieber-Ruckstuhl, die sich eine Assistenzprofessur am Tierspital Zürich teilen, ein Novum in der Geschichte der Universität.

Wo stehen wir denn 2015 im Gleichstellungsprozess?
Sagen wir es so: Ich habe bei Ihnen kürzlich gelesen, dass der Frauenanteil beim "Tages-Anzeiger" auf der gesamten Redaktion 27 Prozent beträgt. Schauen Sie sich in den Führungsetagen, Verwaltungsräten und politischen Gremien um, die Zahlen sprechen für sich. Da stehen wir bei der Gleichstellung.

Was tun, um diesen Missstand zu beheben?
Wo soll ich beginnen? Die Vereinbarkeit von Job und Familie ist noch immer nicht gelöst, immer noch gibt es Männer, die nicht bereit sind, sich tatsächlich an der Partnerschaft zu beteiligen. Man könnte die Liste beliebig verlängern. Ich denke, Frauen müssen Mut beweisen und sich aus dem Fenster lehnen, sie müssen auf die Schnauze fallen und wieder aufstehen, sie müssen lernen, gewisse Dinge sportlicher zu nehmen und nicht sofort beleidigt zu sein, wenn sie mal nicht Everybody’s Darling sind.

Sie implizieren damit, dass Frauen grundsätzlich risikoavers, harmoniesüchtig und schnell eingeschnappt sind. Sollte das Signal an junge Menschen nicht eher sein, sich im Berufsleben nicht primär über das Geschlecht zu definieren?
Das sind nun mal Verhaltensmuster, die ich eher an Frauen als an Männern feststelle. Ich unterrichte am MAZ. Die Mehrheit der Studierenden sind Frauen, und trotzdem sind es häufiger Männer, die sich melden, die mitmachen, die ausprobieren, während bei Frauen scheinbar immer noch die Angst überwiegt, sich zu blamieren und nicht zu genügen.

Sie schreiben, dass erfolgreiche Frauen ihren Mann austauschen, wenn sie ihn nicht für karrierefördernd halten. Was ist denn ein karrierefördernder Mann?
Eigentlich ist es ganz einfach: Frauen brauchen einen Partner, der Gleichberechtigung leben will. Der sagt: „Du hast eine gute Ausbildung, Lust, Karriere zu machen, ich finde das gut und trage deine Pläne mit.“ Er muss halt seinen Teil zur Gemeinschaft beitragen, und wenn es nur um den Haushalt geht.

Würde ein Mann öffentlich sagen, er suche sich seine Frau nach berufsstrategischen Kriterien aus, er müsste wohl mit ziemlich viel Gegenwind rechnen.
Männer müssen das überhaupt nicht speziell erwähnen, es ist ganz selbstverständlich, dass eine Frau ihrem Mann den Rücken stärkt und freihält. Es ist noch immer ganz normal, dass eine Frau das emotionale, soziale und mitunter auch reale Backoffice für ihren Mann führt. 

Interview: Lucienne Vaudan, Bild:  zVg

 


Anlässlich der Buchvernissage vom Montagabend im Kaufleuten in Zürich spricht Res Strehle, Chefredaktor des "Tages Anzeigers", mit Kommunikationsberaterin Beatrice Tschanz, den Chefärztinnen Brida von Castelberg und Stephanie von Orelli sowie mit der ehemaligen Präsidentin der European Law Students' Association Zurich Tilla Caveng über das Infragestellen alter Denkmuster und das Entwickeln neuer Werte.


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