«Die ärmsten Figuren sind die Mediensprecher»

Fussball-WM - Schon vor dem Costa-Rica-Spiel ist für Andreas Böni klar: die Schweiz kommt mindestens in den Viertelfinal. Der Blick-Fussball-Chef kontert Kritik, wonach Journalisten Schuld seien am Adler-Hype. Er fordert Kommunikationsprofis für die Insta-Accounts von Xhaka, Shaqiri & Co.

von Christian Beck

Herr Böni, am Mittwoch trifft die Schweiz im dritten Gruppenspiel auf Costa Rica. Wie wird die Partie ausgehen?
Ich bin mir relativ sicher, dass die Nati gewinnen wird. Sie ist qualitativ viel besser besetzt als Costa Rica, das zudem bereits ausgeschieden ist.

Aber nach dem Achtelfinal ist dann Schluss – oder liegt noch mehr drin?
Dieser Mannschaft sind nach oben keine Grenzen gesetzt. Ich traue ihr mindestens den Viertelfinal zu. Vielleicht sogar mehr.

«Schon 2004 verwechselte man Täter und Opfer»

Nach der Adler-Geste müssen Xhaka, Shaqiri und Lichtsteiner nun Bussen bezahlen. Dass es so weit kam, ist den Zeitungen zu verdanken, die haben den Doppeladler hochstilisiert.
Absoluter Quatsch. Für mich totaler Blödsinn. Jeder, der im Stadion war, hat sofort während des Jubels schon gemerkt, dass nun ein riesiges Fass aufgemacht worden ist. Und zwar von den Spielern, nicht von den Medien. Dass man nun versucht, den Schwarzen Peter abzugeben, erinnert mich an 2004, als Alex Frei Steven Gerrard an der EM in den Nacken gespuckt hat. Damals versuchte man dem Schweizer Fernsehen die Schuld in die Schuhe zu schieben – nur weil SRF die Bilder ausstrahlte, die Frei des Spuckens überführten. Schon da verwechselte man Täter und Opfer.

Sie sagten in einem Videokommentar: «Man sollte den Spielern Instagram wegnehmen.» Warum?
Weil viele Spieler schlicht überfordert sind und es auch im Jahr 2018 nicht im Griff haben. Nehmen wir Granit Xhaka: Er ist selbst eine grosse Marke geworden, kann aber selber mit dieser Macht offenbar nicht umgehen. Er provoziert die Serben innert Kürze voller Emotionen mit verschiedenen Beiträgen – und löscht dann alles wieder. Schaltet ein Foto des Adler-Jubels auf, markiert Xherdan Shaqiri und schreibt: «We dit it Bro!».

«Andere Spieler muss man vor ihrer eigenen Unvernunft schützen»

Und wo liegt hier das Problem?
Allein für diese Aussage hätte ihm die Fifa vorsätzliche Provokation der Serben unterstellen können. Die sozialen Kanäle einer Marke müssen heute im Jahr 2018 auch dementsprechend bewirtschaftet werden, von Medienprofis, nicht von Fussballspielern. Aus den einen Spielern könnte man extrem viel mehr machen in der Vermarktung nach aussen, andere muss man schlicht vor ihrer eigenen Unvernunft schützen. Die ärmsten Figuren im Profi-Fussball sind für mich momentan die Mediensprecher, denen links und rechts mit unvorsichtigen Spielern alles um die Ohren fliegen kann.

Wenn aber der Auftritt in den sozialen Medien professioneller wird, werden die Storys weniger. Der «Blick» profitiert ja von der laienhaften Bewirtschaftung der Kanäle.
Teilweise. Vor allem profitieren Nachrichtenkanäle, die wenig Eigenrecherche betreiben und nur abschreiben. Das ist bei uns im Blick-Newsroom ein Teil der Arbeit. Dass uns da zu viele Geschichte wegbrechen würden, ist keine Sorge.

«Ich finde das Gespräch miteinander sehr wichtig»

Wie kommuniziert «Blick» eigentlich mit den Natispielern? Über die sozialen Medien oder Auge in Auge?
Selbstverständlich Auge in Auge. Heute läuft der Kontakt viel über WhatsApp – und 90 Prozent des Austauschs findet «off the records» statt. Dafür braucht es Vertrauen von beiden Seiten. Aber ich finde – gerade im Zeitalter der sozialen Medien und des unglaublichen Tempos – das Gespräch miteinander sehr wichtig. 

Wie nahe kommt man sich da? Geht man auch mal gemeinsam in den Ausgang?
Nein. Es sind Geschäftsbeziehungen. Man geht vielleicht miteinander mal essen. Aber meine Freunde suche ich mir immer noch ausserhalb des Fussballs aus.

Übrigens: Wir haben im Fernsehen gesehen, dass auch Ihr Chef Marc Walder an der WM ist. Was macht er dort?
Er hat sich mit Ottmar Hitzfeld das Spiel Schweiz gegen Serbien angesehen. Und sich über den Sieg bestimmt so gefreut wie über die Europa-League-Qualifikation seines FC St. Gallens.



Schweiz vs. Costa Rica: Mittwoch, 27. Juni, um 20 Uhr in Nischni Nowgorod