Diskussion um Corona-Berichterstattung

20 Minuten - Sozialwissenschaftler Marko Kovic kritisiert die Rolle der Medien im Umgang mit Corona-Massnahmenkritikern scharf. 20-Minuten-Chefredaktor Gaudenz Looser liefert eine Replik – und gesteht auch Schwächen ein.

Sozialwissenschaftler Marko Kovic übt Kritik an den Medien im Allgemeinen und 20 Minuten im Speziellen, dies im Umgang mit Corona-Massnahmenkritikern. Als Beispiel nennt er eine «Café-Geschichte», in der Nicolas Rimoldi, Co-Präsident der Organisation «Mass-Voll», eine zu grosse Bühne erhielt – ohne jeglichen Widerspruch. «Seine Busse hat Rimoldi unmissverständlich als PR-Stunt inszeniert und 20 Minuten ins Boot geholt. Die Story ist in Tat und Wahrheit gar keine. (…) Ein Pseudo-Event in Reinform», schreibt Kovic in seinem Blog, der vom Pendlermedium aufgegriffen wurde.

Medien würden nach Konflikten und Skandalen lechzen, um beim Publikum Anklang zu finden. «Weil Medien die Botschaften extremistischer Corona-Massnahmengegner wiedergeben, übergeben sie ihnen damit die Deutungshoheit im Corona-Diskurs – und treiben dadurch Radikalisierung stärker an, als es die extremistischen Massnahmengegner aus eigener Kraft jemals könnten», kritisiert Kovic weiter.

Gar nicht über solche Gruppierungen zu berichten, wäre auch nicht zielführend. Kovic schlägt «ein paar einfache Daumenregeln» vor. «Die wohl schlimmste Form der Corona-Berichterstattung ist Live-Berichterstattung von Pseudo-Events wie Corona-Protesten.» Darauf soll verzichtet werden. Dafür brauche es Analysen, und False Balance müsse vermieden werden. Falschinformationen müssten zudem wissenschaftlich gesicherte Daten gegenübergestellt werden – das benötige jedoch «Arbeit und ein Minimum an Fachkompetenz». Und, so Kovic weiter: «Mehr Mut, Bullshit zu ignorieren.»

Minderheit nicht totschweigen

20-Minuten-Chefredaktor Gaudenz Looser nimmt ausführlich Stellung zur Medienkritik von Marko Kovic. «Die Gruppe der Massnahmen- und Impfkritiker umfasst in der Schweiz je nach Lesart 24 bis 43 Prozent der Bevölkerung», schreibt Looser in seiner Replik. Es gehe nicht an, dass 20 Minuten diese Minderheit einfach totschweige, «bloss, weil ich und Sie nicht mehr verstehen, was diese Menschen umtreibt». Der «schillernde» Rimoldi sei «einer der wenigen fassbaren Köpfe» der Bewegung.

Looser verteidigt die Berichterstattung über Corona-Demonstrationen. Die Teilnehmenden, «eine nennenswerte Zahl von Schweizerinnen und Schweizern», würden sich hier Woche für Woche eines urdemokratischen Rechts bedienen. Laut Kovics Kritik dürften Medien folglich auch nicht über Feministinnen, Klimastreikende oder Velodemonstrierende berichten, so Looser: «Sind ja alles nur Extremisten.»

«Eine Kritik, die ich gelten lassen muss, betrifft die proaktive Einordnung von wissenschaftlich widerlegten Behauptungen auf Social Media und in den Kommentarspalten», so Looser weiter. 20 Minuten habe das in der ersten Hälfte der Pandemie im Sinne einer Dienstleistung aktiver gemacht als aktuell. Entsprechende «Debunk»-Gefässe seien nun in Vorbereitung.

Gaudenz Looser plädiert zum Abschluss seiner Replik «für Verständigung statt Beschimpfung». «Wir alle tun gut daran, die jeweilige Gegenseite nicht mit Beleidigungen herabzuwürdigen, sondern uns auf die anständigen Andersdenkenden einzulassen», schreibt er, «auch wenn das auf Social Media vielleicht nicht so viele Likes generiert.» (cbe)