«Es gibt sexistische Aussagen, die untolerierbar sind»

Tamedia - Tamedia/SonntagsZeitung-Chefredaktor Arthur Rutishauser über den Protestbrief der Journalistinnen, die Kritik der Zürcher Kantonsratsfraktionen und das Dementi von Bundesrat Ueli Maurer.

von Matthias Ackeret

Herr Rutishauser, momentan steht der Tages-Anzeiger massiv in der Kritik. 78 Tamedia-Journalistinnen protestieren gegen die Arbeitsbedingungen, die Zürcher Kantonsratsfraktionen kritisieren Ihre Berichterstattung zum Unispital und Bundesrat Ueli Maurer dementiert einen Bericht zur Restaurantöffnung. Welcher Kritikpunkt störte Sie am meisten?
Die Kritik der Journalistinnen an den Arbeitsbedingungen. Im offenen Brief werden sexistische Aussagen zitiert, die absolut untolerierbar sind und wofür ich mich auch bei den Betroffenen entschuldigen möchte. Die Vorwürfe, die mir so nicht bekannt waren, werden jetzt intern untersucht. Was Maurer und Maisano anbetrifft, sind wir als Journalisten gewohnt, dass es nach harter Kritik harte Reaktionen gibt. Da zählen einfach die Fakten.

Der Protestbrief Ihrer Journalistinnen stiess auf grosses mediales Echo, unter anderem am Montag im «10vor10». Ist dies gerechtfertigt?
Diskriminierung von Frauen im Arbeitsleben ist ein grosses Thema, auch bei den Medien. Darüber hat «10vor10» fair berichtet.


Wie haben Ihre Journalisten auf diesen Brief reagiert?
Es gibt absolut Konsens darüber, dass sexistische Bemerkungen in den Redaktionen nichts zu suchen haben. Das ist auch die Haltung der männlichen Journalisten.

78 von wie vielen Frauen insgesamt, die bei Tamedia arbeiten, haben eigentlich unterschrieben?
Das entspricht rund 12 Prozent aller Mitarbeiterinnen bei Tamedia, inklusive Druckzentren.

Nun haben Sie mit Claudia Blumer eine Vertrauensperson eingesetzt, die sich den ganzen Vorwürfen annehmen soll (persoenlich.com berichtete). Wie läuft diese Untersuchung ab?
Das wird jetzt definiert. Es geht sowohl um die konkreten Vorwürfe wie auch um die atmosphärischen Defizite. An der konkreten Umsetzung arbeiten wir aktuell mit Claudia Blumer.

Bei den anderen Kritikpunkten wird Ihre Berichterstattung in Frage gestellt. Haben Sie von Ihrer Seite Fehler gemacht und wenn ja, welche?
Das glaube ich nicht. Jedenfalls keine grösseren.

Ist die Betroffenheit bei den Betroffenen wegen Corona grösser geworden?
Es fehlt neben den dauernden Videokonferenzen das direkte Gespräch, wo man auch mal Dampf ablassen kann. Das merkt man schon.

Hatten Sie bereits eine Aussprache mit Herrn Maurer oder dem Herzchirurgen Francesco Maisano?
Nein, aber ich bin natürlich offen. Wir stehen aber, wie gesagt, zu unserer Berichterstattung. Heute ist übrigens auch der Untersuchungsbericht des Universitätsspitals zum Fall Maisano bekannt geworden. Der bestätigt weitgehend unsere Sicht betreffend Maisano wie auch gegenüber dem Whistleblower.

Wird es aufgrund der öffentlichen Kritik, die in den letzten Tagen geäussert wurde, innerhalb der Redaktionsstrukturen Veränderungen geben?
Wir haben das Ziel, mehr Frauen zu beschäftigen und auch mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen.

Nun sind wir seit genau einem Jahr im Ausnahmezustand. Was hat sich für Sie als profilierten Journalisten neben der ganzen Digitalisierung in den vergangen 12 Monaten am meisten verändert?
Es fehlt der direkte Austausch, sowohl intern auf den Redaktionen als auch extern mit den Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern von Politik und Wirtschaft. Dafür haben wir gelernt, dass man von überall arbeiten kann, und das ist manchmal ganz schön praktisch.