«Guter Journalismus muss etwas kosten»

Nebelspalter - Der Nebelspalter ist nun bald ein halbes Jahr unterwegs. Hauptaktionär und Chefredaktor Markus Somm zieht Zwischenbilanz. Er spricht über die Neuerungen auf nebelspalter.ch und sagt, wie es mit der Printausgabe läuft.

von Matthias Ackeret

Herr Somm, wie sind Sie zufrieden mit der Entwicklung des Nebelspalters?
Ich bin zufrieden, aber selbstverständlich kann man als Unternehmer nie zufrieden sein. Wie immer gibt es noch viel Luft nach oben.

Was heisst das?
Sicher gut ist die Technologie: Unsere Website ist schnell, das Zahlungssystem funktioniert einwandfrei, die Ästhetik kommt gut an. Ebenso begeistert bin ich von der Redaktion: gute, junge Leute, hohe Motivation und Leidenschaft. Schliesslich hat sich unsere Mischung von Text, Video und Podcast als sehr beliebt erwiesen.

Und was ist weniger gut?
Weniger zufrieden bin ich mit der Tatsache, dass wir für meinen Geschmack zu meinungslastig daherkommen. Ich möchte noch viel mehr Recherchen und Informationen bei uns lesen. Da werden wir noch zulegen müssen. Niemand hat auf uns gewartet. Wir sind neu, deshalb müssen wir unserem Publikum jeden Tag doppelt beweisen, dass es uns braucht.

«Neu heben wir unsere bekanntesten Autoren mehr hervor»

Wo nehmen Sie Veränderungen vor?
Nach einigen Monaten Betrieb wissen wir nun sehr genau, was die Nutzerinnen und Nutzer schätzen und wie sie sich auf unserer Website verhalten. Deshalb haben wir das Layout und die Struktur überarbeitet. Bisher hatten wir das Problem, dass gewisse Produkte viel zu schnell wieder im Orkus verschwanden. Neu heben wir unsere bekanntesten Autoren mehr hervor: In der rechten Spalte findet man nun rasch unsere Stars. Viel besser gestaltet haben wir auch den Video- und Podcastauftritt. Ziel ist es, dass der Nutzer merkt, dass jedes Video auch ein Podcast ist und bloss als Audio gehört werden kann. Das war bisher zu unklar.

Wen genau wollen Sie mit nebelspalter.ch erreichen?
Die wichtigste Zielgruppe sind Leute, die bei uns Dinge erfahren, die sie sonst nirgendwo finden. Wir haben eine andere Perspektive, wir wollen Substanz bieten, wir haben Mut und wir besitzen Humor. Wir suchen auch all jene Leute für uns zu gewinnen, denen das übliche Hickhack in der Politik auf die Nerven geht. Wir wollen nicht siegen, es nicht besser wissen, nicht vernichten, sondern aufklären und anregen. Damit keine Missverständnisse aufkommen: Wir haben einen Standpunkt, und der ist brutal liberal, aber gerade deswegen halten wir den anderen Standpunkt bestens aus – und suchen und schätzen ihn.

Was heisst das?
Neu werden wir bestimmte ausgewählte Themen, die für die Zukunft unseres Landes entscheidend sind, systematisch vertiefen. Ziel ist es, in diesen Dossiers so viel Kompetenz, Substanz und Urteilskraft zu entwickeln, dass der Nebelspalter für alle, die sich mit diesen Themen beschäftigen, unentbehrlich wird.

«Wir müssen weiterwachsen»

Sie haben in einem Newsletter geschrieben, dass Ihre Abozahlen gestiegen sind. Was heisst das konkret?
Ich nenne keine Zahlen, aber der grösste Teil dessen, was wir budgetiert haben, ist erreicht. So gesehen ist das ein Erfolg.

Anders gefragt: Haben Sie damit Ihre Zielvorgaben erreicht?
Ja. Aber das reicht uns selbstverständlich nicht. Wir müssen weiterwachsen.

Als Kritikpunkt hört man immer wieder, dass man die meisten Artikel gar nicht lesen kann, weil sie hinter einer Bezahlschranke versteckt sind. Ist diese immer noch sakrosankt oder nehmen Sie dort Änderungen vor?
Im Grundsatz bleiben wir dabei: Guter Journalismus muss etwas kosten. Deshalb halten wir an der Bezahlschranke fest, aber wir werden sicher vermehrt Angebote lancieren, die es Interessierten ermöglichen, uns für eine gewisse Zeit zu testen. Die Details sind noch festzulegen.

Wie läuft der gedruckte Nebelspalter?
Genauso erfreulich. Wider Erwarten haben wir unter dem Strich keine Abonnenten verloren, sondern sogar zugelegt. Bald wird auch hier das Layout aufgefrischt. Inhaltlich bleiben wir noch zurückhaltend.

«Ich weiss, dass mich nicht die ganze Welt liebt»

Aber bei den Karikaturisten hat es wegen Ihrer politischen Ausrichtung Abgänge gegeben. Was heisst das für Sie?
Nun gut, ich weiss, dass mich nicht die ganze Welt liebt. So gesehen ist das normal. Was mich allerdings immer wieder überrascht, ist, dass keiner, der wegen mir den Nebelspalter verlassen hat, je das Gespräch zu mir gesucht hat. Das halte ich für eine verpasste Chance – für beide Seiten. Gleichzeitig muss ich betonen: Es ist eine Minderheit, die nicht mehr für uns zeichnet. Das ist stets bedauerlich, doch wir verfügen nach wie vor über viele gute Karikaturisten.

Wann legen Sie die Redaktionen zusammen?
Das ist schon geschehen. Ralph Weibel, der Redaktionsleiter der Printausgabe, ist längst in Zürich präsent – und wie. Ein ausserordentlicher Gewinn für uns.