«Ich kann ausgetretene Pfade nicht ausstehen»

20 Minuten - Gaudenz Looser ist der neue mächtige Mann bei der meistgelesenen Zeitung der Schweiz. Was will er erreichen? Der 46-Jährige spricht im ersten Interview als Chefredaktor über gute Storys, den Jubiläums-Werbespot und sein Privatleben.

von Edith Hollenstein

Herr Looser, herzliche Gratulation zur Ernennung als «20 Minuten»-Chefredaktor (persoenlich.com berichtete). Sie sind nun der einflussreichste Mann bei der laut Bakom einflussreichsten Zeitung der Schweiz. Wie fühlt sich das an?
Einerseits habe ich Respekt vor der grossen Verantwortung, die ich ab sofort in letzter Konsequenz trage. Andererseits ändert sich operativ nicht allzu viel. Ich habe das Tagesgeschäft bisher im Sinne von Marco Boselli geleitet und ich habe nicht vor, mich von diesem sehr erfolgreichen Kurs zu verabschieden.

Was wollen Sie erreichen in dieser neuen Funktion?
Zuerst einmal sicherstellen, dass «20 Minuten» bleibt, was es ist: Der Lieferant für das Gesprächsthema im ÖV, an der Kaffeemaschine und auf dem Pausenplatz, ein unparteiischer Treuhänder der wichtigsten Fakten und Meinungen – und das einflussreichste Medium der Schweiz. Ferner gilt es, einige technologische Lücken zu schliessen und bei der Traffic-Analyse und beim Ausspielen der Nachrichten neue Wege zu gehen, die es den Leserinnen und Lesern ermöglichen, sich noch angenehmer und effizienter einen Überblick über die interessanten Themen des Tages zu verschaffen. Eines der spannendsten Projekte auf meinem Tisch ist die Integration des Radiosenders Planet 105 in die «20 Minuten»-Familie. Ein junges News- und Musikradio passt mit seiner Unmittelbarkeit hervorragend zu unserem Fokus auf das «Jetzt».

«Das ‹Jetzt› ist unsere DNA – seit 20 Jahren»

Apropos «Jetzt», das stammt aus der neuen Jubiläums-Imagekampagne. Wir haben uns gefragt, warum darin eine Frau mit Ballonen vor dem Oberkörper, Kinder als Zombies und ein dicker Hintern vorkommen. Was soll der Spot aussagen?
Sie hören es am Schluss des Clips: Das «Jetzt» ist unsere DNA – seit 20 Jahren. Zum «Jetzt» gehören für unsere Leserinnen und Leser ganz stark auch die Themen, die im Spot ironisch überhöht gestreift werden – wie etwa Fake News (Fake Boobs), die Impf-Kontroverse (Zombie-Kinder) oder die Flat-Earther (dicker Hintern auf plattgedrücktem Globus-Ball).

Wie werden Sie als Chefredaktor in die Jubiläumsfeierlichkeiten involviert sein?
Das Konzept wurde bis jetzt von Marco Boselli begleitet und ich übernehme nun auch hier seinen Part. Was genau meine Rolle sein wird, wird sich noch zeigen.

Ganz generell: Was für ein Chef sind Sie?
Fordernd, sachorientiert, begeisterungsfähig. Ich kann ausgetretene Pfade nicht ausstehen. Aber ich schätze qualitativ hochstehende Kritik, weil man daraus immer etwas lernen kann.

Wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden Sie führen?
Das sind ungefähr 115 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Redaktion Deutschschweiz.

«Mein Privatleben ist einigermassen unspektakulär»

Sie sind seit 14 Jahren als Redaktor und Journalist bei «20 Minuten». Welches waren die wichtigen und bewegenden Recherchen und Storys in diesen Jahren?
Wir thematisieren regelmässig als erste gesellschaftliche Themen, die die Bevölkerung beschäftigen, und haben eine ansehnliche Primeur-Quote. Insofern ist es schwierig, einzelne Leuchtturm-Geschichten herauszupicken. Aktuell gepunktet haben wir sicher mit der Recherche zur Rapperin Loredana, die bei der jungen Zielgruppe international für ein Erdbeben gesorgt hat, und mit den Enthüllungen zum Präsidenten der Migros-Genossenschaft Neuenburg-Freiburg. Wir haben die Gleichberechtigungs-Debatte, die LGBTQ-Bewegung und die Klima-Kampagne immer hochaktuell abgebildet, ohne dabei in einen Hurra-Journalismus zu verfallen.

Sie haben Ihre Karriere bei Radio Munot und den «Schaffhauser Nachrichten» gestartet, waren bei der «Südostschweiz» und bei der «Aargauer Zeitung». Abgesehen von Ihren beruflichen Erfolgen. Was machen Sie sonst noch gerne, wenn Sie nicht arbeiten – also in Ihrer Freizeit?
Mein Privatleben ist einigermassen unspektakulär. Ich verbringe gerne Zeit mit meinen Kindern, komplettiere meinen naturnahen Garten und rauche ab zu mal eine gute Zigarre. Und ich sitze sehr gerne in Cafés: Von gutem Gastropersonal kann man viel lernen in Sachen Service-Bewusstsein. Zudem kann ich dort am bequemsten unsere Leserinnen und Leser beobachten.



Das Interview wurde schriftlich geführt.