Journalist erhält Einsicht in unanonymisiertes Urteil

Bundesgericht - Die St. Galler Justiz darf ein rechtskräftiges Urteil an einen Journalisten herausgeben, der im Genfer Betrugsfall um die Stiftung Hypotheka recherchiert. Dies hat das Bundesgericht entschieden. Das Prinzip der Justizöffentlichkeit gelte auch nach Abschluss des Verfahrens.

Gegen die Herausgabe des im Januar 2014 durch das Kreisgericht St.Gallen gefällten Urteils im Genfer Betrugsfall um die Stiftung Hypotheka legte ein Betroffener Beschwerde beim Bundesgericht ein. Der im besagten Urteil verurteilte Mann zählt im Genfer Fall zu den Beschuldigten.

Das Bundesgericht hat in einem am Montag publizierten Entscheid festgehalten, der Zugang zum unanonymisierten Urteil stelle keinen unverhältnismässigen Eingriff in das Recht auf Privatsphäre des Beschuldigten dar.

Gemäss Bundesgericht kann sich der Beschwerdeführer nicht auf sein «Recht auf Vergessen» berufen. Die Verurteilung liege noch nicht lange zurück. Zudem recherchiere der Journalist zum aktuellen Fall in Genf.

Die Lausanner Richter weisen weiter auf den Grundsatz der Justizöffentlichkeit hin, wonach Gerichtsverhandlungen und Urteilsverkündungen öffentlich seien. Damit würde eine geheime Kabinettsjustiz verhindert.

Auf den Grundsatz der öffentlichen Urteilsverkündung oder die Bekanntgabe des Urteils könnten sich namentlich Journalisten auch im Nachhinein, also nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens berufen.

Das Bundesgericht hält fest, dass der Journalist bei einer Publikation den «strengen Berufskodex» für Journalisten und die Persönlichkeit des Betroffenen zu achten habe. (sda/maw)