Mehr überraschende Meinungen erwünscht

Tamedia-Qualitätsreport 2021 - Das 2021 Qualitätsmonitoring zeigt: Die Tamedia-Redaktionen haben selten handwerkliche Regeln verletzt. Dennoch: Verbesserungsbedarf besteht etwa bei der Fehlerkorrektur, beim Storytelling und bei der Trennung von Fakten und Meinungen. Wünschenswert wären aus der Sicht der Expertengruppe auch mehr Kommentare und Analysen.

Seit 2017 nehmen Expertinnen und Experten um Projektleiter Res Strehle die Qualität der Medientitel von Tamedia unter die Lupe. Dabei wird untersucht, wie gut einzelne Redaktionen bestimmte Qualitätskriterien erfüllen – darunter handwerkliche Regeln wie Fehlerfreiheit, Fairness, Sprache, Newsauswahl, aber auch Recherche, Storytelling oder Interaktion mit der Leserschaft. 2021 wurden mit Ausnahme von Bund und Berner Zeitung alle Redaktionen des Verlagshauses einer Analyse unterzogen. Bei den Newsmedien betrug die Untersuchungsperiode eine Woche. Bei den übrigen Zeitschriften und Magazinen wurden jeweils zwei bis drei Printausgaben untersucht.

Der Qualitätsbericht für 2021, über den die SonntagsZeitung in der aktuellen Ausgabe informiert, zeichnet ein insgesamt positives Bild der Qualitätsstandards bei den Tamedia-Redaktionen. Die beauftragten Expertinnen und Experten stellten sehr wenig handwerkliche Mängel gemäss dem Handbuch «Qualität in den Medien» von 2017 fest.

Fact Checking

Positiv fiel auf, dass redaktionelle Beiträge und Werbeinhalte getrennt wurden und wenige Faktenfehler gefunden wurden. Als vorbildlich bezeichnet der Bericht den auf den Newssites neu geschaffenen Link «Fehler gefunden? Jetzt melden».

Schwachstellen ortet der Qualitätsbericht allerdings bei der Vorgangweise der Fehlerkorrektur: Zwar wurden rund 80 Prozent der Fehler korrigiert, doch selten geschah dies transparent, etwa mit einem Hinweis auf den Fehler in der ursprünglichen Version am Textende.

Die Trennung zwischen Fakten und Meinungen wurde laut Bericht weitgehend eingehalten, allerdings wurde sie dort aufgeweicht, wo es um eine «gute Sache» ging. Zudem wurden vereinzelt Verstösse gegen das Fairnessgebot festgestellt.

Positiv bewertet wird die Transparenz und kritische Distanz zu den Quellen. Als Beispiel für die Bemühung um Transparenz nennen die Expertinnen und Experten die neu geschaffene Autorinnen- und Autorenbox.

Subjektive vs. objektive Newsauswahl

Zur Beurteilung des journalistischen Mehrwertes wurden 2021 erstmals die Leitbilder der einzelnen Redaktionen miteinbezogen. Dabei bewerteten die Expertinnen und Experten positiv, dass die Newsauswahl sich daran orientierte, was die Leserinnen und Leser als relevant empfinden. Allerdings beeinträchtigte dies fallweise die objektive Relevanz der Newsauswahl. 

Wünschenswert wäre aus der Sicht der Expertinnen und Experten eine höhere Zahl an Kommentaren und Analysen sowie eine Unterscheidung zwischen Kommentaren mit hohem Meinungsanteil und Analysen im Sinne einer Problemauslegung. Selten zu finden waren laut Bericht überraschende Meinungen – Kommentare, die «offene Türen einrennen», würden deutlich überwiegen.

Verbesserungsbedarf orten die beigezogenen Expertinnen und Experten zudem beim Storytelling, das aus ihrer Sicht vor allem in den Lokalredaktionen vielseitiger sein dürfte.

Bei der Bewertung der Interaktion mit Leserinnen und Lesern fiel positiv auf, dass die Autorinnen und Autoren sich in die Kommentarforen einschalten. Für niveausenkend beurteilt das Qualitätsmonitoring allerdings die Möglichkeit von anonymen Kommentaren. (mj)