Michèle Binswanger fordert eine publizistische Vision

SRF - Im «Medienclub» vom Dienstagabend kritisiert die Tagi-Journalistin die klassischen Verlage, zu denen auch Tamedia gehört: Ihnen fehle es an einer Strategie, die alten Geschäftsmodelle in die digitale Zukunft zu übersetzen.

von Christian Beck

«Die Medien – Voll daneben getrumpt» war das Thema im «Medienclub» am Dienstagabend auf SRF 1. Bei der Frage, was etablierte Medien gegen sogenannte Fake-News aus den Sozialen Medien machen könnten, holte die «Tages-Anzeiger»-Journalistin Michèle Binswanger zum Schlag gegen die Branche und damit auch gegen Tamedia aus – ohne das Verlagshaus jedoch namentlich zu nennen. Man stecke in einem «Innovator's Dilemma»: «Über die Sozialen Medien kann jeder seine Informationen verteilen, wie er will.» Und die etablierten Medienhäuser würden keine Antwort darauf finden, wie sie auf diese Entwicklung reagieren können.

Hinzu komme, dass Finanzierungsmodelle fehlen würden, um den Journalismus in das digitale Zeitalter zu überführen. Die Geschäftsgrundlage der Verlage «schmilzt wie die Polarkappen dahin. Eigentlich sollten wir nach neuen Modellen suchen, wie wir auf diese Entwicklung reagieren können», sagte die Autorin. Es würden sowohl die Visionen wie auch die Köpfe dafür fehlen, deshalb beschränke man sich darauf, einfach den Gürtel immer enger zu schnallen. «Ich habe das Gefühl: Die Verlage verwalten den Niedergang ihrer journalistischen Kernprodukte, anstatt sich zu fragen, wie man Journalismus und seinen Vertrieb ins neue Zeitalter übersetzen kann», sagte Binswanger nach der Sendung ergänzend auf Anfrage von persoenlich.com.

Als mögliches Finanzierungsmodell nannte Binswanger im «Medienclub» die Möglichkeit, den Journalisten zur Marke zu machen. «Hier investieren die Leser direkt in den Journalisten und nicht in das Verlagshaus.» Und sie wiederholte, dass es neue Modelle brauche, auch dafür, dass Journalisten vermehrt direkt zum Geschehen rausgehen können. Dafür brauche es aber Geld. «Jetzt wursteln alle vor sich hin.» Und auf Anfrage präzisiert sie ihre Hoffnung: «Neue Player auf dem Markt könnten neue Modelle ausprobieren und vielleicht so neue Finanzierungsmodelle etablieren.»

Die frisch gekürte «Gesellschaftsjournalistin des Jahres 2016» zeigte sich im «Medienclub» aber schliesslich zuversichtlich und deutete an, dass es eigentlich nur noch aufwärts gehen könne: «Es werden neue Modelle kommen. Momentan sind wir an dem Punkt, an dem alles zusammenbricht und man nur noch Staub sieht.» Und hüstelt dabei gestenreich.