Mitarbeiter sollen Social-Media-Maulkorb erhalten

ORF - Gemäss einem fälschlicherweise in die Öffentlichkeit geratenen Regelentwurf sollen Angestellte des ORF auch auf privaten Accounts keine politischen Kommentare mehr abgeben dürfen. Ein «Kniefall» des Direktors vor dem FPÖ-Stiftungsratspräsidenten sei es.

Am Dienstag gelangte ein neues Social-Media-Regelwerk für ORF-Mitarbeiter an die Öffentlichkeit, wie «Der Standard» berichtet. Irrtümlicherweise – der Stiftungsrat bekommt es erst am Donnerstag zu sehen.

Der Entwurf will, dass sich die Mitarbeiter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks von Meinungsäusserungen distanzieren. Wörtlich heisst es: Auf «öffentliche Äusserungen und Kommentare in sozialen Medien, die als Zustimmung, Ablehnung oder Wertung von Äusserungen, Sympathie, Antipathie, Kritik und ‹Polemik› gegenüber politischen Institutionen, deren Vertreter/innen oder Mitgliedern zu interpretieren sind», sei zu verzichten – auch im privaten Umfeld. Als Meinungsbekundung werden dabei nicht nur direkte Meinungsäusserungen gewertet, sondern auch Likes, Dislikes oder Retweets. Unterzeichnet ist es von ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz.

Reaktionen in den sozialen Medien liessen nicht lange auf sich warten. Viele Journalisten zeigten sich über den Entwurf empört. So twitterte etwa der oftmals polarisierende Nachrichtenmoderator Armin Wolf einen Auszug aus der europäischen Menschenrechtskonvention betreffend Meinungsfreiheit.


Auch Anita Zielina, ehemals Leiterin digitale Produkte bei der NZZ äusserte sich sehr kritisch.


Satiriker Jan Böhmermann machte Generaldirektor Alexander Wrabetz darauf aufmerksam, dass er sich selbst nicht an diese Guidelines halte.


Wrabetz wiederum verteidigte den Entwurf mit Verweisen auf ähnliche Social-Media-Guidelines von BBC und «New York Times».


Mit den Social-Media-Guidelines sollen Objektivität, Unparteilichkeit und Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen journalistischen Arbeitens garantiert werden, heisst es im Entwurf weiter. Forderungen in diese Richtung kommen von ÖVP und FPÖ seit Jahren, wie «Der Standard» schreibt.

Nun scheinen sich die rechtskonservativen Vertreter im Stiftungsrat um Präsident Norbert Steger (FPÖ) durchgesetzt zu haben – zumindest vorläufig. Denn Anweisungen dieser Art seien gegenstandslos, solange sie nicht mit dem dem Zentralbetriebsrat – der Belegschaftsvertretung – besprochen und verhandelt wurden, wie dessen Chef Gerhard Moser gegenüber dem «Standard» sagt. Er bezeichnet den Entwurf als «Kniefall» des Generaldirektors Wrabetz vor ÖVP und FPÖ. (maw)