Olivier Kessler und BaZ streiten um Interview

No Billag - Der No-Billag-Initiant habe Antworten «komplett umgeschrieben» und mehrere Fragen gestrichen, berichtete die «Basler Zeitung» am Dienstag. Nun wehrt sich Olivier Kessler. Und die Journalisten antworten mit der Offenlegung des gesamten Mailverkehrs.

von Michèle Widmer

Eigentlich wollte die «Basler Zeitung» ein Interview mit Olivier Kessler drucken. Was die Zeitung am Dienstag veröffentlichte, ist eine Mischung zwischen Porträt und Erlebnisbericht. Denn sie darf das Gespräch in der geführten Form nicht drucken, wie die Redaktoren im Artikel mit dem Titel «No Interview» schreiben. Eine Stunde lang haben Christoph Hirter und Michael Surber mit dem No-Billag-Initianten gesprochen – im Hotel Hyatt in Zürich. Das Gespräch sei «launig und nie langweilig» gewesen, schreiben die beiden. Kessler habe druckreife Sätze von sich gegeben und sei stets um Differenzierung bemüht gewesen.

Nach dem Interview habe man sich mit «einem freundlichen Händeschlag» verabschiedet, das weitere Vorgehen schien geklärt. Zum Bruch kam es erst später, wie die Journalisten beschreiben. So habe sich Kessler beim Gegenlesen «viele Freiheiten» genommen. Sprich: «Er hat das Interview komplett umgeschrieben.» In der Lobby des Hyatts habe er klare Ansagen gemacht – seine überarbeiteten Antworten könnten aus einem innerstädtischen PR-Büro stammen. «Nicht nur die etwas pikanteren Passagen waren neu formuliert, er strich auch die Fragen zu seiner politischen Sozialisierung», halten die Journalisten fest. Damit habe er das Prinzip eines Interviews ausgehebelt.

Vom Beitrag «überrascht»

Kessler selbst sieht das anders. Auf Anfrage von persoenlich.com macht er auf einen Beitrag auf seiner Webseite in der Sache aufmerksam. 

Im BaZ-Artikel würden «Halbwahrheiten und Unwahrheiten» über ihn verbreitet, schreibt er dort. Mit der Interviewversion der Journalisten sei er «nicht gerade glücklich» gewesen. Unzufrieden war Kessler vor allem wegen der «Formulierung der Antworten». Diese erschienen ihm «zu wenig verständlich und argumentativ noch zu wenig schlüssig». Dass er eine Frage ganz gestrichen habe, sei lediglich ein Vorschlag gewesen, wie man das Interview kürzen könnte. 

Zudem war es laut Kessler nicht er, sondern die BaZ-Redaktoren, welche den E-Mail-Kontakt abgebrochen hätten. Auf ein Mail, worin er nach wie vor sein Interesse am Interview bekundet habe und sich für weitere Fragen zur Verfügung stellte, habe er keine Antwort mehr erhalten. Fünf Tage später sei er schliesslich vom veröffentlichten Beitrag «überrascht worden». 

BaZ gewährt Einsicht in Mailverkehr

Die BaZ-Journalisten Michael Surber und Christoph Hirter wollen sich auf Anfrage nicht äussern, gewähren persoenlich.com aus Transparenzgründen jedoch Einsicht in den vollständigen Mailverkehr mit Olivier Kessler. Dieser gibt Aufschluss darüber, in welchem Ausmass Kessler interveniert hat, inwieweit die Journalisten ihm entgegengekommen sind. Zudem haben sie ihn über eine mögliche Berichterstattung abgesehen vom Interview informiert. 

So schreibt Kessler im Mail mit den Interviewkorrekturen, dass er «2 bis 3 aufeinanderfolgende Fragen weggelassen» habe, die aufgrund der Änderungen nicht mehr in den «Flow» des Interviews gepasst hätten. Daraufhin machen die beiden Journalisten Kessler klar, dass sie «diese Version nicht akzeptieren» können. Allerdings schicken die Redaktoren ihm eine Kompromissfassung, wobei sie laut eigenen Angaben Dreiviertel seiner Änderungen berücksichtigen. Dennoch zieht Kessler das Interview darauffolgend zurück. «Sollten Sie an dieser Version festhalten wollen, erteile ich Ihnen keine Erlaubnis, dieses Interview zu veröffentlichen», schreibt er im Mail, das persoenlich.com vorliegt. Im nachfolgenden Mail bestätigen die Journalisten Kessler, dass das Interview nicht in der BaZ erscheinen wird.

Wenige Interviews

Kesslers Beziehung zu den Medien ist ambivalent. Anfang Februar machte er in einem Auftritt bei der «Arena» von sich reden. Kurz vor Aufzeichnung der Sendung kam es zum Eklat, weil er Bundesrätin Doris Leuthard selbst interviewen wollte. Moderator Jonas Projer sei als SRF-Mitarbeiter nicht unabhängig (persoenlich.com berichtete).

Kessler ist nicht oft am Bildschirm zu sehen und er gibt wenige Interviews. Im Dezember sprach er mit dem «Blick». persoenlich.com gab der 31-Jährige vor einem Jahr ein Interview.