06.07.2014

Schweiz

Parteinahe Presse findet nur wenige Leser

Roger Blum analysiert für "NZZ am Sonntag" Auflagenverluste von "BaZ" und "Weltwoche".
Schweiz: Parteinahe Presse findet nur wenige Leser

Im August 2010 ist Markus Somm (im Bild) als Chefredaktor der "Basler Zeitung" eingesetzt worden. Letzte Woche wurde bekannt, dass ihn Christoph Blocher auch zum Mitbesitzer und Verwaltungsrat der Zeitung gemacht hat: Somm übernimmt ein Drittel der Aktien der BaZ Holding AG (persoenlich.com berichtete). Zudem ist er Mitglied des Verwaltungsrates. In diesem Gremium sitzt ebenfalls Christoph Blocher, der seinen Anteil an der Zeitung von 20 auf 30 Prozent erhöht hat. Präsidiert wird das Gremium von Rolf Bollmann, dem das restliche Drittel der Holding gehört. Somm und Bollmann hätten je 500'000 Franken für ihre Anteile bezahlt, berichtete "Weltwoche"-Kolumnist Kurt Zimmermann.

Die "Basler Zeitung" ist nach der "Weltwoche" die zweite Publikation, bei welcher ein SVP-naher Chefredaktor direkt in die Eigentumsverhältnisse eingebunden wird. "Wie erfolgreich sind diese Printmedien bei den Lesern?" fragte die "NZZ am Sonntag" den emeritierten Professor für Medienwissenschaften Roger Blum. "Die 'Basler Zeitung' hat wegen des politischen Kurswechsels viele Leser und viel Auflage verloren", sagt dieser.

Seit 2010 ist die Auflage um fast ein Drittel eingebrochen (von 83'773 auf 57'647) und die Zahl der Leser um 30 Prozent geschrumpft (von 175'0000 auf 123'000), wie die Daten der Wemf AG für Werbemedienforschung zeigen.

In bloss zehn Jahren hat sich somit die Auflage der "Basler Zeitung" nahezu halbiert. Der Rückgang war deutlich schärfer als bei anderen Print-Titeln wie etwa dem überparteilichen "Tages-Anzeiger", der aufgrund der Konkurrenz von Online-Medien und Gratiszeitungen ebenfalls an Terrain verloren habe, wie die "NZZ am Sonntag" schreibt. "Die 'Basler Zeitung' versucht, mit einer SVP-nahen Blattlinie rechtskonservative Pflöcke zu setzen und gleichzeitig den Binnen-Pluralismus zu leben, etwa mit Kolumnisten aus dem linken Lager und ungewöhnlichen Berichten und Reportagen", beobachtet Blum. Doch bei den Lesern kommt der Mix offensichtlich nicht an. Früher trugen die Abonnenten und Kiosk-Verkäufe bloss etwa 30 Prozent zu den Einnahmen einer Zeitung bei, heute sind es jedoch rund 50 Prozent. "Eine Tageszeitung wie die 'BaZ' braucht eine bestimmte Auflagenhöhe, damit sie die Inserate erhält, welche die für die Zeitung notwendigen Einnahmen generieren", sagt Blum. Bleiben die Leser weg, wirkt sich dies auch auf die Inserate aus: Die Werber placieren ihre Annoncen stets dort, wo die Augenpaare der Leser hinzielen.

Im letzten Jahr schrumpfte die Zahl der Inserateseiten bei der "BaZ" um 27,4 Prozent, von Januar bis Mai 2014 erneut um 12,6 Prozent. "Fehlen die Einnahmen, kann man sich journalistische Qualität immer weniger leisten", sagt Medienexperte Blum. Chefredaktor Somm wollte sich laut der "NZZ Am Sonntag" zu den Daten nicht äussern.

Bei der "Weltwoche" ist die Redaktion auf ein Minimum reduziert worden. In den letzten zehn Jahren ist ein Drittel der Auflage weggebrochen und von 91'094 auf  61'195 gesunken.

Der Kreis der Leser ist laut Wemf-Daten noch stärker geschrumpft: von 434'000 auf 252'000. Roger Köppel bestreitet die Wemf-Zahlen: "Heute hat die 'Weltwoche' eine Auflage von knapp 63'000 Exemplaren und ungefähr gleich viel Leser wie damals", teilte er dem Sonntagsblatt mit. Die "Weltwoche" habe vor seinem Kommen jahrelang Verluste erlitten, schreibe aber "seit Jahren wieder dunkelschwarze Zahlen". Um die rückläufige Auflage zu kompensieren, hat Köppel den Verkaufspreis seiner Zeitung inzwischen auf Fr. 8.50 angehoben (persoenlich.com berichtete).

Andere klassische Zeitschriften haben laut der "NZZ am Sonntag" im gleichen Zeitraum weitaus weniger Leser verloren. So ist die Leserzahl des zweiwöchentlich erscheinenden "Beobachters" trotz neuen Konkurrenztiteln seit 2001 bloss minimal gesunken: von leicht über 1 Million Leser auf 918'000.

"In der Schweiz ist eine gewisse Renaissance von Medien mit grösserer Parteinähe zu beobachten", sagt Medienprofessor Blum. "Bei der 'Weltwoche' und der 'Basler Zeitung' handelt es sich um Publikationen, die eine der SVP nahestehende Blattlinie verfolgen – aber nicht um eigentliche Parteiblätter." Die herkömmlichen Parteizeitungen, die nur eine einzige politische Position vertraten, seien in der Schweiz alle eingegangen. (as/NZZ am Sonntag)

Bild: Keystone



 



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