Schon wieder Kritik an der «SonntagsZeitung»

No Billag - 57 Prozent würden die No-Billag-Initiative zum jetzigen Zeitpunkt annehmen. Mit diesem Umfrageergebnis sorgte die SoZ am Wochenende für Wirbel. Denn: Über 65-Jährige sowie der Kanton Tessin wurden nicht berücksichtigt. Die Zeitung gesteht zumindest zum Teil Fehler ein.

von Marius Wenger

Am Sonntag präsentierten die «SonntagsZeitung» und «Le Matin Dimanche» Umfrageergebnisse, denen zufolge die No-Billag-Initiative heute deutlich angenommen würde. Die zugrundeliegende Studie von Marketagent.com Schweiz hinterlässt beim genaueren Betrachten aber mehr Fragen als Antworten. Der Politologe Mark Balsiger, Kampagnenkoordinator des Vereins «Nein zum Sendeschluss», bezeichnet die Studie in einem Blog-Post als «unseriöse Pfuscharbeit».

Es ist bereits die zweite von der SoZ veröffentlichte Studie innert kurzer Zeit, die Kritik auslöst (persoenlich.com berichtete). Damals bemängelte Vinzenz Wyss die Interpretation einer Studie über die politische Einstellung von Journalisten, die der ZHAW-Medienprofessor selber verantwortete.

Im aktuellen Fall schreibt die SoZ, es handle sich bei der Studie um eine «repräsentative Onlinebefragung bei Stimmberechtigten». Die Autoren vergassen jedoch zu erwähnen, dass keine Personen über 65 Jahren befragt wurden – dabei weist gerade diese Altersgruppe in der Schweiz oftmals die höchste Stimmbeteiligung vor. Ebenfalls in der Studie nicht berücksichtigt – und in der SoZ nicht erwähnt – wurden die Tessiner. Im Zusammenhang mit No Billag besonders heikel, da die italienischsprachige Schweiz am meisten von der Gebührenfinanzierung profitiert – und darum ein anderes Stimmverhalten als in der Restschweiz keine Überraschung wäre.

«Das war ein Fehler»

In Bezug auf den fehlenden Hinweis gesteht Armin Müller, Mitglied der gemeinsamen Chefredaktion von SoZ und Tagi, zumindest zum Teil Fehler ein: «Im Print-Beitrag fehlt der Hinweis auf den Umfrage-Steckbrief, das war ein Fehler», sagt er auf Anfrage von persoenlich.com. Über den abgedruckten Link wäre der Steckbrief hingegen zu finden gewesen. Man kann sich nun fragen, ob die journalistische Sorgfaltspflicht erledigt ist, wenn der Leserschaft über Verlinkungen die Möglichkeit gegeben wird, Aussagen in ihre richtige Relation zu stellen.

Dass eine Mitberücksichtigung der fehlenden Gruppen das Umfrageergebnis wesentlich verändert hätte, glaubt Müller nicht: «Die Stichprobe ist repräsentativ für die stimmberechtigte Bevölkerung zwischen 18 und 65 Jahren in der deutschen und welschen Schweiz», sagt er. Man könne sich darüber streiten, wie stark ein Einschluss der über 65-Jährigen das Resultat beeinflusst hätte. Um den Ja-Anteil unter 50 Prozent fallen zu lassen, müsste sich das Abstimmungsverhalten der über 65-Jährigen sehr stark von jenem der 50- bis 65-Jährigen unterscheiden. Und: Auch der Einbezug des Tessins hätte von ihrem Gewicht her die Resultate nur wenig beeinflussen können.

SoZ fasst keine Abstimmungsparolen

1010 Personen nahmen an der Umfrage teil. In der Auswertung wurden jedoch nur diejenigen berücksichtigt, die angaben, «bestimmt an der Abstimmung teilzunehmen», was gemäss Müller ein gängiges Verfahren sei. Dies waren 648 Personen. Viel zu wenig, meint Mark Balsiger: «Erfahrene Schweizer Meinungsforscher wie Michael Hermann mit Sotomo oder das Duo Lucas Leemann und Fabio Wasserfallen machen bei Online-Umfragen Samples mit mindestens 10'000 Personen.» Gemäss Müller sehe der Verband Schweizer Markt- und Sozialforschung bei politischer Forschung eine Probandenzahl von 1000 Personen vor, um Repräsentativität gewährleisten zu können.

Mit Leemann/Wasserfallen arbeiten auch «Tages-Anzeiger» und «20 Minuten» in Abstimmungsumfragen üblicherweise zusammen, die SoZ sei dabei jedoch nicht beteiligt, so Müller.

Angefragt zur Haltung der SoZ in der aufgeheizten No-Billag-Debatte sagt Müller: «Die ‹SonntagsZeitung› fasst keine Abstimmungsparolen und bestimmt auch keine Redaktions-Haltungen zu Abstimmungsvorlagen. Der ‹Tages-Anzeiger› hat die Abstimmung in der Redaktion noch nicht durchgeführt, wird dies aber noch tun.»