An der Wand hängen wild durcheinander und nicht immer im Lot rund 50 Bilderrahmen. In jedem prangt das Logo eines Podcasts, den die Podcastschmiede in den letzten vier Jahren produziert hat. «Ich muss mal wieder ins Brocki, neue Rahmen kaufen gehen», sagt Cheyenne Mackay. Die langjährige Radiofrau ist stellvertretende Geschäftsführerin der Podcastschmiede. Sie steht nun im obersten Geschoss des Winterthurer Technoparks in einem grosszügig bemessenen und schlicht eingerichteten Büroraum. Noch keinen gerahmten Ehrenplatz an der Wand hat die jüngste Produktion der Audio-Agentur erhalten: der Frauenfussball-Podcast «Steilpass» mit Sarah Akanji, finanziert vom Versicherer Axa. Dass die drei zusammengefunden haben, liegt nicht nur an den gemeinsamen Wurzeln in Winterthur, sondern an der guten Erfahrung, die der Versicherer bereits mit einem Rechtsschutz-Podcast gemacht hatte. «Axa hat zusätzliches Budget freigeschaufelt für Podcasts und kam damit erneut zu uns», sagt Cheyenne Mackay.
Kurze Wege in Winterthur
So machte sich die Agentur gemeinsam mit Axa auf die Suche – und fand den Frauenfussball. Zu diesem Thema gibt es in der Schweiz noch keinen Podcast und ausserdem sponsert Axa die höchste Liga in der Schweiz. Da in Winterthur die Wege kurz sind, sass auch bald Sarah Akanji mit im Boot. In der ersten Folge spricht die Winterthurer Fussballerin, die heute das stärkste lokale Frauenteam trainiert, mit Nati-Star und Champions-League-Gewinnerin Lara Dickenmann. Weitere Toptamen aus dem schweizerischen Frauenfussball werden folgen.
So einfach der Weg vom Budget zum fertigen Podcast aussieht, so aufwendig gestalten sich die Vorbereitungen. Schliesslich will der Kunde wissen, was er kriegt. «Axa ist eine grosse Firma und wir haben viele Gespräche geführt», erinnert sich Mackay. Damit nicht auch noch lange über die Kosten diskutiert werden muss, hat die Podcastschmiede auf ihrer Website einen ausführlichen Beitrag publiziert, wo sie erklären, mit welchen Beträgen zu rechnen ist. Die Essenz: Einem professionell produzierten Podcast hört man die Kosten nicht unbedingt an. Was aber nicht automatisch heisst, dass Qualität nur für viel Geld zu haben ist. So realisierte die Podcastschmiede Projekte zwischen 9000 Franken für eine Mini-Staffel und 140'000 Franken für die bisher teuerste Produktion.
Man hört den journalistischen Hintergrund
Das Branding der Axa kommt in der fertigen Produktion des Frauenfussball-Podcasts nun sehr subtil daher. In den einzelnen Podcastfolgen erwähnt Akanji jeweils den Sponsor, und das Logo ist zu sehen. Da Axa nicht im Mittelpunkt steht, sondern das Thema Frauenfussball und der prominente Host, dürften die Hörerinnen und Hörer den «Steilpass»-Podcast nicht als Marketingmassnahme des Versicherers, sondern als journalistisches Produkt wahrnehmen. Das kommt auch der Podcastschmiede ganz gelegen, denn ihr Personal stammt aus dem Journalismus. Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben einen Hintergrund beim Radio oder in der Audioproduktion, auch die beiden Chefs. Cheyenne Mackay kam vom Berner Lokalradio RaBe via Radio SRF, wo sie bereits vor Jahren ihren eigenen Podcast lancieren konnte, zur Podcastschmiede. Gründer und Geschäftsführer Nico Leuenberger war früher Reporter beim Zürcher Radio 1.
Neben Aufträgen von Kunden setzt die Firma auch immer wieder eigene Projekte um. So etwa den True-Crime-Podcast «Hinter der Tat», den sie zusammen mit Frank Urbaniok, dem bekannten forensischen Psychiater, im vergangenen Sommer realisierte. Wenn sie schon eine so prominente Figur für sich gewinnen konnten, dann wollten sie auch dafür sorgen, dass dieser Podcast gut gehört wird. Und für Reichweite sorgen weiterhin Massenmedien. «Wir gingen deshalb auf Tamedia zu und schlugen ihnen eine Koproduktion vor», sagt Nico Leuenberger, Gründer und CEO der Podcastschmiede. Damit stiessen sie beim Verlagshaus auf offene Ohren. Das Produktionsbudget teilten sich die beiden Unternehmen. In einer ersten Phase war «Hinter der Tat» nur mit Abo auf der Website des Tages-Anzeigers zugänglich. In einer zweiten Phase kann man die Produktion auch auf den gängigen Plattformen hören. Die Werbung, die der Podcast dann generiert, teilen sich Tamedia und Podcastschmiede. «So sollte es einigermassen aufgehen für beide Seiten. Das war für alle ein Experiment. Da gibt es noch keine etablierten Business-Cases», sagt Leuenberger. Klar ist aber: Solche Kooperationen mit Medienunternehmen möchten sie in Zukunft öfter realisieren.
Als Pionierin gilt in der Deutschschweiz die NZZ am Sonntag, die seit 2019 bereits mehrmals extern produzierte Podcasts angeboten hat, mehrere davon in Zusammenarbeit mit dem Kollektiv Audiobande. Und auch Schweizer Radio und Fernsehen SRF lässt die beiden Formate «Comedymänner» und «Podcast am Pistenrand» extern von der Agentur Live Fabrik produzieren. «Es ist eines unserer Ziele, dass wir viel mehr mit Medienhäusern kooperieren», erklärt Cheyenne Mackay, Vizechefin der Podcastschmiede. «Beim Film sind Koproduktionen quasi der Normalfall. Bei Podcasts könnte es auch vermehrt in die Richtung gehen.»
Polizei kriegt dank Podcast bessere Bewerbungen
Doch zunächst handelt es sich bei den Produktionen der Podcastschmiede mehrheitlich um Aufträge von Unternehmen, Verbänden oder Behörden, die damit ein Kommunikationsziel verfolgen. Da kann auch mal jemand mit einem sehr spezifischen Bedürfnis anklopfen. So wollte etwa die Kantonspolizei Solothurn die Quote der valablen Kandidatinnen und Kandidaten im Bewerbungsprozess erhöhen, weil sich zu viele Leute bewarben, die nicht passten. Darum lancierte die Kapo vor drei Jahren eine Kampagne mit einem Podcast als Herzstück. «Polizeifunk» bot in insgesamt 18 Episoden zu je rund einer Viertelstunde Einblicke in die unterschiedlichen Rollen und Aufgaben des Polizeiberufs. «In diesem Fall ging es nicht um eine möglichst grosse Reichweite, sondern darum, die richtigen Leute anzusprechen», erinnert sich Nico Leuenberger. Und das gelang offensichtlich. Waren es vor der Kampagne nur 12 von 100 Bewerberinnen und Bewerbern, die überhaupt in Frage kamen, zählte die Solothurner Polizei danach 22, fast eine Verdoppelung der Quote. Cheyenne Mackay erklärt sich den Erfolg damit, dass Podcasthörer in diesem Fall das ideale Publikum darstellten. «Sie sind etwas älter und haben ein höheres Bildungsniveau. Das war die perfekte Zielgruppe für die Polizei-Kampagne», sagt sie im Gespräch mit persoenlich.com.
Ob Akanji für Axa, True Crime mit Tamedia oder der Polizeipodcast: Die drei Projekte stehen stellvertretend für das Spektrum, auf das sich die Podcastschmiede spezialisiert hat. Doch der Schweizer Markt ist inzwischen gross genug, dass es Platz gibt für mehrere Agenturen, die ihr eigenes Profil pflegen. Audiokanzlei, der zweite grössere Player, hat sich auf Personality-Podcasts spezialisiert, wo mehr oder weniger prominente Persönlichkeiten aus dem Nähkästchen plaudern. Die Podcast-Agentur Ellie Media verfügt über ein grosses Know-how im Bereich Social Media. Live-Fabrik wiederum kann neben Audio auch Video. Dann gibt es Boutique-Anbieter wie das Kollektiv Audiobande, das qualitativ hochstehende journalistische Produktionen stemmt und damit regelmässig Preise abräumt. Oder eine Einzelperson wie Pascal Nater mit seiner Firma Soundbox, der als Musiker, Tontechniker und Journalist in einer Person vereint, wofür andere ein ganzes Unternehmen brauchen.
Wer Podcast macht, muss TikTok können
Trotz dieser Anbietervielfalt herrscht kein Gerangel um Budgets. Das liegt zum einen an den unterschiedlichen Profilen der Agenturen. «Wenn wir eine Anfrage erhalten, die nicht zu uns passt, dann empfehlen wir gerne unsere Konkurrenz», sagt Nico Leuenberger von der Podcastschmiede. Zum andern wächst der Markt weiterhin, weil immer mehr Akteure auf dieses Medium setzen. Als weiterer Wachstumstreiber wirkt auch das ganze Drum und Dran, das heute zu einem Podcast gehört. «Wir müssen wachsen, damit wir gewisse Dienstleistungen und Skills anbieten können, die zunehmend gefragt sind», weiss Cheyenne Mackay. Zum Gesamtpaket, das ein Kunde heute erwartet, gehört nicht nur die Tonproduktion, sondern auch die Distribution und die Werbung für den Podcast. Und die erfolgt heute auf allen digitalen Kanälen, auch auf TikTok. Dazu braucht es Fachleute, die mit Social Media und Video umgehen können. «Mit einem Durchschnittsalter von fast 40 Jahren in unserer Agentur haben wir da gewisse Defizite», gibt Nico Leuenberger zu. Das werde sich aber ändern. «Ich bin sicher, in einem Jahr haben wir jemanden, der nur Videos cuttet und Social Media bedient.»
Wachsen will die Podcastschmiede auch im Bereich Werbung. Heute arbeitet eine Person im Team für Akquise und Vermittlung. Doch Nico Leuenberger sieht hier Potenzial für einen Ausbau. «Wir arbeiten an einer Plattform, auf der Kunden einen passenden Podcast finden und ihre Werbung buchen können», verrät der CEO der Agentur. Von einer solchen Branchenlösung würden alle Akteure profitieren, Agenturen wie auch Kunden. Bisher lief das Geschäft mit Podcastwerbung in der Schweiz eher harzig. Selbst reichweitenstarke Podcasts blieben werbefrei. Dabei stören kommerzielle Botschaften die Zuhörerinnen und Zuhörer nicht gross, wie Umfragen regelmässig zeigen. Im Gegensatz zu anderen digitalen Anzeigeformaten geniesst Podcastwerbung eine hohe Akzeptanz – umso mehr, wenn sie jene Person einspricht, die durch den Podcast führt.
An der Wand mit den eingerahmten Podcast-Logos in den Geschäftsräumen der Podcastschmiede wird der Platz langsam knapp: Bis Ende Jahr stehen Veröffentlichungen neuer Projekte im Wochentakt an.