16.08.2024

Verlag EMH

Steht die Ärztezeitung am Abgrund?

Der Verlag der Schweizer Ärztezeitung schlägt Alarm: Die aktuelle Ausgabe könnte die letzte sein, warnt Verwaltungsrat Ludwig Heuss. Verantwortlich für die Misere sei der Berufsverband FMH. Dieser spielt den Ball zurück und beschwichtigt.

Der Aufruf klingt dramatisch. «Die Ärztezeitung ist unmittelbar in der Existenz bedroht, darum wende ich mich auf diesem ungewöhnlichen Weg an Sie», sagt Ludwig Heuss in einem YouTube-Video, das er am Mittwoch veröffentlicht hat. Die Ausgabe, die er in den Händen halte, könnte die letzte sein. Die Zeitung habe ein kurzfristiges Liquiditäts- und ein langfristiges Finanzierungsproblem.

Der Chefarzt der Klinik für innere Medizin am Spital Zollikerberg äussert sich in seiner Funktion als Verwaltungsrat des Schweizerischen Ärzteverlags EMH, der neben anderen medizinischen Fachmagazinen seit 1997 wöchentlich die über hundert Jahre alte Ärztezeitung herausgibt. Der Verlag ist ein Gemeinschaftsunternehmen des Berufsverbands der Schweizer Ärzte FMH und des Basler Verlags Petri Holding AG, wobei die FMH einen Mehrheitsanteil von 55 Prozent hält.

Chefarzt Heuss macht in seinem Statement die FMH, respektive deren Zentralvorstand, verantwortlich für das drohende Aus der Ärztezeitung, die alle 45’000 FMH-Ärztinnen und -Ärzte im Rahmen ihrer Verbandsmitgliedschaft erhalten. Die FMH kassiere zwar pro Jahr 22 Millionen Franken an Mitgliederbeiträgen, die Ärztezeitung müsse sich aber ausschliesslich über Einnahmen aus der Werbung finanzieren, kritisiert Heuss.

Dieses Modell scheint nun nicht mehr zu funktionieren, weil die Werbeeinnahmen zu stark erodiert sind und keine Aussicht auf Besserung besteht. Der Verlag EMH habe bisher «wo immer möglich gespart. Wir haben Zeitschriften zusammengelegt, ausgedünnt und reduziert», erklärt EMH-Verwaltungsrat Heuss. Nun brauche es aber andere Einnahmequellen.

Als solche sollte die redaktionelle Online-Plattform «Swiss Health Web» dienen. Seit Anfang Juli sind Teile davon kostenpflichtig und gegen einen Jahresbetrag von 220 Franken zugänglich. Heuss ruft die Ärzteschaft dazu auf, diesen Betrag zu zahlen, der pro Woche weniger koste «als der morgendliche Cappuccino in unserer Spital-Cafeteria». Mit 4000 Abos bis Ende Monat käme das fehlende Geld zusammen. Bei über 40’000 FMH-Mitgliedern, sei das «also nicht aussichtslos», hofft Heuss.

Was man beim Verlag EMH als Teil der Lösung sieht, ist für die FMH dagegen Teil des Problems, ja mehr noch. «Die Ursache für die schwierige Situation der EMH ist nicht die Ärztezeitung, sondern das ‹Swiss Health Web›, das die EMH auf eigenes Risiko gestartet und mit dem sie sich verkalkuliert hat», teilt die FMH auf Anfrage von persoenlich.com mit.

Die Ärzteorganisation spricht von zu hohen Betriebskosten und zu tiefen Abozahlen bei «Swiss Health Web». Die FMH könne hierfür jedoch keine eigenen Finanzmittel bereitstellen, heisst es. «Als Berufsverband trägt die FMH eine hohe Verantwortung hinsichtlich der Verwendung ihrer Mitgliederbeiträge und kann diese schon aus statutarischen Gründen nicht zum Stopfen von Finanzlöchern von Dritten beziehungsweise Drittprojekten verwenden.» Wobei es sich beim Verlag EMH nicht wirklich um «Dritte» handelt, da ja die FMH mehrheitlich am Verlagsunternehmen beteiligt ist und die Ärztezeitung und das «Swiss Health Web» Fachmedien für ihre Mitglieder sind.

Auch wenn die FMH keine Finanzlöcher stopfen will, versichert die Organisation auf Anfrage, sie werde sicherstellen, «dass die Ärztezeitung als Verbandszeitschrift weiterbestehen wird». Wie das genau geschehen soll, nennt der Verband aber nicht, respektive verweist auf «Lösungen», die nun geprüft würden. Was Heuss von der Beschwichtigung der FMH hält, liess er auf Anfrage von persoenlich.com unkommentiert.


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KOMMENTARE

Marc Benedetti
16.08.2024 09:28 Uhr
Hauptsache, es geht dem Verband gut! Von Medien haben Verbände aber meistens keine Ahnung. Diese Erfahrung habe ich in meiner redaktionellen Laufbahn gemacht. Es müsste doch möglich sein, mit ein wenig Kreativität eine Lösung zu finden. Zumal die Ärzteschaft ja zu den bestbezahlten Berufsgruppen gehört. Die andere Frage ist, ob die Zeitung und diese Onlineplattform den Ärzten und Ärztinnen so wichtig ist - und wie gut sie ist. Das kann ich nicht beurteilen, da ich sie nicht kenne.
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