10.07.2021

Gesundheitstipp

Swissmedic droht mit massiver Busse

Die Heilmittelbörse will der Zeitschrift Gesundheitstipp einen Artikel über Medikamente gegen Multiple Sklerose verbieten. Jetzt entscheidet das Bundesverwaltungsgericht.
Gesundheitstipp: Swissmedic droht mit massiver Busse
Logo von Swissmedic, fotografiert am Dienstag, 26. Oktober 2010, in Bern. (Bild: Keystone/Peter Klaunzer)

Swissmedic werde zur Zensurinstanz. Diesen happigen Vorwurf erhebt die Zeitschrift Gesundheitstipp. Auslöser ist ein Artikel über Medikamente gegen Multiple Sklerose, deren Weiterverbreitung die Heilmittelbehörde unter Androhung einer massiven Busse verbieten wolle.

Dieser Angriff auf die Pressefreiheit sei in der Schweiz einmalig, so der Gesundheitstipp, zumal er in jeder Ausgabe über Medikamente schreibe und diese im Vorfeld mit Fachleuten, Ärzten und Tests einer genauen Untersuchung unterziehe. Für Patientinnen und Patienten seien solche Informationen von grossem Wert, da die Nebenwirkungen «beträchtlich» sein könnten. Zudem würden die Ärzte oftmals nicht alle Wirkstoffe kennen oder Medikamente abgeben, an denen sie am meisten verdienen.

Patienten können sich nicht beschweren

Für die Heilmittelbehörde Swissmedic, die in der Schweiz für die Zulassung von Medikamenten zuständig ist, seien solche Berichte aber ein Dorn im Auge. Dabei würden Nutzen und Gefahren von Heilmitteln ausschliesslich aufgrund von Unterlagen der Hersteller beurteilt, argumentiert die Zeitung. Auch könnten sich lediglich Pharmaunternehmen gegen die Entscheide beschweren, nicht aber die Patienten.

Mit Busse von 50'000 Franken gedroht

Im Bericht «Multiple Sklerose: So riskant sind neue Medikamente», der im Januar dieses Jahres erschien, verglich der Gesundheitstipp die wichtigsten Wirkstoffe und erwähnte die Zahl schwerer Nebenwirkungen, was vom Hersteller nicht einmal bestritten wurde.

Für Swissmedic ging dies aber zu weit. Sie verbot unter Androhung einer Busse von bis zu 50'000 Franken die weitere Zugänglichmachung des Artikels im Internet oder auf Papier. Begründung der Heilmittelbehörde: Der Gesundheitstipp habe einige der erläuterten Medikamente und Therapien «in negativer Weise und risikobehaftet» dargestellt. Das bringe «unweigerlich eine Beeinflussung der Leser mit sich».

Wie der Gesundheitstipp schreibt, wehre er sich mit Nachdruck gegen diese Aus­sagen. Auch erfolge die Einschätzung völlig unabhängig und sei nicht durch Geldflüsse beeinflusst, wie Swissmedic impliziere.

Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht

Die Verfügung von Swissmedic sei eine Form der Zensur, schreibt der Gesundheitstipp. Das Verbot eines Berichts über Vor- und Nachteile von Medikamenten sei ein Angriff auf die Pressefreiheit, der von der Bundesverfassung geschützt werde. Deswegen habe die Zeitschrift nun beim Bundesverwaltungsgericht in St. Gallen Beschwerde eingelegt. (ma)


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KOMMENTARE

Victor Brunner
12.07.2021 08:26 Uhr
Warum erstattet Michel Romanens, Leitung Verein Ethik und Medizin Schweiz, nicht Anzeige? Wichtig zu wissen die Gönner es Vereins: https://sites.google.com/site/vereinethikundmedizinschweiz/unsere-goenner
Michel Romanens, Leitung Verein Ethik und Medizin Schweiz.
10.07.2021 21:49 Uhr
Der Gesundheitstipp ist schon an anderer Stelle (Dr. Imoberdorf zu den Cholesterinsenkern) verantwortlich für zahlreiche Tote und Verletzte, welche diesem Fakeartikel geglaubt haben und ihre Statine dann konsequenterweise abgesetzt hatten: https://www.gesundheitstipp.ch/artikel/artikeldetail/das-maerchen-vom-boesen-cholesterin/. Da solche Artikel als Medizinprodukte der Klasse I die Gesundheit der Bevölkerung gefährden, ist die Heilmittelbehörde swissmedic verpflichtet, Falschaussagen von Zeitschriften zu ahnden, das ist ihre Aufgabe. Der Verein Ethik und Medizin Schweiz hat dazu ein Rechtsgutachten bei Prof. Kieser erstellen lassen: https://varifo.ch/wp-content/uploads/2021/01/AGLAGutachtenKieser012021-2.pdf. Es ist daraus klar ersichtlich, dass alternative Erzählungen Im sensiblen Bereich der Gesundheit mit mangelnder Ausgewogenheit (false balance) durch ihre Breitenwirkung in der Bevölkerung massive Gesundheitsschäden bewirken können. Wir haben dazu zahlreiche weitere Beispiele der Behörde vorgestern gemeldet: https://varifo.ch/medienschaffende/. Es ist aus unserer Sicht sehr erfreulich, dass die Behörde swissmedic diesem laissez-faire im Gesundheitswesen einen Riegel schiebt. Die Destabilisierung von gerechtfertigtem Vertrauen in die Medizin, welche durch Medien wie den "Gesundheitstipp" oder SRF Puls laufend verbreitet werden, ist für die Patienten- und Versorgungssicherheit intolerabel und muss strafrechtlich verfolgt werden. Es kann nicht sein, dass irgendwelche Narzissten und Journalisten ihre eigenen Realitätskonstruktionen mit Medien spielend leicht verbreiten können, ohne dass dazu strafrechtliche Konsequenzen drohen. Hier muss swissmedic in weit grösserem Rahmen als bisher aktiv werden. Der Deckmantel der Meinungs- und Pressefreiheit im Bereich von Medizinalprodukten verlangt nun mal einen höheren wissenschaftlichen Absicherungsgrad, als das in gewissen Schreibstuben bisher realisiert wurde.
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