Umfrage-Standards seien erfüllt worden

No-Billag-Studie - Das zuständige Meinungsforschungsinstitut habe die Regeln eingehalten. Die «SonntagsZeitung» hätte jedoch genauer sein müssen.

von Marius Wenger

Am Sonntag titelten die «SonntagsZeitung» und «Le Matin Dimanche» gross, dass die No-Billag-Initiative zum jetzigen Zeitpunkt mit 57 Prozent angenommen würde (persoenlich.com berichtete). Die zugrundeliegende Studie und deren Interpretation durch die SoZ gerieten danach in die Kritik (persoenlich.com berichtete). Insbesondere wurde bemängelt, dass über 65-Jährige sowie der Kanton Tessin nicht berücksichtigt wurden – und dies in der SoZ nicht zu lesen war. Armin Müller, Mitglied der «Tagesanzeiger»- und «SonntagsZeitung»-Chefredaktion, räumte zwar teils Fehler ein, verteidigt aber die Studie als solches: «Die Umfrage wurde nach den üblichen Umfragestandards durchgeführt.»

Nicht Anzahl Umfrageteilnehmer, sondern Genauigkeit entscheidend

Dieser Meinung ist auch Ursula Kaspar von Marketagent.com Schweiz, die die Umfrage durchgeführt hat: «Die Standesregeln des Verbands Schweizer Markt- und Sozialforschung (VSMS) zu politischer Forschung wurden eingehalten. Dazu gehören die Stichprobengrösse von über 1000 Personen und mindestens 100 Stimmwillige pro ausgewiesenem Segment», sagt sie gegenüber persoenlich.com.

Dass Studien mit deutlich mehr Teilnehmern zu seriöseren Ergebnissen führen würden, stimmt laut Ursula Kaspar nicht: «Eine Samplegrösse von 10'000 verringert den Stichprobenfehler nur geringfügig gegenüber dem 1000er-Sample.» Primär sei zudem nicht die Grösse der Stichprobe ausschlaggebend für die Qualität der Generalisierbarkeit auf die untersuchte Population, sondern die Genauigkeit der Bevölkerungsabbildung.

Diese war gemäss Jürg Gujan, Geschäftsführer und Studienverantwortlicher bei Marketagent.com Schweiz, gegeben: «Die Teilnehmer sind Teil unseres Umfragepanels und wurden zufällig selektiert nach den Quotenvorgaben für Alter, Geschlecht und Region, entsprechend der Verteilung der Schweizer Bevölkerung in diesen drei Kriterien.»

Michèle Ernst Stähli, Vorstandsmitglied und Verantwortliche für das Ressort Methoden beim VSMS, bestätigt gegenüber persoenlich.com: «Die Standesregeln wurden alle eingehalten.» Zwar werde der Fehlerbereich bei kleinerer Gruppe grösser, doch ein grösseres Sample hätte in diesem Fall die Mehrheitsverhältnisse kaum verändert. «Aus statistischer und methodischer Sicht ist, aufgrund der vorhandenen Informationen, nichts zu bemängeln», sagt die Sozialwissenschaftlerin vom Forschungsinstitut FORS in Lausanne.   

«Hätten SoZ noch stärker darauf hinweisen müssen, wer befragt wurde»

Die Erhebung wurde im Rahmen einer Mehrthemenumfrage gemacht. Eines dieser Themen war dabei die No-Billag-Initiative. «Die Fragen dieses Themenblocks wurden stimmberechtigten Personen der Deutsch- und Westschweiz im Alter von 18 bis 65 Jahren gestellt», so Gujan. Neben den Fragen zu «No Billag» sei es um Themen wie Werbung, Versicherungsdienstleistungen und Onlineportale gegangen. «Die Befragten waren somit nicht beeinflusst durch das Thema.»  

In der Auswertung wurden nur diejenigen berücksichtigt, die angaben, an der Abstimmung tatsächlich teilzunehmen – eine durchaus gängige Praxis, auch bei renommierten Meinungsforschungsinstituten wie beispielsweise dem GfS Bern. Jedoch hätte die SoZ auch dies kenntlich machen sollen.

Auf die Frage, ob er rückblickend etwas anders gemacht hätte, antwortet Gujan: «Wir hätten die SoZ und ‹Le Matin Dimanche› noch mehr darauf hinweisen sollen, dass die Aussagen für die Stimmberechtigten der deutschen und französischsprachigen Schweiz im Alter von 18 bis 65 Jahren gelten und dies im Artikel auch so ausgewiesen wird, damit keine Verwirrung entsteht.»