Vertrauen anstatt Reichweite als Währung

Republik - Drei Monate nach dem Start ziehen die Macher der «Republik» Bilanz – jedoch ohne Zahlen zu nennen. «Das Zauberwort heisst Dialog», sagt Co-Gründer Christof Moser. Medienbeobachter zeigen sich skeptisch.

von Marius Wenger

«Sie als Verleger haben keinen Grund, schlecht zu schlafen. Wir sind nicht in Gefahr. Und auf Kurs. Wir als Macherinnnen haben keinen Grund, ruhig zu schlafen. Wir sind noch lange nicht über den Berg.» So lautet das Kurzfazit der «Republik» nach drei Monaten gemäss der ersten an die Abonnenten verschickten Quartalsbilanz. Als grössten Erfolg wertet das Team – fast demütig –, «dass alles Lebensnotwendige läuft.»

In gewohnt ausführlichen Worten berichtet der «Medienkonzern» – wie das Team das Unternehmen mittlerweile bezeichnet – in der Quartalsbilanz über Freuden, Ärger, Misserfolge und Herausforderungen. Was kaum vorkommt, sind Zahlen.

Permanenter Austausch

Christof Moser, Co-Gründer und Co-Chefredaktor, meint dazu auf Anfrage: «Wir machen nicht für irgendwelche Nutzungszahlen Journalismus, sondern für Menschen, Bürger, unser Publikum. Zur Weiterentwicklung der Republik stehen wir in einem permanenten Austausch mit unseren Verlegerinnen.»

Das Team habe mehrere tausend Beiträge mit Ideen und Kritikpunkten aus den ersten drei Monaten beantwortet, ausgewertet und in die Weiterentwicklung des digitalen Magazins einbezogen.

Konkrete Nutzungszahlen wertet die «Republik» derzeit noch keine aus. Jedoch speichert das System rudimentäre Messungen wie Öffnungsraten. «So können wir grobe Entwicklungen abschätzen, zum Beispiel, dass die Newsletter unverändert populär sind», sagt Moser. Er fügt an: «Unsere Währung als werbefreies Medium ist nicht Reichweite im Werbemarkt, sondern Vertrauen beim Publikum.»

Intern werde durchaus diskutiert, welche Zahlen für die Weiterentwicklung von Interesse sein könnten. Darüber tausche man sich auch mit ähnlich funktionierenden Medien wie «Zetland» aus Dänemark oder dem niederländischen «The Correspondent» aus. Beide werten gemäss Moser sehr wenige Daten aus. «Das Zauberwort heisst Dialog», so der Co-Gründer.

Die Stunde der Wahrheit im Januar 2019

Eine Zahl ist dann aber doch relevant: Diejenige der Abonnenten. Seit dem Start im Januar kamen über 3500 neue dazu, so dass sie mittlerweile bei über 18'500 liegt. Wie gut das neue Medium ankommt, wird sich erst im Januar 2019 zeigen, wenn mit den anstehenden Abo-Erneuerungen die Stunde der Wahrheit schlägt. 60 oder gar 70 Prozent Abo-Verlängerungsquote würden bedeuten, dass die «Republik» auf dem Weg zur Institution sei, sagt Constantin Seibt, der sich mit Moser momentan den Chefredaktorsessel teilt, gegenüber Radio SRF. Betrage die Quote dagegen bloss 30 Prozent, «dann sind wir auf dem Weg zur Hölle», wie er es ausdrückt.



Auf diesen Moment warten auch die Medienbeobachter. Was die langfristigen Überlebenschancen der «Republik» angeht, sind viele skeptisch.

Für NZZ-Medienjournalist Rainer Stadler müsste das Magazin sein Profil schärfen und weniger «über Gott und die Welt» schreiben, wie er gegenüber Radio SRF sagt. Gerade die Kleinen müssten sich eher spezialisieren, um im Kampf um Aufmerksamkeit aufzufallen.

Nick Lüthi, Chefredaktor der «Medienwoche», sagt im selben Beitrag: Auch wenn die meisten Leser und Verleger mit der Qualität der «Republik» zufrieden seien, könnten sie versucht sein, das Abo nicht zu erneuern, «weil es die Republik nicht schafft, sich in die Nutzungsroutine hineinzudrängen».

Zu wenig Kurzes und Warmes

Auch die Länge der Texte könnte verhindern, dass es die «Republik» in die Nutzungsroutine der Abonnenten schafft, weil sie schlicht die Zeit, um sie zu lesen, nicht fänden, befürchtet Nick Lüthi. Dass die Artikel oftmals zu lang sind, wurde auch schon kurz nach dem Start kritisiert (persoenlich.com berichtete).

Diesem Problem ist man sich beim Onlinemagazin bewusst. Mit dem Ausstoss von langen Reportagen, Analysen und Essays sei man zufrieden, doch: «Wir haben zu wenig Kurzes, zu wenig Warmes, zu wenig Humor, Wildheit und Formen. Wir sind – wahrscheinlich aus Nervosität – ein wenig zu erwachsen auf die Welt gekommen», heisst es in der Bilanz an die Verleger. Diese Balance hinzubekommen gehöre denn auch zu den wichtigsten Zielen bis im Sommer.