08.03.2021

Reporter ohne Grenzen

Viel sexistische Gewalt im Internet

Zum Internationalen Frauentag 2021 veröffentlicht die NGO den Bericht «Wie Sexismus Journalistinnen bedroht». Er zeigt auf, wie stark Journalistinnen von geschlechtsspezifischer und sexueller Gewalt betroffen sind und wie sich diese Belastungen auf ihre Arbeit auswirken.
Reporter ohne Grenzen: Viel sexistische Gewalt im Internet
Gemäss RSF ist das Internet der gefährlichste Ort für Journalistinnen. (Bild: pixabay/121images)

Der Bericht basiert auf einer Befragung, an der im Sommer letzten Jahres 112 Personen aus 112 Ländern teilgenommen haben – Korrespondentinnen und Korrespondenten von Reporter ohne Grenzen (RSF) sowie auf Genderfragen spezialisierte Journalistinnen und Journalisten. Die Bilanz sei erschreckend, schreibt die NGO in einer Mitteilung.

40 Befragte stuften ihr eigenes Land als «gefährlich» oder «sehr gefährlich» für Journalistinnen ein. Gefahr drohe ihnen nicht nur ausserhalb, sondern auch innerhalb der Redaktionen. Unter den «sehr gefährlichen» sind Länder wie Mexiko, Indien und Syrien, die RSF jedes Jahr auch geschlechtsunabhängig zu den gefährlichsten Ländern für Medienschaffende weltweit zählt. Aber auch europäische Länder wie Polen, die Ukraine und Serbien wurden als riskant eingestuft.

RFS hatte bereits zum Weltfrauentag 2018 einen Bericht über die Schwierigkeiten vorgelegt, mit denen sich männliche und weibliche Medienschaffende konfrontiert sehen, die über das Thema Frauenrechte berichten. Seitdem habe sich das Klima gegenüber feministischen Journalistinnen und Journalisten, aber auch gegenüber Journalistinnen im Allgemeinen deutlich verschärft, schreibt RSF weiter.

Gefährliches Internet

Die Ergebnisse der Umfrage bestätigen die Beobachtungen, die RSF in den vergangenen Jahren gemacht habe: So ist das Internet mittlerweile der gefährlichste Ort für Journalistinnen; 73 Prozent der Befragten gaben an, dass in ihrem Land Journalistinnen sexistischer Gewalt im Netz ausgesetzt seien. 58 Prozent sagten, dass am Arbeitsplatz geschlechtsspezifische Gewalt gegen Journalistinnen ausgeübt werde. Dieser relativ hohe Prozentsatz dürfte auch auf das gestiegene Bewusstsein für das Thema zurückzuführen sein. Für Aufklärung sorgten vor allem die internationale sowie nationale #MeToo-Debatten.

In besonderem Masse Gewalt ausgesetzt sind Journalistinnen, die sich auf Frauenrechte, Politik und Sport spezialisiert haben. Die saudische Journalistin Nouf Abdulaziz al-Jerawi wurde inhaftiert, weil sie sich öffentlich dagegen ausgesprochen hatte, dass Frauen in ihrem Land einen männlichen Vormund haben müssen. Während ihrer Haft sei sie mit Elektroschocks gefoltert und sexuell missbraucht worden, heisst es weiter.

In Brasilien musste die Journalistin Patricia Campos Mello einen hohen Preis für ihre Recherchen darüber bezahlen, wie sich Jair Bolsonaro im Präsidentschaftswahlkampf eine Desinformationskampagne illegal finanzieren liess. Präsident Bolsonaro und seine Söhne beschuldigten sie, sich Informationen dazu mit sexuellen Gefälligkeiten erschlichen zu haben. Und in Frankreich taten sich nach Berichten über Belästigungen in Sportredaktionen fast 40 Journalistinnen der Sportzeitung L’Equipe zusammen, um sich mit betroffenen Kolleginnen solidarisch zu zeigen.

Die Konsequenzen der Gewalt

RSF untersucht in dem Bericht auch die Konsequenzen dieser Gewalt. Erlittene Traumata brächten betroffene Journalistinnen dazu, sich selbst zu zensieren oder gar ihren Beruf aufzugeben – was den journalistischen Pluralismus verringere, schreibt die NGO. 43 Prozent der Befragten gaben an, dass Journalistinnen in ihrem Land als Reaktion auf geschlechtsspezifische Diskriminierung und Gewalt ihre Konten in sozialen Netzwerken vorübergehend oder sogar dauerhaft löschen, 48 Prozent berichteten von Selbstzensur sowie je 21 Prozent von Wechseln des Spezialgebiets oder sogar von Berufsaufgabe.

Der Bericht schliesst mit einer Reihe von Empfehlungen, die helfen sollen, den Kreislauf von Gewalt und Diskriminierung zu durchbrechen. Sie richten sich an Journalistinnen und Journalisten, Redaktionen und die Politik. (pd/lom)



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