10.11.2019

Zürcher Anwaltsverband

Vom Verhältnis zwischen Juristen und Journalisten

Am Freitag fand ein Treffen statt, um über bedenkenswerte Entwicklungen im Medienalltag zu diskutieren.
Zürcher Anwaltsverband: Vom Verhältnis zwischen Juristen und Journalisten
Für einmal traf man sich nicht in entgegengesetzten Positionen, sondern um sich über einen neuen Trend in der Medienbranche auszutauschen. (Bilder: Pedro Mor)
von Loric Lehmann

Der Zürcher Anwaltsverband lud am Freitagmorgen zum Treffen zwischen Medienvertretern und Anwälten. Redaktionen erhalten immer öfter statt Antworten, Schreiben von Anwälten, die gegen eine Berichterstattung über deren Mandanten drohen, stand auf der Einladung. Um über diese Praxis zu diskutieren, frühstückte man gemeinsam im Restaurant «Au Premier» im Zürcher Hauptbahnhof.



Rund zwanzig Medienschaffende hatten sich eingefunden, um den Inputreferaten zu lauschen und anschliessend über diesen teilweise unangenehmen juristischen Aspekt des Journalistentums zu diskutieren. Als Vertreterin von Unternehmen und Personen, die von der Medienberichterstattung betroffen sind, amtete Rena Zulauf, Rechtsanwältin und Partnerin bei Zulauf Partner. Weiter waren anwesend Léonie Balmer und Matthias Seemann, beide Rechtsanwälte und Rechtskonsulenten bei Tamedia, um so quasi die Gegenseite der Medien zu vertreten.

Rote Linie klar definiert

Léonie Balmer werde von Journalisten der Tamedia oft gefragt, was präventive Massnahmen seien, um Gerichtsfälle zu vermeiden. «Heikle Themen sind immer: Die Nennung von Namen und eine, in den Augen der Betroffenen, unzureichende Anonymisierung einer Person.» Dies fällt unter das Persönlichkeitsrecht. Dabei sind Klagen des Tatbestandes Herabsetzung am häufigsten.

«Das Persönlichkeitsrecht kann man auch als Teil der Medienfreiheit sehen», sagte Matthias Seeman. Denn in diesem sei definiert, in wie weit die Medien innerhalb eines Rahmens agieren könnten. Die rote Linie der Berichterstattung sei also klar definiert. Und je nach Redaktion werde sich unterschiedlich weit dieser Linie angenähert.

«Wenn Journalisten ein Mail von mir erhalten, erschrecken diese oftmals zuerst», sagte Zulauf. Dieses Anwaltschreiben komme im für Medienschaffende ungewohnten Anwalts-Jargon daher. «Dabei ist dieses Schreiben nur als Einladung zum Dialog zu verstehen.»

Schiessen von Nebelpetarden

Von einer «Einladung zum Dialog» wollten anwesende Journalisten hingegen nichts wissen. «Es kann doch nicht sein, dass Anwälte zwei Stunden vor der Veröffentlichung eines Textes ein riesen Dossier beim Journalisten einreichen. Der Journalist hat weder Kapazität noch das Know-how, um dies korrekt durchzuarbeiten», hiess es von einem Medienvertreter. Simon Canonica, pensionierter Tamedia-Rechtskonsulent, bezeichnete dieses Vorgehen als Taktik des «Schiessens von Nebelpetarden». Dabei gehe es nur darum, den Journalisten möglichst einzuschüchtern, um so eine Veröffentlichung des Artikels zu vermeiden.

Zulauf monierte, sie wünsche sich vor allem «mehr Mut» von seitens der Journalisten, sich die nötige Zeit zu nehmen, um mehr Sorgfalt an den Tag zu legen. «Die Analyse des Sachverhalts ist das A und O.» Darauf entgegnete eine NZZ-Journalistin, sie erlebe immer mehr, «dass sich in konkreten Fällen einfach jeder einen Anwalt nimmt». Dies gehe so weit, dass es am Schluss vier Versionen dieses Sachverhaltes gebe.

Medien verlieren an Glaubwürdigkeit

«Viele erfolgreiche Journalisten sind unbequeme Persönlichkeiten», sagte Matthias Seemann. Vielleicht müsse man auch «unbequem» sein um, Erfolg zu haben. Daher passiere es häufig, dass sich Personen der Berichterstattung ungerecht behandelt fühlen. Darauf entgegnete Rena Zulauf, es gebe «überall» unbequeme Persönlichkeiten, sonst würde über diese Personen ja nicht berichtet werden. Sie empfinde es mehr als Problem, wenn Redaktionen unvollständig berichteten. «Ich habe schon erlebt, dass Journalisten ganze relevante Gerichtsurteile, die positiv für den Betroffenen ausgingen, in einem Artikel verschwiegen.» Dies führe dazu, dass das Medium an Glaubwürdigkeit einbüsse.

Zulauf sagte weiter, ihr sei es wichtig, bei kontroversen Fällen aufeinander zuzugehen und vielleicht auch einfach mal zusammensitzen, «statt angriffige Mails hin und her zu schiessen.» Und man solle mehr «vorurteilsfrei» auf einander zugehe. Dies deckte sich mit den abschliessenden Forderungen der Journalisten: Die Anwälte sollten mehr mit konkreten Anliegen in den umstrittenen Fällen auf die Journalisten zugehen, und, wie bereits erwähnt, von einer «Nebelpetarden-Taktik» absehen.



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Kommentare

  • Rodolfo Keller, 11.11.2019 12:38 Uhr
    «C'est le ton qui fait la musique». Wir nehmen gerne zur Kenntnis, dass Frau Zulauf juristische Drohschreiben als «Einladung zum Dialog» versteht. Was Frau Zulauf aber offenbar (als Medienanwältin!!) nicht versteht, ist der Mechanismus der Kommunikation. «Wie man in den Wald ruft, so tönt es zurück». Ein alter Grundsatz der Kommunikation lautet: Wichtig ist nicht, was ich sage, sondern wie ich verstanden werde. Oder einfacher: Wenn ein Anwalt in Vertretung seines Klienten gleich zu Beginn eine Drohgebärde mit sieben Seiten Juristengeschwurbel aufbaut, dann verstehe ich das auch so, und reagiere entsprechend. Wenn ein Anwalt wirklich das Gespräch suchen will (99 Prozent aller Probleme lassen sich im Gespräch lösen), dann soll er sich bitte auch entsprechend ausdrücken.
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