Warum es 36 Ausland-Korrespondenten braucht

SRF - Könnte das Schweizer Radio und Fernsehen bei der Ausland-Berichterstattung Personal einsparen und mit deutschen Sendern kooperieren? Nein, meinen die beiden Chefredaktoren Lis Borner und Tristan Brenn.

von Marius Wenger

Wenn es um das Thema Sparmöglichkeiten bei der SRG geht, geraten die Ausland-Korrespondenten schnell ins Visier der Kritiker. SRF beschäftigt 18 Radio- und 18 Fernseh-Korrespondenten im Ausland – knapp mehr als die NZZ, die das Schweizer Medium mit den zweitmeisten Ausland-Berichterstattern ist. Nicht alle jedoch haben ein Vollzeitpensum, und zehn von den 36 Journalisten sind als Freie engagiert.

Lis Borner, Chefredaktorin von Radio SRF, betont gegenüber persoenlich.com die Wichtigkeit der Auslandmitarbeiter: «Vieles, was in der heutigen vernetzten Welt passiert, beeinflusst die Schweiz direkt oder indirekt. Darum ist es enorm wichtig, dass wir eigene Leute an den wichtigsten Brennpunkten der Welt haben.» Tristan Brenn, Chefredaktor des Schweizer Fernsehens, fügt einen weiteren Aspekt an: «Die Korrespondenten kehren nach ihrer Zeit meistens wieder zurück in die Heimredaktionen. Auch dort ist ihr Know-how enorm wichtig für eine kompetente und hintergründige Auslandberichterstattung».

Bewusste Trennung von Radio und Fernsehen

Für Unverständnis sorgt insbesondere, dass SRF für Radio und TV je eigene Korrespondenten hat. Lis Borner begründet dies wie folgt: «Bei der Fusion von Schweizer Radio DRS und SF Schweizer Fernsehen hat man sich bewusst gegen eine Mantelredaktion entschieden und wollte innerhalb von SRF eine Vielfalt von Perspektiven gewährleisten – auch bei den Auslandkorrespondenten.» 


Nur in den wichtigsten EU-Hauptstädten sowie in Moskau, China und den USA habe man aber sowohl festangestellte Radio- wie auch TV-Korrespondenten. «Der Arbeitsanfall an diesen wichtigen Aussenstellen wäre unmöglich durch eine einzige Person zu bewältigen – auch weil sich die Produktion von Radio- und TV-Beiträgen sehr unterscheidet und auf die verschiedenen Primetimes hin – Radio am Morgen, TV am Abend – zeitlich nicht vereinbar sind», so Borner.


Die Radio- und TV-Korrespondenten würden jedoch eng zusammenarbeiten und regelmässig gegenseitige Stellvertretungen übernehmen, ergänzt Tristan Brenn. «Zudem verantworten die Korrespondenten gemeinsam die Beiträge für das Online-Angebot mit Analysen und Hintergründen», sagt der Fernsehchefredaktor. 

Aushelfen, aber nicht auslagern

Als Massnahme zur Kostensenkung wird oft gefordert, dass SRF im Ausland stärker mit Korrespondenten von andern Fernsehsendern zusammenarbeiten soll. So zuletzt auch in einem Artikel von persoenlich.com-TV-Kritiker René Hildbrand: Gemäss einer «kleinen, zugegebenermassen nicht wissenschaftlichen» Umfrage in seinem persönlichen Umfeld herrsche Einigkeit darüber, dass die SRG zu viele Korrespondenten beschäftige und viele Auslandposten mit ARD und ZDF geteilt werden könnten, so Hildbrand.

Er löste damit Kritik und Diskussionen in den sozialen Medien aus. So äusserte etwa Jürg Vollmer, Chefredaktor des Landwirtschaftsmagazins «die grüne» und ehemaliger SRF-Mitarbeiter, seine Bedenken, wenn ein deutscher Korrespondent beispielsweise aus Brüssel über die Verhandlungen zwischen der EU und der Schweiz berichten würde.


Für Reda El Arbi, unter anderem Autor des «Tagesanzeiger»-Stadtblogs, ist dies hingegen durchaus vorstellbar, da die Übermittlung von Fakten und Informationen nicht von der Nationalität des Journalisten beeinflusst sein sollten.


Ihm widersprachen Michael Perricone, SRF-Rundschau-Produzent, und schliesslich der Brüssel-Korrespondent des Schweizer Fernsehens, Sebastian Ramspeck: Deutsche hätten vom Verhältnis zwischen der Schweiz und der EU in der Regel sehr wenig Ahnung.


Weiter sagte Ramspeck, dass auch Informationsjournalismus vom kulturellen Hintergrund des Berichterstatters geprägt sei, es also nicht nur Fakten einerseits und Meinungen andererseits gebe.

Mit der Schweizer Brille die Souveränität wahren

Ähnlich wie Ramspeck argumentiert sein Chefredaktor: «Unsere Ausland-Korrespondenten berichten durch die Schweizer Brille. Sie ordnen nebst der Berichterstattung über das Ereignis auch ein, was die Geschehnisse im Ausland für die Schweiz bedeuten. Diese Zusammenhänge kann ein ausländischer Korrespondent häufig nicht sehen oder nur schwer erklären, da er eben die Schweiz nicht kennt», sagt Brenn. Man arbeite jedoch eng mit anderen – vor allem deutschsprachigen – Sendern zusammen, helfe sich gegenseitig aus und sei in regelmässigem Austausch, da natürlich nicht jederzeit jeder Ort abgedeckt werden könne.  

Zusammenfassend sagt Lis Borner: «Die Schweizer Perspektive ist entscheidend. Ein Land, das wie die Schweiz politisch souverän sein will, muss auch den Anspruch haben, medial souverän zu sein. Es sollte die Ausland-Berichterstattung im audiovisuellen Bereich nicht einfach an ausländische Rundfunkanstalten auslagern.»