12.02.2003

"Was heisst Verunsicherung?"

Vor gut drei Monaten hat René Hildbrand (Bild) seinen Posten als Chefredaktor von TR7 angetreten. Was hat er neben der Einführung eines "Morgenappells" geändert? Was ist geplant? Wie will er nach drei Entlassungen gegen die Verunsicherung seiner Redaktion tun? Und ist er tatsächlich dem Verlagsleiter unterstellt? Das Interview:
"Was heisst Verunsicherung?"

Ihre ersten hundert Tage sind um. Wie geht es Ihnen?

Gut! Ich hätte nicht gedacht, dass man in drei Monaten so viel bewegen kann. Das Heft hat mehr Profil bekommen. Ich habe bereits bei meinem Amtsantritt versprochen, dass TR7 boulevardesker wird -- im besten Sinn, also ohne jemanden fertig zu machen. Wenn aber beispielsweise Beni Thurnheer zunimmt, und die TV-Zuschauer das Wachsen seines Bauchs wahrnehmen, muss man mit Thurnheer auch darüber reden können.

Mit Hansi Hinterseer oder Sämi Stutz auf der Frontseite ist TR7 volkstümlicher geworden. Gleichzeitig haben Sie eine Partyseite für Junge eingeführt. Welches Publikum wollen Sie ansprechen?

Der Grossteil unserer Leserschaft ist zwischen 30 und 65, hat Kinder und geht darum nicht so häufig aus. Dafür schaut er abends mehr fern und sieht Sendungen wie die von Sämi Stutz. Mit seinen Einschaltquoten muss der Mann für uns einfach ein Thema sein. Genau wie Hinterseer, den viele noch von seiner Ski-Karriere kennen und dessen Konzerte auch in der Schweiz grosse Hallen füllen. Das heisst aber nicht, dass uns die jüngeren Leser nicht interessieren. Deshalb schreibt bei uns auch Christian Jungen, der Shooting-Star unter den Filmkritikern, die Kino-Rezensionen.

Welche weiteren Änderungen planen Sie?

Es ist ja schon relativ viel passiert, jetzt wollen wir schrittweise optimieren. Beispielsweise werden wir den meiner Meinung nach übersichtlichsten Programmteil der Schweiz weiter verbessern, indem wir jedem Filmtipp noch ein kurzes, optisch hervorgehobenes Fazit anfügen. Solche Services sind wichtig, das weiss ich aus meiner Zeit beim Blick. Wir werden auch öfter Rankings bringen und einen grossen Schweizer Kinotest. Natürlich möchten wir auch vermehrt zitiert werden, was bei People-Geschichten schon ganz gut klappt. -- Übrigens sagen mir auch Leute von SF DRS, sie würden TR7 wieder intensiver nutzen. Bisher fand man das Heft einfach "nett", was mir aber nicht reicht. Deshalb brachten wir in der letzten Ausgabe von 2002 auch die Doppelseite "Gewinner und Verlierer des Jahres". Die hat einige überrascht, zumal unter den Verlierern neben Peter Schellenberg auch mein Chef Filippo Leutenegger fungierten. Danach musste ich bei gewissen TV-Leuten etwas Seelenmassage betreiben... Die Leser aber hat es gefreut und interessiert, das zeigen uns die vielen Briefe. Überhaupt haben die Rückmeldungen seit November markant zugenommen. Das ist ein gutes Zeichen.

Nach den Relaunch vor einem Jahr vollzieht TR7 schon wieder einen Richtungswechsel. Werden Ihre Stammleser das verkraften?

Meine neue Form des Editorials etwa oder die Einführung der People-Seite zogen kaum negative Reaktionen nach sich. Die Absatzzahlen sind weiterhin erfreulich.

Mit Ihrem Morgenappell, wonach die gesamte Redaktion um 08:45 auf der Matte stehen muss, haben Sie in der Branche für Verwunderung gesorgt. Was war Ihre Motivation?

Ich bin kein Leuteschinder, das möchte ich gleich klarstellen! Ich habe aber zum Beispiel regelmässige Themensitzungen eingeführt, bei der alle anwesend sein sollen und die man daher nicht bei laufender Produktion durchführen kann. Zum Vergleich: Das Nachrichtenressort des Blicks ist morgens um acht jeweils bereits vollzählig! Und selbstverständlich darf jemand, der einem strengen Dienstabend hinter sich hat, auch mal früher gehen.

Auf der Redaktion herrscht trotz einer Aussprache Verunsicherung. Was wollen Sie dagegen tun?

Was heisst Verunsicherung? Wenn ein neuer Chef kommt, muss man zuerst herausfinden, wie er funktioniert und wie das Team aussehen wird. Da gehören leider auch personelle Wechsel dazu. Ich selber habe beim Blick neun Chefredaktoren erlebt und kenne das. Ein Problem habe ich erst, wenn die Situation in einem halben Jahr nicht besser ist.

Sie sollen Ihren Leuten mitgeteilt haben, für jeden, der nicht mitmachen wolle, gebe es genug arbeitslose Kollegen...

Absolut falsch, das habe ich so nie gesagt, das wäre auch dumm! Gesagt habe ich vielmehr, dass, wer bereit sei, mit mir mit voller Kraft am Karren TR7 zu ziehen, eine spannende Zeit haben werde. Und wer das nicht wolle, oder könne, solle bitte zu mir kommen, weil wir dann ein Problem hätten. Und dazu stehe ich.

Mit Rolf Breiner (ca. 50), dem 61-jährigen Eckard Presler und einem ebenfalls älteren Grafiker verschwinden seit Ihrem Antritt drei reifere Kollegen. Setzen Sie künftig auf junge Billige?

Das hat überhaupt nichts miteinander zu tun, ich bin doch selber schon 52! Der Jugendwahn bringt nichts und ist zum Glück vorbei. Im Übrigen heisst jünger nicht zwangsläufig billiger. Nein, das sind Unterstellungen.

Dem Vernehmen nach beteiligt sich Verlagsleiter Sandro Rüegger an der Themensetzung. Wie sieht Ihre Aufgabenteilung aus? Sind Sie Rüegger tatsächlich unterstellt, wie Gerüchte besagen?

Sowohl Sandro Rüegger als auch ich sind direkt unserem CEO Filippo Leutenegger unterstellt. Zudem sitzen die Verlagsleiter der Jean Frey in der Geschäftsleitung, die Chefredaktoren hingegen "nur" in der erweiterten GL. So viel zu den Hierarchien. Was unsere Zusammenarbeit angeht, bin ich froh, in Sandro Rüegger einen hervorragenden Verlagsleiter zu haben, mit dem auch die Chemie stimmt. Wir arbeiten sehr eng und intensiv zusammen und ziehen am gleichen Strick, um TR7 noch erfolgreicher zu machen. Die Abwehrhaltung gewisser anderer Redaktionen gegenüber den Kollegen vom Verlag kann ich nicht verstehen, es braucht doch einfach beide Seiten! Guten Input nehme ich im Übrigen immer und von überall gerne auf, sei es von Kollegen, Lesern oder eben auch aus dem Verlag. Gerade Sandro Rüegger ist ein Fernseh- und Kinofreak mit unglaublich vielen Ideen. An Themen- und Redaktionssitzungen nimmt er aber nicht teil.



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