16.12.2021

Reporter ohne Grenzen

Weltweit sind 488 Medienschaffende in Haft

Gleichzeitig ist die Zahl der 2021 getöteten Journalisten mit 46 so niedrig wie seit 20 Jahren nicht mehr.
Reporter ohne Grenzen: Weltweit sind 488 Medienschaffende in Haft
Laut der am Donnerstag veröffentlichten Jahresbilanz von Reporter ohne Grenzen ist derzeit weltweit eine Rekordzahl von 488 Medienschaffenden, darunter 60 Frauen, inhaftiert. (Bild: Pixabay)

Seit Einführung der Jahresbilanz von Reporter ohne Grenzen (RSF) im Jahr 1995 war die Zahl der inhaftierten Medienschaffenden noch nie so hoch wie aktuell. Mitte Dezember 2021 zählte RSF 488 Medienschaffenden, die wegen ihres Berufs im Gefängnis sind. Das entspricht einem Anstieg von 20 Prozent innerhalb eines Jahres, wie es in einer Mitteilung heisst.

Dieser aussergewöhnliche Anstieg willkürlicher Inhaftierungen sei vor allem auf drei Länder zurückzuführen: Myanmar, Belarus und China. In Myanmar hat das Militär am ersten Februar 2021 «durch einen Staatsstreich die Macht zurückerobert», heisst es. In Belarus herrsche seit der umstrittenen Wiederwahl von Alexander Lukaschenko im August 2020 harte Repression. Und das China von Xi Jinping habe seinen Griff auf Hongkong, die Sonderverwaltungsregion, die einst als regionales Vorbild für die Achtung der Pressefreiheit galt, verstärkt.

RSF hat auch noch nie zuvor so viele inhaftierte Journalistinnen registriert. Insgesamt sind derzeit 60 Journalistinnen im Zusammenhang mit ihrer Arbeit inhaftiert – ein Drittel (33 Prozent) mehr als zu diesem Zeitpunkt im letzten Jahr. China, das im fünften Jahr in Folge die meisten Medienschaffenden inhaftiert hat, ist auch das Land mit den meisten inhaftierten Journalistinnen: 19 von ihnen sind derzeit im Gefängnis. Darunter befindet sich auch Zhang Zhan, die RSF-Preisträgerin für Pressefreiheit aus dem Jahr 2021, die sich aktuell in einem kritischen Gesundheitszustand befindet.

In Belarus sind derzeit mehr Journalistinnen (17) als Journalisten (15) inhaftiert. Darunter sind auch zwei Reporterinnen des in Polen ansässigen unabhängigen belarussischen Fernsehsenders Belsat – Daria Chultsova und Katsiaryna Andreyeva – die zu zwei Jahren Haft verurteilt wurden, weil sie live über eine nicht genehmigte Demonstration berichteten. Von den 53 in Myanmar inhaftierten Medienschaffenden sind neun Frauen.

«Die extrem hohe Zahl von Journalisten, die willkürlich inhaftiert sind, ist das Werk dreier diktatorischer Regimes», sagt Christophe Deloire, Generalsekretär von RSF International. «Sie spiegelt die Stärkung der diktatorischen Macht weltweit, eine Häufung von Krisen und die Skrupellosigkeit dieser Regime wider. Möglicherweise ist es auch das Ergebnis neuer geopolitischer Kräfteverhältnisse, bei denen autoritäre Regime nicht genügend Druck ausgesetzt sind, um ihr Vorgehen einzuschränken.»

Ein weiteres auffälliges Merkmal der diesjährigen Übersicht ist der Rückgang der Zahl der Medienschaffenden, die im Zusammenhang mit ihrer Arbeit getötet wurden – 46 im Zeitraum vom 1. Januar bis 1. Dezember 2021. Man muss bis 2003 zurückgehen, um ein weiteres Jahr mit weniger als 50 getöteten Medienschaffenden zu finden. Der diesjährige Rückgang ist vor allem auf die nachlassende Intensität der Konflikte in Syrien, im Irak und im Jemen zurückzuführen sowie auf die Kampagnen von Organisationen für Pressefreiheit, darunter RSF, die sich für die Umsetzung internationaler und nationaler Mechanismen zum Schutz von Journalisten einsetzen.

Doch trotz dieses bemerkenswerten Rückgangs wird immer noch durchschnittlich fast ein Journalist oder eine Journalistin pro Woche im Zusammenhang mit seiner oder ihrer Arbeit getötet. RSF hat festgestellt, dass 65 Prozent der im Jahr 2021 getöteten Medienschaffenden gezielt ins Visier genommen und ermordet wurden. Mexiko und Afghanistan sind erneut die beiden Länder mit den meisten Todesopfern: sieben Journalisten wurden in Mexiko und sechs in Afghanistan getötet. Jemen und Indien teilen sich den dritten Platz mit jeweils vier getöteten Medienschaffenden.

Zusätzlich zu diesen Zahlen werden in der Übersicht 2021 auch einige der auffälligsten Fälle des Jahres erwähnt. Die längste Haftstrafe dieses Jahres, 15 Jahre, wurde sowohl gegen Ali Aboluhom in Saudi-Arabien als auch gegen Pham Chi Dung in Vietnam verhängt. Die längsten und kafkaeskesten Prozesse werden gegen Amadou Vamoulké in Kamerun und Ali Anouzla in Marokko geführt. Die ältesten inhaftierten Journalisten sind Jimmy Lai in Hongkong und Kayvan Samimi Behbahani im Iran, die 74 und 73 Jahre alt sind. Der französische Journalist Olivier Dubois war der einzige ausländische Journalist, der in diesem Jahr entführt wurde. Er wird seit dem 8. April in Mali als Geisel festgehalten. (pd/cbe)



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