Wie zwei Studenten mit einem Fake-Event einen Medienhype auslösen

Mockumentary - Eine GoKart-Crew machte in den letzten Wochen Zürich unsicher und wollte nun ein öffentliches Rennen veranstalten. Doch der Event, über den «20 Minuten», «Watson», «TeleZüri» oder «Stern» berichteten, hat so nie stattgefunden: WD40 war das Bachelorarbeitprojekt von zwei ZHdK-Studenten.

von Sonja Gambon

März 2016: Auf Facebook taucht ein gewisser Luis Lienhard in der Zürcher Nachtszene auf.  Er vernetzt sich mit DJs und Clubbesitzern und postete Bilder von den angesagtesten Partys und Events. Langsam wächst sein Freundeskreis auf über tausend Personen an.

Plötzlich finden sich an bekannten Plätzen in Zürich wie der Langstrasse oder dem Helvetiaplatz vereinzelte Gokarts. Diese schaffen es auf Instagram, unter anderem auf den Account von SRF-Moderator Reeto von Gunten.

Doch gehören die Fahrgestelle? Der GoKart-Crew WD40, wie sich kurze Zeit später herausstellt. Diese treibt seit einiger Zeit ihr Unwesen auf Zürichs Strassen, lässt sich von Trams die Strasse hochziehen und fährt mit 50 km/h durch die Strassen.

Durch einen Leserreporter aufmerksam gemacht, berichten nationale und internationale Medien über die «Fahrgemeinschaft». Die Videos werden von «Blick», «Watson», «20 Minuten», «LikeMag», aber auch «Stern», und dontpaniconline.com aus den UK aufgenommen und geteilt. Auch regionale Fernsehsender wie «Tele Züri», «Tele M1» und «TeleTop» berichteten. 

Wo aber liegt nun die Verbindung von Lienhard und WD40? Das Rätsel löst sich kurze Zeit später, als Lienhard eine Dokumentation über die Gang veröffentlicht. Er habe die Chance erhalten, die Crew zu begleiten, schreibt er dazu.

Gleichzeitig wird auf Facebook ein Event erstellt: «Der Wilde Werner – Rave & Ride» ist ein öffentliches GoKart-Rennen. Der Ort ist unbekannt. Der Ersteller des Events ist Wilder Werner, Lienhard zeigt sich aber in Kommentaren als Unterstützer der Aktion. Mittlerweile haben sich über die offizielle Webseite über 80 Personen für den Event am 10. Juni angemeldet, auf Facebook wurden 1600 Personen eingeladen.

Doch dieses Rennen wird nie stattfinden. Denn es gibt weder die GoKart-Gang noch Luis Lienhard oder den Wilden Werner. Bei der Inszenierung handelt es sich nämlich um die Bachelorarbeit zweier Cast-Studenten der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK).

«Wir wollten auf das ‹Fear of missing out›-Phänomen aufmerksam machen», erklärt der Student Alun Meyerhans gegenüber persoenlich.com. Dies sei ein Phänomen, das viele junge Leute betreffe. Die Kreation eines urbanen Mythos unterstreiche dies, zudem würden sich die beiden Phänomene gegenseitig verstärken. Das ungute Gefühl, etwas verpasst zu haben, sollte so mobilisiert werden. Wie sie dies gemacht haben, ist im Video zur Case Study ersichtlich.

«Wir haben alles von Anfang an akribisch genau geplant – die Erstellung des Fake-Profils, der Videos oder des Events», erzählt der zweite im Bunde, Michael Schwendinger. Auch der Leserreporter, der das Ganze ins Rollen gebracht hat, sei inszeniert gewesen. So hat eine vermeintliche Ursula Beckert einen handgeschriebenen Brief an Ringier geschrieben, in dem sie beschreibt, was sie gesehen hatte.

Dass eine fiktive Geschichte so viel Resonanz auslösen könnte, war den beiden aber dann doch fast etwas zu viel. «Da war uns schon etwas mulmig zumute», gibt Meyerhans zu. Doch die Unterstützung der Schule und ihres Betreuers habe sie motiviert, dabei zu bleiben.

Über die gelungene Platzierung der Geschichte und der damit verbundenen Durchschaubarkeit der Medienarbeit zeigt sich auch eine Kritik. «Es ist wirklich alles genau so abgelaufen, wie wir es geplant hatten», zeigt sich Schwendingen überrascht. «Wir streuten die Geschichte extra an einem Feiertag, da wir davon ausgingen, dass dann das Tagesgeschäft nicht so viel hergibt. Und prompt wurde die Story von allen aufgenommen.»

Was die beiden allerdings verwunderte, war die Passivität der Medien. Trotz Telefonangaben habe kein einziger Journalist direkt nachgefragt. «Es schien so, als ob die Medien die Geschichte einfach verbreiten wollten, egal ob sie echt ist oder nicht.»

Die «Mockumentary» wird nun mit Abschluss der Arbeit aufgelöst. Die Personen, die sich für das erfundene GoKart-Rennen am 10. Juni angemeldet haben, bekommen eine persönliche Mail und eine Einladung an die Vernissage.

Bilder: zVg/Nicholas Büchi ZHdK