«Wir machten vorher politischen Smalltalk»

SRF - Das ist noch keinem Schweizer Journalisten gelungen: Sandro Brotz traf am Dienstagabend Syriens Präsident Bashar al-Assad in Damaskus. Gegenüber persoenlich.com sagt der «Rundschau»-Moderator, dass das «off the record»-Vorgespräch mindestens so interessant gewesen war, wie das eigentliche Interview.

von Edith Hollenstein

Herr Brotz, wie lief das Treffen mit Bashar al-Assad ab?
Produzentin Samira Zingaro und ich wurden vom Präsidentenpalast in eine Art kleinere Residenz gefahren. Dann öffneten die Bediensteten die Türe des Autos. Assad stand da und wartete auf uns. Das war schon sehr ungewöhnlich, denn normalerweise wartet man als Journalist stundenlang und wird schliesslich irgendwohin in ein Büro oder Besprechungszimmer gebracht.

Assad wartete also auf Sie?
Ja, er stand bereit und erwartete uns. Alles lief punktgenau nach Drehbuch ab, auch zeitlich. Es gab auch noch ein zehnminütiges Vorgespräch, bei dem nur die Produzentin Samira Zingaro, ich und Assad im Raum waren – sonst niemand.

Worüber sprachen Sie bei diesem Vorgespräch?
Wir machten «politischen Smalltalk» – so würde ich das nennen.

Was wollte Assad von Ihnen wissen?
Er fragte, wie die Schweiz Ihre Rolle in der Welt sehe.

Was antworteten Sie da?
Assad wollte wissen, auf welcher Seite wir stehen würden, denn wir würden als neutraler Staat ja zwischen den Polen stehen. Ich sagte, die Schweiz sei bekannt für Ihre Gastgeber-Rolle.

Sie haben also nicht über die Hinreise oder das Wetter gesprochen.
Nein, es war wie gesagt politischer Smalltalk. Daneben haben wir auch gefragt, wie er hier lebe und sich bewege. Aber, wie soll ich sagen: Diese zehn Minuten off the record waren mindestens so interessant wie das Interview nachher.

Wie zufrieden sind Sie mit dem Interview?
Man muss sehen: Wir waren mehrere Tage mit einer beträchtlichen Grundanspannung unterwegs. Wir waren in Syrien, in Damaskus – wo zwar Alltag herrscht, dennoch verläuft vier Kilometer entfernt die Frontlinie. Das hat man immer im Bewusstsein. Daher: Ich hatte wenig Zeit, um über das Interview nachzudenken. Aber wir sind mit denjenigen Fragen im Gepäck hingegangen, von denen wir glauben, dass man sie zum jetzigen Zeitpunkt Assad stellen muss. Dass die Antworten jedoch nicht immer so ausfallen, wie wir uns das wünschen, ist ebenfalls klar.

Wie fühlten Sie sich in Damaskus: Gab es heikle Situationen?
Wir konnten auf mehrere lokale Vertrauenspersonen zurückgreifen. Daher bin ich nicht in ständiger Angst durch Damaskus gefahren. Aber klar: Man ist schon immer aufmerksam. Interessant waren auch die Gespräche mit sogenannt normalen Leuten. Samira und ich besuchten zum Beispiel die Altstadt, wo es bizarrerweise sogar noch Souvenirshops hat, obwohl sich dort kein einziger westlicher Tourist befindet. Diese Gespräche waren aufschlussreich, obwohl man natürlich in der Stadt niemanden findet, der gegen Assad ist: schon gar nicht Journalisten.





Laut SRF hatten Sie bereits Anfang Januar eine Anfrage für das Interview mit Assad gestartet (persoenlich.com berichtete). Bei wem sonst haben Sie eine solche Anfrage deponiert?
Zusammen mit Susanne Wille habe ich einmal eine Liste gemacht mit Leuten, die wir gerne interviewen würden. Susanne hat ja schon mit dem Interview mit Marine Le Pen gezeigt, dass es möglich ist, an über die Schweiz hinaus bekannte Leute ranzukommen. Und ich habe EU-Parlamentspräsident Martin Schulz interviewt. Wir Schweizer müssen uns nicht kleiner machen als wir sind. Wenn wir genug hartnäckig bleiben, führt das möglicherweise dazu, dass Interviews möglich werden, die man für unmöglich gehalten hatte. In diesem Fall war das auch so. 

Wer ist denn sonst noch auf dieser Liste? Können Sie Beispiele nennen?
Nein, das mache ich sicher nicht. Sonst würde es heissen: «Kaum ist er aus Syrien zurück, will er schon den nächsten vor dem Mikrofon haben». Namen nenne ich also keine. Aber ich habe Ideen.