«Wir sind nicht die Zensurstelle von Facebook»

Obersee Nachrichten - Wegen einer «persönlichkeitsverletzenden Kampagne» wurde die «Obersee Nachrichten» zu einer vergleichsweise hohen Geldstrafe verurteilt. Gegenüber persoenlich.com verteidigt Verleger Bruno Hug die KESB-Berichterstattung und sagt, er sei doch nicht für Facebook haftbar.

von Matthias Ackeret

Herr Hug, die «Obersee Nachrichten» und Sie haben vollumfänglich vor dem Kreisgericht verloren (persoenlich.com berichtete). Wie beurteilen Sie das Urteil?
Wir haben nicht vollumfänglich verloren, sondern zu drei Vierteln. Das Urteil dieses Bezirksgerichts ist ein rein politisches Urteil. Der Staat verteidigt den Staat. Das Urteil ist auch völlig wirr. Der KESB-Leiter bekommt keine Genugtuung, weil er, wie das Gericht sagt, von den Berichten unserer Zeitung nicht persönlich betroffen sei. Umgekehrt aber verurteilt mich das Kreisgericht wegen Persönlichkeitsverletzung gegen eine Stadt und eine Behörde. 

Macht das Gericht eine Aussage zu den einzelnen Artikeln?
Nein, es macht nur pauschale Aussagen und nur in zwei, drei Sätzen. Unsere Artikel entsprachen aber der vollen Wahrheit, was die beschriebenen Personen dem Gericht schriftlich bestätigt haben. Weder die Klage noch das Urteil belegen etwas anderes. Das politische Gericht also würdigt unsere journalistische Arbeit nicht, erklärt den Kläger persönlich nicht verletzt und verurteilt uns aber trotzdem.

Werden Sie das Urteil weiterziehen?
Ich verlange die Urteilsbegründung und werde mich danach mit meinem Anwalt beraten. Er hat übrigens grosse Arbeit geleistet. Seine juristische Sicht wurde vom Gericht nicht im Geringsten gewürdigt.

Sie werden auch für die Facebook-Einträge verurteilt.
Das ist doppelt unverständlich. Wie sollen wir für Dritteinträge auf Facebook verantwortlich sein? Wir sind nicht die Zensurstelle von Facebook. Wer auf Facebook, Twitter & Co Einträge macht, ist dafür verantwortlich. Wenn nein, dürfte niemand mehr eine Facebook-Seite haben, da niemand mehr für andere die Verantwortung übernehmen kann. 

Was heisst das Urteil für Sie publizistisch?
Das Urteil des Landgerichts ist für unsere Medienfreiheit bedenklich. Sobald sich ein Medium über längere Zeit für einen Missstand einsetzt, könnte es nach Auffassung des Melser Gerichts wegen dem Bilden einer Kampagne eingeklagt werden. Und das, obwohl die Berichte wahr sind. 

Werden Sie in Zukunft nicht mehr gegen die KESB schreiben?
Es ist die Aufgabe der Medien, auf Probleme und Fehlentwicklungen beim Staat hinzuweisen und darüber zu schreiben. Ob auf Bundes-, Kantons- oder Gemeindeebene. Also auch bei der kesb.

Was würden Sie heute anders machen?
Wird das Urteil nicht revidiert, würde ich per sofort keinen Artikel der ON mehr auf Facebook verlinken.

War es rückblickend ein Fehler, nicht Rapperswiler Stapi zu werden?
Nein, der heutige Stadtpräsident macht es gut. Auch der neue Stadtrat harmoniert. Mir ging es mit meiner Kandidatur und meinem Rückzug um die Stadt und nicht um mich.

Wer genau muss für die Kosten aufkommen?
Über 80'000 Franken soll unser Verlag bezahlen und eventuell ich. Ein unvorstellbares Urteil, wenn man bedenkt, dass unsere Artikel wahrheitsgetreu waren und der KESB-Leiter in seiner Persönlichkeit nicht verletzt wurde.

Wie geht es Ihnen heute?
Gut, danke der Nachfrage.