«Wir wehren uns für die Gleichbehandlung»

Schweizerische Depeschenagentur - «Exklusiv vorab» sei eine zunehmende «Unsitte» der PR-Profis, kritisiert SDA-Chefredaktor Bernard Maissen. Er hat am Wochenende angeordnet, auf die Berichterstattung über Pro Juventute und Credit Suisse zu verzichten, weil diese vorab die «NZZ am Sonntag» informiert hatten.

von Edith Hollenstein

Herr Maissen, war der Entscheid gegen den «Global Wealth Report» ein spontaner oder handelt es sich um ein latentes Problem, bei dem Sie sich nun entschieden, «ein Zeichen zu setzen»?
In letzter Zeit häufte sich die Unsitte, dass wir an eine Medienkonferenz, beispielsweise über eine Studie, eingeladen wurden, während die Ergebnisse aber schon vor dem Anlass in einem anderen Medium – im Fernsehen oder in einer Zeitung – zu lesen waren. Immer häufiger organisieren die Medienstellen also eine Medienkonferenz, geben jedoch einem bestimmten Medium die Informationen bereits vorab und exklusiv.

Das ärgert Sie?
Ob das gut oder schlecht ist, müssen die Kommunikationsabteilungen beurteilen. Für uns sind dann gewisse Themen nicht mehr neu – und der Neuigkeitswert ist gerade für eine Nachrichtenagentur ein wichtiges Kriterium, das neben anderen über die Art der Berichterstattung entscheidet.

Wo lag im Fall CS das Problem?
Dieser Fall ist besonders krass, weil die CS uns am Sonntag keine Auskunft geben wollte und stattdessen auf die Medienkonferenz vom Dienstag vertröstete. Drei Tage später, das geht doch nicht! Wir wollen nicht einfach von anderen Zeitungen abschreiben, sondern müssen die Ursprungsquelle konsultieren. Wenn die CS erst so viel später Details bekannt geben will, ist das Thema dann nicht mehr neu. Zudem gehört der «Global Wealth Report» nicht zwingend in das von unserem Basisdienst abgedeckte Themengebiet.

Sie können so sparen.
Eine Sparmassnahme ist das nicht. Aber wir haben begrenzte Mittel und müssen unsere Ressourcen einteilen. Wie gesagt, entscheiden wir entsprechend den gängigen journalistischen Nachrichtenwerten wie unter anderen «interessant», «relevant» und «neu». Wenn nun ein Thema nicht mehr neu ist, ist der Newswert geringer und die Wahrscheinlichkeit grösser, dass wir darauf verzichten.

Wie hat die Credit Suisse auf Ihren Entscheid reagiert?
Die Credit Suisse sagte, bei den von der NZZaS zitierten Aussagen handle es sich nicht den «Global Wealth Report», sondern um eine andere Studie. Dies konnten wir jedoch nicht prüfen, weil uns die Bank am Sonntag keine Auskunft geben wollte.

Gleich wie bei der CS entschieden Sie am Wochenende im Fall Pro Juventute. Kommt das oft vor?
Ja, solche Fälle sind nicht neu, es gibt sie immer wieder. Die Sonntagspresse oder auch Fernsehredaktionen werden regelmässig vorab bedient, wohl in der Hoffnung, dass diese dem Thema dank der Exklusivität mehr Platz einräumen. Wenn dann auf einen späteren Zeitpunkt zu einer Medienkonferenz geladen wird, in der Hoffnung, alle anderen Medien würden noch einmal brav darüber berichten, müssen sich die Kommunikationsabteilungen nicht wundern, wenn gewisse Medien ganz auf die Berichterstattung verzichten.

Sie sind doch einfach nur eingeschnappt, weil die Sda früher selber viele interessante News exklusiv erhielt und diese nun seit einigen Jahren vermehrt an die Sonntagszeitungen gehen.
Nein, das wäre eine völlig falsche Interpretation. Die Agentur ist das falsche Medium für bewusst platzierte Vorab-Informationen, weil wir ja gleichzeitig alle Medien bedienen. Ausserdem haben wir strikte Regeln für die Berichterstattung, und sind in den journalistischen Formen stärker eingeschränkt. Wir wollen nicht besser behandelt werden als andere Medien, aber wir wehren uns für die Gleichbehandlung.

Was werfen Sie den Sonntagszeitungen, resp. der «NZZ am Sonntag» vor?
Überhaupt nichts, im Gegenteil ich verstehe, dass sie Infos exklusiv vorab bringen, wenn es sich um eine gute Story handelt und die Redaktion keine Gefahr der Instrumentalisierung sieht. Das würde ich, wenn ich dort Chefredaktor wäre, genauso machen. Auch nehmen wir durchaus recherchierte Primeuers der Medien auf und berichten darüber. Aber bei der Flut der publizierten Studien entscheiden wir uns eher für eine, die inhaltlich gleich relevant ist, aber nicht vorab platziert wurde.

Sie reden von einer «Unsitte» der Kommunikationsstellen. Was kritisieren Sie?
Die Kommunikationsstellen wissen natürlich um den Druck auf den Redaktionen. Sie glauben, mit einer gestaffelten Information mehr Wirkung zu erzielen und ihre Botschaft wie gewünscht platzieren zu können. Das kann kurzfristig aufgehen. Ob diese Strategie sich auch längerfristig auszahlt, da bei der Bevorzugung einzelner immer andere sich benachteiligt fühlen, müssen diese Stellen selber entscheiden.

Kommt es nach CS und Pro Juventute nun zu einer neuen Grundsatzregel bei der Sda?
Nein, es sind wie gesagt keine Einzelfälle. Solches kommt immer wieder vor. Nun hat sich das einfach zufällig kumuliert, weil wir gleich zwei Fälle am gleichen Tag hatten. Es gibt keine neue Regel. Wir werden jeden Einzelfall anschauen, nach den journalistischen Kriterien.

Warum macht SRF im Fall CS mit?
Keine Ahnung, das weiss ich nicht. Abgesprochen haben wir uns nicht, die SDA ist unabhängig. Ich finde es aber schön, dass Tristan gleich entschieden hat wie wir.