Zwei konzentrierte Tamedia-Redaktionen ab 2018

Umbau bei Tamedia - Paukenschlag bei Tamedia: Das Medienhaus setzt die kritisierten Sparpläne wie vermutet um. Arthur Rutishauser wird Chefredaktor der Redaktion Deutschschweiz, Ariane Dayer leitet die Redaktion in der Westschweiz. Die Gewerkschaften sind beunruhigt.

Die Mediengruppe Tamedia organisiert ihre Zeitungsredaktionen neu. Zwei neue Redaktionen beliefern die Zeitungstitel mit Inhalten aus Inland, Ausland, Wirtschaft und Sport. Start ist am 1. Januar 2018. Laut einer Mitteilung vom Mittwoch gibt es keine Kündigungen. In der Deutschschweiz und der Romandie entstehen zwei sogenannte Redaktionen Tamedia. In Bern, Lausanne und Zürich sind Kompetenzzentren vorgesehen.

Grund für die Neuorganisation ist laut Tamedia der starke Rückgang der Werbeumsätze. Die deutschsprachige Redaktion wird Arthur Rutishauser als Chefredaktor führen. Er bleibt daneben Chefredaktor der «SonntagsZeitung». Judith Wittwer übernimmt seinen Posten als Chefredaktorin des «Tages-Anzeigers». Die Redaktion Tamedia in der Romandie wird Ariane Dayer führen. Sie bleibt weiterhin Chefredaktorin von «Le Matin Dimanche».

In ihrer Mitteilung schreibt Tamedia, dass die einzelnen Zeitungstitel ihre Redaktionen und Chefredaktoren behalten werden. Diese Redaktionen versorgen die Zeitungstitel mit einer Mantelberichterstattung. «Die Kompetenzzentren werden die einzelnen Titel zum Teil auch mit massgeschneiderten Artikeln beliefern», sagte Christoph Zimmer, Leiter der Unternehmenskommunikation bei Tamedia, gegenüber der Nachrichtenagentur sda.

In der Deutschschweiz werden alle Kompetenzen im Layout, in der Textproduktion, der Bildredaktion, die Fotografen, das Korrektorat sowie weitere unterstützende Prozesse im neuen Bereich Editorial Services zusammengefasst. Die Leitung übernimmt Simon Bärtschi, bisher Mitglied der Chefredaktion von «Tages-Anzeiger» und «SonntagsZeitung». Die Organisation der Bereiche Layout, Textproduktion, Bild, Fotografie, Korrektorat sowie weiterer unterstützender Prozesse in der Romandie ist noch offen.

«Le Matin» und «20 minutes» gehören nicht dazu

Nicht Teil der Tamedia-Redaktion in der Westschweiz wird die erst am Dienstag zusammengelegte Redaktion von «Le Matin» und «20 minutes» (persoenlich.com berichtete). Die gemeinsame Redaktion mit dem Namen «20 minutes & Le Matin» wird dem Unternehmensbereich Werbung und Pendlermedien unterstellt. Einzig den Sport werden auch «20 minutes» und «Le Matin» aus der Tamedia-Redaktion für die Westschweiz beziehen. Bei den beiden Blättern wird auch der gemeinsame Newsexpress angehängt, der Inhalte für alle Newsportale der Tamedia-Titel in der Romandie produziert.

Ebenfalls am Dienstag wurde Claude Ansermoz als neuer Chefredaktor von «24 Heures» angekündigt. Er folgt auf Thierry Meyer, der bis Ende Jahr abtreten wird. Ansermoz war bislang stellvertretender Chefredaktor der Waadtländer Zeitung.

Gewerkschaften sind beunruhigt

Die Gewerkschaften Impressum und Syndicom sorgen sich um die Medienvielfalt in der Schweiz nach dieser Ankündigung «Die aktuelle Situation ist sehr schwierig», sagte die Zentralsekretärin von Impressum, Nathalie Weber, gegenüber der Nachrichtenagentur sda.

Für Impressum ist es fraglich, wie die Vielfalt bei einer faktischen Einheitsredaktion tatsächlich umgesetzt werden soll - dies bleibe auch nach den Informationsveranstaltungen für die Mitarbeitenden unklar, schreibt die Gewerkschaft in einer Mitteilung vom Mittwoch.

Um eine vielfältige Medienlandschaft aufrechtzuerhalten, genüge es nicht, den gleichen Inhalt über verschiedene Titel zu verteilen, schreibt Syndicom in einem Communiqué. Die Unabhängigkeit der einzelnen Titel müsse garantiert werden - auf allen Kanälen.

Der Ankündigung von Tamedia, dass es keine Kündigungen geben werde, begegnen beide Gewerkschaften mit Skepsis. Sie warnen vor einem schleichenden Stellenabbau: Dies bedeute einen weiteren «Aderlass» für die «zusammengesparten» Redaktionen und noch mehr Druck für die einzelnen Mitarbeiter.

Syndicom werde zusammen mit den Angestellten und ihren Personalvertretungen darüber wachen, dass es auch tatsächlich keine Kündigungen geben werde, auch bei den drei Druckzentren. Allen Betroffenen der Umstrukturierung müssten gleichwertige Tätigkeiten
angeboten werden. Zudem müsse Tamedia die am Dienstag ausgesprochenen sechs Kündigungen bei «Le Matin» zurücknehmen, fordert die Gewerkschaft.

Neue Finanzierungsmodelle gefordert

Grundsätzlich stellt Syndicom infrage, ob Tamedia überhaupt so viel sparen müsse. In den letzten zehn Jahren seien insgesamt 424 Millionen Franken an die Aktionäre verteilt worden sowie 100 Millionen Franken an die Unternehmensleitung und den Verwaltungsrat. Die Gewerkschaft fordert, dass ab sofort mindestens die Hälfte dieser Gelder im Unternehmen investiert werden, um Qualität und Vielfalt zu erhalten.

Der Journalismus sei auf komplett neue Finanzierungsmodelle angewiesen, schreibt Impressum. Das scheine Tamedia noch nicht realisiert zu haben; werde die Reorganisation doch mit wegbrechenden Werbeeinnahmen begründet. (sda/wid/eh)