TV-Kritik

Weg mit fast allen SRG-Spartenradios

In den vergangenen Wochen habe ich ab und zu bei den SRG-Spartenradios reingehört. Die Rede ist von Radio Swiss Pop, Radio Swiss Classic, Radio Swiss Jazz und Radio SRF Virus. In Kürze: Das Ergebnis für den Hörer ist ernüchternd.

Die Fernmeldekommission des Nationalrats (KVF) forderte im Februar mit einer Motion, dass die Radio-Spartensender der SRG aus Kostengründen eingestellt werden, wenn sie keinen eigentlichen Service-public-Auftrag wahrnehmen (persoenlich.com berichtete). Mit einer Ausnahme gebe ich der KVF absolut recht. Davon später.

Der Bundesrat lehnte die Motion kürzlich ab. In einer stark segmentierten Gesellschaft sei ein Teil des Publikums «unter Umständen» nur noch durch spezifische Angebote zu erreichen. Seltsame Begründung. Voraussichtlich in der Herbstsession wird sich der Nationalrat mit der Motion beschäftigen.

Einverstanden: Die SRG muss vielfältigen Bedürfnissen des Schweizer Publikums gerecht werden. Nur: Das Bedürfnis muss schon da sein. Für die meisten Spartensender ist es gar nicht vorhanden. Die Kanäle stammen aus jener Zeit, als sich die SRG immer mehr aufblähte. Zum Teil tut und versucht sie das noch heute. Und immer wieder aufs Neue. Mit einem Budget von über 1,6 Milliarden Franken steht eben sehr viel Geld zur Verfügung. Mein Kollege Kurt W. Zimmermann hat kürzlich in der «Weltwoche» errechnet, dass die Schweiz – sie liegt gemessen an der Bevölkerungszahl in Europa auf Platz 17 – das sechstgrösste Budget für öffentlich-rechtliches Radio und Fernsehen hat. Und die höchsten Kosten pro Kopf. Das hat mitnichten nur mit der Mehrsprachigkeit unseres Landes zu tun. Merke: Die SRG finanziert sich zu 75 Prozent aus den (hohen) Gebührengeldern. Und durch die hohe Zuwanderung steigen diese täglich weiter an.

Schauen wir uns doch die Marktanteile der SRG-Spartenradios mal an:

  • Der Jugendsender Radio SRF Virus erreicht in der gesamten deutschen Schweiz gerade mal 0,2 Prozent und sendet damit zweifelsfrei für die Füchse. Einstellen.
  • Radio Swiss Jazz schafft etwas mehr, aber auch nur 0,5 Prozent. Einstellen.

Würden Privatradios in ihren Sendegebieten so mickrige Zahlen erreichen wie diese beiden Spartensender, müssten und würden sie ihre Läden sofort schliessen.

  • Radio Swiss Classic hören 1,3 Prozent. Einstellen.
  • Radio Swiss Pop ergattert 1,8 Prozent des Kuchens. Über die Zukunft dieses Senders kann eventuell kurz gesprochen werden.

Übrigens kann auch Radio SRF 4 News gekippt werden. Es wird aufwendig produziert und kommt ebenfalls nur auf magere 0,8 Prozent Marktanteil.

Unter den SRG-Spartensendern gibt es einen einzigen Leuchtturm: Die «Musikwelle» wurde mit ihrem Marktanteil von knapp 7 Prozent und täglich über 400`000 Hörern zur Nummer 3 im Schweizer Radiomarkt. Und dies nota bene ohne UKW-Frequenz. Das leichte Programm reicht von alpenländischer Volksmusik über deutschen und volkstümlichen Schlager, Chansons, Canzoni, mehrsprachigen Evergreens bis hin zu Musicals und Operetten.

Ich weiss nicht, ob es die SVP-Wählerschaft geschnallt hat: In der Eidgenössischen-Fernmeldekommission, die auch «Musikwelle»  liquidieren will, sitzen die SVP-Nationalräte Natalie Rickli (Präsidentin), Adrian Amstutz, Manfred Bühler, Ueli Giezendanner, Nadja Pieren, Gregor Rutz und Walter Wobmann.

Vielleicht wünschen SVP-Wählende dem Septett, welches sich sonst so volksnah gibt, mal was. Im «Musikwelle»-Wunschkonzert. Passend zu ihrer Absicht bezüglich des Senders schlage ich den Titel vor: «Es isch ja nur es chlises Träumli gsi.» Vielleicht haben die Parlamentarier ja Musikgehör. «Nichts nützt dem Staat so wie die Musik» (Molière)


René Hildbrand
René Hildbrand ist Journalist, langjähriger Fernsehkritiker und Buchautor. Während 27 Jahren war er für «Blick» tätig, danach Chefredaktor von «TV-Star».

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KOMMENTARE

Nick Stocker
05.07.2017 08:04 Uhr
Tja Herr Hildebrand oder wie auch immer Ihr Name ist. Sogar die zuständige Nationalratskommission ist weitsichtiger als Sie und schmeisst die Motion wieder in den Kübel. Da haben Sie aber auch grad viele Stunden mit Ihrem Lobby-Artikel verbraten, ohne Erfolg. Und wer zahlt das? Das war wohl eher herausgeschmissenes Geld und nicht die Investition in vielgehörte und beliebte Spartensender! Ätsch!
Wernli Marianne
06.06.2017 18:03 Uhr
Mein Sohn hört intensiv Radio Virus, und ich gerne Swiss Pop. Bitte nehmen sie uns das nicht weg. Wir haben jedoch moch nie eine Programmzeitschrift abboniert. Zu teuer, und zu unbedeutend.
Nico Herger
06.06.2017 17:25 Uhr
Die Mehrheit der Zwangsgebührenzahler nutzt weder Musikwelle noch Virus, noch Swisspop, noch -jazz, noch SRF News. Aber es ist natürlich schön für die Nischennutzer, sich seine Vorlieben von der Allgemeinheit bezahlen zu lassen. Warum macht man es nicht wie bei Fussball und Eishockey, wo nur wenige Spiele im Free-TV übertragen werden und für die übrigen ein Abo gelöst werden muss? Sport ist genauso viel bzw. genauso wenig Service public wie Musik.
Schilter Patrick
06.06.2017 12:54 Uhr
Musigwälle, Leuchtturm? Musigwälle ist einfach das Konzept Radio Beromünster vor 40 Jahren. Gut ausgelagert als Spartenradio, da es auf diese Art nicht mehr ein breites Publikum erreichen würde. Spartenradios sind wohl für Minderheiten gedacht, denke ich, sonst müssten sich die Spartenradios nicht so nennen. Da Jazz, dort Pop, hier etwas für die Jungen, dort kommen die Klassikfans auf ihre Kosten. Das sind Computer, die die Musik abspielen. Die Musik ist gut ausgewählt, qualitätsvoll. Kostengünstiger könnte es nicht produziert werden. Das darf nicht abgeschafft werden!!!!!!
Marianne Wernli
06.06.2017 12:46 Uhr
Mit Verlaub: Die Spartenradios der SRG sind etwas vom Besten, was die SRG anbietet. Ein feines Diner mit Gästen, im Hintergrund läuft Swiss Jazz. Eine feine Sache! Oder Option Musique von RTS. Gediegen. Mein Sohn hört fast ausschliesslich Radio "Virus", hab ich mir erklären lassen, das sei bei den Jungen, die sich "trendy" fühlen, total angesagt (wenn sie nicht sonst Musik streamen). Die SRG-Spartensradios sind gemacht für Leute mit Style, Geschmack und Musikgehör. Für alle anderen Hörer/innen, die Lady Gaga und Justin Bieber bevorzugen, seien die vielen Privatradios empfohlen. Bei den Privatradios hat man keine wirkliche Auswahl, es spielen alle dasselbe. Die SRG-Spartenradios bieten echte Alternativen, eine echte Auswahl, Vielfalt. Vielleicht sollte Herr Hildebrand noch etwas genauer in die Spatenradios hinein hören. Aber vielleicht ist das einfach nicht sein Geschmack, und er ist eher dem Mainstream zugetan. Ist nicht verwerflich. Gehe mal davon aus, das Politiker auch eher für Mainstream sind, sonst würden sie ja nicht gewählt. Aber lassen sie uns die Qualität der Spartenradios. Eine feine Sache! Gingen die Spartenradios verloren, wüsste ich dann etwa nicht mehr, für was ich noch Gebühren bezahle.
Marcel Koch
06.06.2017 12:02 Uhr
Auch wenn ich kein Fan bin, die Aussage "Und die höchsten Kosten pro Kopf. (beziehend auf die Billag-Gebühren)" stimmt einfach nicht. Um Kosten international zu vergleichen, müssen sie bereinigt werden. Es ist einfach zu sagen, z.B. in der Schweiz sind die Gebühren doppelt so hoch wie in Deutschland. Dass man in Deutschland nur einen Drittel des Schweizer Lohns hat ist aber für die Berechnung wichtig. Darum, ALLE Vergleiche (auch die Landwirtschafts-Ausgaben) müssen IMMER in Relation gesetzt werden. Alles andere ist nur unseriös.....
Geri Brunner
06.06.2017 11:53 Uhr
Grüezi Herr Hildbrand! Haben Sie während Ihres Versuchs auch Radio Virus gehört? Hat es Ihnen gefallen? Nicht? Dann ist es super - es ist nämlich ein Jugendradio, und nicht für Ihre Zielgruppe bestimmt. Ich finde Radio VIRUS super! Ich höre dort soviel Neues, Geiles, Frisches, dass dann 1 Jahr später von den Privatradios entdeckt wird. Vielleicht haben all diese Spartensender nicht soviele Zuhörer, da sie kaum Werbung in eigener Sache machen? Sie schreiben von hohen Kosten. Das mag sein. Eine Frau Rigozzi als Moderatorin verursacht bestimmt hohe Kosten. Aber nicht die Spartenradios. Die laufen sozusagen von selbst, und das Gehalt der Musikredaktoren wird bestimmt nicht so exorbitant sein wie dasjenigen von sogenannten "Stars". Musigwälle? Sorry, meine Generation hört das nicht mehr. Das ist Radio-Beromünster von früher, hat aber seine Berechtigung, das SRF 1 bald auch so tönt wie Radio 24. Jedoch: Die Spartesender sind super, grossen Dank an die SRG für diesen Service.
Christoph Trummer
06.06.2017 10:25 Uhr
Ihre Argumentation veranschaulicht ein Problem sehr treffend: Beim Service Public kann gerade NICHT die Frage sein, wieviele Leute davon profitieren. Erfolg haben kann man mit Formaten, die nur auf Mehrheiten zielen. Genau dort, wo das nicht möglich ist, sind die öffentlich rechtlichen Medien gefordert. Ein paar Anmerkungen: Virus ist der einzige Sender (neben einigen notabene auch subventionierten UNIKOM Stationen) in der Schweiz, der neue und weniger mainstreamtaugliche Popmusik spielt. Gerade neue Bands aus der Schweiz schaffen oft über diesen Kanal den Einstieg in die Airplays. Die kulturelle Lücke für die Musikszene SChweiz wäre riesig. Ihre Argumentation sagt: "Das interessiert zu wenige Leute, und wenige Leute kümmern mich nicht." Eine sehr unsolidarische und unschöne Argumentation. Radio SwissPop und SwissJazz laufen in zahlreichen öffentlichen Betrieben (Läden, Restaurants usw), weil es die einzigen Sender ihrer Art sind, die nicht dauernd Werbeunterbrechungen haben. Das erreichte Publikum ist also wesentlich grösser. Bei Swiss Jazz kommt dazu, dass es sonst keine einzige Station gibt in der Schweiz, die (ausserhalb der Netzradios) Jazz spielt. Wenn das nicht Service Public ist, was dann? Nun müsste man auch noch die Kosten der Sender ansprechen. Die Spartensender sind zusammengerechnet (!) mit nicht einmal einem halben Prozent der SRG-Betriebskosten on Air. Ginge es also ums Sparen, wäre das ein etwas lächerlicher Ort um anzusetzen. Der ganze Artikel sagt: Mehr für die Gewinner, weniger für die Minderheiten. Genau so sollte Service Public mE nicht verstanden werden.
Michel Berger
06.06.2017 00:12 Uhr
Ich persönlich habe nicht nur die vergangenen Wochen ab und zu in die Spartenradios reingehört, sondern ich höre diese seit Jahren mit höchstem Genuss. Ausserdem höre ich – je nach Mood – mal Swiss Jazz oder Pop (wenn wir Freunde zum Essen einladen), Swiss Classic (wenn ich relaxen möchte) oder den VIRUS (wenn ich neusten Sound neuster Generation hören möchte}. Ich nutze die Sender von SRF 1 bis 3 nicht so oft, die Spartensender jedoch sehr. Ich schätze es, dass es dort keine Moderationen gibt, sondern nur Musik. Auch fällt mir auf, dass in vielen Hotels, Restaurant oder Detailhändlern oftmals Swiss Pop oder Jazz läuft. Verschiedene Spartenradios zur Verfügung zu stellen, ist für mich Service Public pur. Die Spartensender der SRG sind wohltuend, da sie ganz ohne Werbung auskommen, man hört dort auch nicht den Einheitsbrei und die doofen, schaurig aufgestellten 08/15 Moderationen, der sonst von den gesamten Privatradios rauf und runter gespielt wird. Zugegeben: Jazz und freche Musik für Junge ist nicht jedermanns Geschmack. Doch bei den Spartenradios hab ich echt das Gefühl, einen Service zu erhalten für mein einbezahltes Gebührengeld. Auch kann ich mir vorstellen, dass der Aufwand, die Kosten für die Spartenradios nicht so aufwendig sind, da alles computerisiert ist und ohne Moderation auskommt. Welcher anderer öffentlich-rechtliche Sender bietet einen solch tollen Service für geringe Kosten? Bei den Spartenradios zu sparen wäre wohl am falschen Ort gespart. Was die SRG an Radioprogrammen bietet, ist top, und super Service. Möchte ich nicht missen, und ich hoffe, dass die SRG an diesem tollen Service festhält. Ich befürchte, dass es den Politikern in Bern um was ganz anderes geht: Sie wollen die Privatradios stärken, um so die Werbewirtschaft stärken. Schliesslich sind es ja genau diese Politiker, die für die Werbewirtschaft lobbyieren, einige arbeiten ja für Firmen, die Werbung verkaufen. Dass Herr Hildbrand, der doch ein solch alter TV-Fuchs zu sein scheint, das nicht erwähnt, lässt mich staunen. Ich bin übrigens noch ziemlich jung, kurz vor den 30ern. Bitte bitte, nehmt uns die Spartenprogramme nicht weg. Weg mit fast allen SRG-Spartenradios? Dann lieber zuerst mal weg mit schwachen TV-Kritiken, die wohl auch niemand liest (ausser ich, der wohl auch zur speziellen Sorte von Spartensendern-Hörern gehört) ;-)
Tom Briner
04.06.2017 12:23 Uhr
Wir haben auch die weltweit zweithöchsten Ausgaben für die Landwirtschaft. Und den weltweit teuersten und am schlechtesten genutzten Maschinenpark in der Landwirtschaft. Alles ebenfalls finanziert durch Zwangsabgaben ( Steuern). Die Schweiz ist in jedem Bereich teuer, weshalb sollte das bei den TV und Radiogebühren anderes sein?
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