20.10.2015

Eine Debatte, bei der die Fetzen fliegen

Die "neue NZZ" hat zur Folge, dass in dem Blatt enorm viel mehr Platz zu füllen ist. So gibt es jeden Tag mindestens fünf Kommentare, und vielfach konstatiert man mit Unwillen, dass Analysen oder Stellungnahmen, für die bis vor kurzem 60 Zeilen genügten, sich unter Hinzufügung eines bei der früheren NZZ undenkbaren riesigen Bildes auf eine ganze Seite ausdehnen (müssen).
von Charles Linsmayer

Die "neue NZZ" hat zur Folge, dass in dem Blatt enorm viel mehr Platz zu füllen ist. So gibt es jeden Tag mindestens fünf Kommentare, und vielfach konstatiert man mit Unwillen, dass Analysen oder Stellungnahmen, für die bis vor kurzem 60 Zeilen genügten, sich unter Hinzufügung eines bei der früheren NZZ undenkbaren riesigen Bildes auf eine ganze Seite ausdehnen (müssen).

Früher war man drei Tage der Frankfurter-Messe-Hektik ausgesetzt und resümierte das Beobachtete dann in einem Artikel, der am Montag nach der Messe erschien. Nun aber, der neuen Zeitungsphilosophie gemäss, muss der NZZ-Berichterstatter aus Frankfurt täglich einen Artikel und möglichst einen Kommentar liefern. Das erste Zitat von Roman Bucheli über den Bärfuss- Artikel stammt aus einem seiner täglichen Überblicksartikel, wo das Skandalon mit wenigen Worten ins Gespräch gebracht wird, vielleicht nach einer eher kursorischen Lektüre unter dem Druck des Messegeschehens.

Dennoch widerspricht die Aussage, genau gelesen, den im Samstagskommentar geäusserten Erkenntnissen nicht so eindeutig, dass sich daraus ein Meinungsumschwung ablesen liesse (vgl. persoenlich.com)Für diesen Kommentar hat Bucheli den Bärfuss-Artikel sehr genau studiert und kommt zu Resultaten, die, auch wenn man etwas anderer Ansicht ist, durchaus dem in einer öffentlichen Debatte zu erwartendem Standard genügen, aber dem Lesepublikum genügend Raum zu eigener Beurteilung lassen.

Einen Gegensatz zum neuen Feuilletonchef Scheu daraus ablesen zu wollen, ist um so absurder, als dieser inzwischen den Casus Bärfuss in der NZZ seinerseits auf eine Weise kommentiert hat, die ganz klar im Einklang mit den Einschätzungen Roman Buchelis steht.

Ob Recht oder Unrrecht: Die Schweiz verträgt einen Lukas Bärfuss ohne weiteres, und es ist ihm endlich wieder mal eine intellektuelle Debatte zu danken, bei der die Fetzen fliegen! 

*Charles Linsmayer ist Publizist, Literaturkritiker und Schriftsteller. Er lebt in Zürich.

 

 

 


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