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Der Fussballclub unter den Medien

Stefan Millius

Nachdem das neue Medium «Republik» in der Vor-Crowdfunding-Ära die Interessierten in hoher Kadenz über die Anschaffung jedes neuen Bleistiftspitzers in Kenntnis gesetzt hatte, fliessen die Informationen seither spärlicher. Jedenfalls, was die Zahl der Newsletter angeht, die Zeichenzahl ist episch geblieben. Gut so eigentlich, die Leute sollen nun an dem arbeiten, was sie vorhaben, angekündigt wurde mehr als genug. Die wenigen News der letzten Wochen drehten sich um personelle Fragen. Was Medienschaffende – und in letzter Konsequenz auch die potenziellen Leserinnen und Leser – dabei natürlich am meisten interessiert: Wer schreibt künftig für die «Republik»?

Mal unbesehen von persönlichen Präferenzen (oder Antipathien) darf man feststellen, dass die inzwischen fast vollständige Redaktions-Crew hochkarätig besetzt sein wird (persoenlich.com berichtete). Die «Republik» agiert wie ein gut betuchter Fussballclub: Sie kauft in einem geografisch weit gesteckten Rahmen gezielt ein und überrascht mit jeder Neuverpflichtung auf die eine oder andere Weise. Und sie führt damit eine alte Tradition aus der Medienwelt wieder ein, die ein bisschen vergessen ging: Das Headhunting im Inhaltsbereich.

Das ist durchaus nicht unwichtig. Wir sind zwar alle Handwerker, und entscheidend ist letztlich die Qualität des Ergebnisses, aber es schadet nichts, wenn man auch einen gewissen Ruf hat. Der ist nämlich das Einstiegstor zum erwähnten Ergebnis. Die meisten grossen Verlagshäuser haben zwar auch heute noch eine Handvoll Schreibender mit klangvollen Namen, aber das sind meist keine gezielten Akquisitionen, sondern Überbleibsel aus der Geschichte, die von den Alternativen wenig angetan sind und deshalb bleiben. Die Personalakquisition erschöpft sich in vielen Fällen auf die Frage: In welchem Ressort hat es eine Lücke und – falls wir sie nicht sowieso gleich unbesetzt lassen können – wer hat ein Profil, das dazu passt? Das sind Fragen, die man mit einem CV und einer Beispielmappe beantworten kann. Dass Persönlichkeit und Name eine bedeutende Rolle spielen, scheint dabei oft vergessen zu gehen. Am ehesten noch ist es die «Weltwoche», die bei ihrer Autorensuche nicht nur Leute sucht, die schreiben können, sondern die auch an früheren Stationen als «Figur» aufgefallen sind. Vielleicht nicht nur positiv, aber was braucht ein Medium mehr als Reibungsfläche?

Natürlich hat die «Republik» einen entscheidenden Vorteil: Sie ist neu und damit spannend, sie kann das Feld von Null auf beackern, und sie hat auch das Geld für grosse Namen. Letzteres war nicht immer klar gewesen, und da auch Journalisten nicht nur von ihrem Namen beim Artikel leben, ist das nicht völlig unwesentlich. Dennoch stellt sich die Frage, warum das Headhunting bei Verlagen meist auf die Managementebene beschränkt ist. Dass man sich in Zeiten knapper Mittel nicht mit Dutzenden von Stars schmücken kann, die im schlechtesten Fall vielleicht sogar noch einen mageren Output haben: Verständlich. Aber in jedem Fussballclub braucht es neben den fleissigen Arbeitsbienen auch die eine oder andere Diva, die nur schon mit ihrem Namen und ihrer Erscheinung elektrisiert – und übrigens auch ganz nebenbei das Merchandising ankurbelt.


Stefan Millius ist geschäftsführender Partner der Kommunikationsagentur insomnia GmbH und der Ostschweizer Medien GmbH in St.Gallen.

Unsere Kolumnisten vertreten ihre eigene Meinung. Sie deckt sich nicht in jedem Fall mit derjenigen der Redaktion.

 

 

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Kommentare

  • Nico Herger, 31.10.2017 18:48 Uhr
    Es gibt noch eine andere, viel simplere Erklärung für diese Wechsel: nämlich dass alle diese Personen nicht mehr ans Gedruckte glauben. Ob Online wirklich zukunftsfähig ist, muss sich aber erst noch weisen. Denn immer mehr Plattformen splittern den Markt auf. Watson & Co. werden das bald spüren. Vermutlich wird aber bereits mit Geld vom Staat kalkuliert, die Lobbyisten sind ja schon am Start.
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