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Der neue Wert der Kundenmagazine

Der damalige CEO fand, das sei okay, diese Idee mit einem Kundenmagazin. Er wolle bloss «kein Heftli, sondern ein richtiges Magazin».

Im Grundlagenpapier tönte dies dann so: «Die dreimal jährlich und in drei Sprachen erscheinende Kunden-/Stakeholder-Publikation mit 50-80 Seiten und zweimal jährlicher Beilage ist durch hochstehenden Inhalt u. a. renommierter Autoren und Photographen, grosszügige Gestaltung und crossmediale Ausrichtung ein Referenzprodukt im Printmarkt.»

Der Unternehmenszweck wurde durch eine Vermittlung der Kernwerte gespiegelt. Und die Geschäftsleitung entschied sich für eine bis dato im Corporate Publishing-Markt einmalige Konzeptidee: Die Trennung zwischen klassischer, produktbezogener Unternehmensinformation und der Vermittlung der Kernwerte des Unternehmens durch Branded Journalism.

So entstand ein Heft, das seit seiner Lancierung nicht nur Jahr für Jahr ununterbrochen für den wichtigsten Branchenpreis nominiert und ausgezeichnet worden ist und wird. Sondern ein Magazin, das nie versuchte, das Gestern festzuhalten, sondern das Morgen zu zeichnen: Vordenken statt Nacherzählen, Sinnstiftend statt Verlautbaren, Offenbaren statt Rapportieren.

Das Magazin gibt es noch immer, prägend und eingebettet in die Content Strategie des Unternehmens. Ein Magazin, in dem namhafte Autoren von Sprecher über Küng bis Binswanger, Hossli und Rothenbühler publizieren; Handwerker in den Wort- und Geschichtsschmieden, die im Terrain des Vertrauten zu Hause sind. Autoren, die zu einem Magazin beitragen, das im Kunden-/Lesermarkt Aufmerksamkeit auslöst, Bindung schafft und somit echten Return on Communication einspielt. Ein Magazin schliesslich, das den Content nun auch auf digitalen Kanälen verbreitet und so die veränderten Nutzungsgewohnheiten des Publikums antizipiert.

Kurzum: Ein Heft und eine digitale Plattform mit Wert – und echter Wertschöpfung.

In diesen Tagen erhielt ich die neuste Ausgabe des «Bulletin», dem Magazin der Credit Suisse. Im Begleitbrief und im Editorial eine Anmerkung in eigener Sache: Das älteste Bankmagazin der Welt hatte die Frage gestellt, welcher Wert dem Journalismus in der sich stetig wandelnden Medienlandschaft beizumessen sei. Es fragte seine Leserinnen und Leser, welcher konkrete Preis Ihnen das «Bulletin» wert sei. Das Resultat: «Die Mehrheit unserer Leserschaft beziffert den hypothetischen Preis für das Magazin auf 10 Franken oder mehr.»

Ein déjà-vu: Als Swiss Life im Herbst 2010 ihr neues Kundenmagazin lancierte, stand unübersehbar auf der Titelseite: «1. Jahrgang // 1. Ausgabe // Fr. 6.50». Natürlich bekommen die Kunden des führenden Unternehmens im Schweizer Vorsorgemarkt das Magazin (nach mittlerweile zwei Relaunches mittlerweile wieder ohne Preisschild) nach wie vor umsonst. Der Aufdruck sollte vielmehr markieren: Das hier ist nicht Werbung, sondern Content. Eigens erdacht, produziert, vertrieben – von Menschen, die sich bei dieser Arbeit etwas denken und für dieses Denken auch bezahlt werden müssen.

Durch diese Art der Kundenpublizistik entstehen wahrhaftige Geschichten und keine Fertigprodukte. So entstehen hierzulande Unternehmensmedien, die sich nicht verstecken müssen. Und so entstehen Kundenmagazine, die das Potenzial, die Gestaltungskraft und die Werte des Unternehmens nutzen für das Corporate Publishing nutzen: Attraktiv in der Gestaltung, populär in der Ausrichtung und Umsetzung sowie begeisternd und einnehmend durch den Bezug zur Lebenswelt des Publikums. Mehrwert für alle.

Dass gehaltvolle Kundenpublizistik und Content Marketing künftig noch wichtiger werden, illustriert nicht nur die Entwicklung auf dem Medienmarkt: Wo aufgrund immer knapper werdender Ressourcen immer mehr zentral hergestellter Content auf beliebige Zielgruppen verstreut wird, leidet die Vielfalt. Auch der Umstand, dass die Digital Natives den Online-Angeboten aus verschiedensten Gründen (Angebotsflut, Fake News etc.) zunehmend überdrüssig werden, spielt gut gemachten Unternehmensmagazinen in die Karten.

Die Unternehmenspublizistik kann und muss diese Lücken nutzen – mitsamt der Aufgabe, die Opportunitäten der digitalen Kommunikation auch bei abnehmender Attraktivität der sozialen Medien weiterhin moderat auszuloten. Inhaltgetriebenes Storytelling bietet die  Chance und die Möglichkeit, dem Wunsch von zwei Drittel aller Schweizer Konsumenten nach anspruchsvolleren und intelligenteren Stoffen nachzukommen. Für die Publisher bedeutet dies: ungebrochen, mit unverminderter Lust bei der Suche nach unternehmensrelevanter Essenz die Sehnsucht der Kunden nach unvergesslichen Geschichten zu stillen.

Rund neun Milliarden Franken geben Unternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz jährlich für inhaltsgetriebene Unternehmenskommunikation aus. Das sind ganz viel Batzen – und nicht nur die Unternehmen, sondern auch deren Kunden haben damit ein Recht darauf, dass die Kundenpublizistik ihrem Anspruch der Vermittlung nachkommt: Gute Geschichten über interessante Menschen auf Papier erzeugen nachhaltige, doppelte Wirkung, beim Kunden, weil er qualitätsgetriebenen Journalismus auch in Unternehmen ohne Kernkompetenz in der Medienproduktion bekommt – und in den Unternehmen, welche ihre Werte in Form des Storytellings wertschöpfend verbreiten können.

«Papier hat Potenzial» schrieb unlängst der «Tages-Anzeiger», in dem er das amerikanische Marketingportal «The Drum» zitierte: «Print ist derzeit das am meisten unterbewertete Medium».

Wir sind in der Pflicht, Kolleginnen und Kollegen! Uns geht, auch mit Blick auf die Qualität der Kundenpublizistik in der Schweiz, die Arbeit nicht so schnell aus. Es braucht weiterhin hierzulande erdachte, verantwortete und umgesetzte Konzepte, unermüdliche Protagonisten, überzeugte Kunden ebenso wie grossartige Storys, überraschende Inhalte und damit begeisterte Leser und Leserinnen. «Kein Heftli» also. Sondern Magazine, die ihren Wert haben.

Ob fiktive zehn Franken beim «Bulletin» oder hypothetische 6.50 Franken bei «Swisslife» ist eigentlich egal. Hauptsache, das Bewusstsein ist da, dass guter Content kosten darf und muss: Bei unseren überzeugten Kunden. Und auch bei deren begeisterten Kunden.


Christoph Grenacher war während mehr als 30 Jahren als Journalist, Ressortleiter und Chefredaktor bei führenden Schweizer Print- und Audiomedien aktiv und führt heute die Kommunikationsagentur Mediaform, die unter anderem auch das Kundenmagazin Swisslife begleitet.

Der Autor vertritt seine eigene Meinung. Sie deckt sich nicht in jedem Fall mit derjenigen der Redaktion.

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