Die «Republik» lässt Roger Köppel und Daniel Ryser, den Köppelbiografen, diskutieren. Das Mikrofon läuft mit, das Ergebnis ist ein ausführlicher Podcast. So stelle ich mir das noch junge Medium vor: Verschiedene Formen, spannende Inhalte, kontroverse Debatten. Ein Gewinn für die Medienlandschaft.
Und nun die zweite Ebene: Der Beitrag kann kommentiert werden von den bezahlenden Leserinnen und Lesern, die bei der «Republik» ja auch Verleger sind. Die grosse Mehrheit, das merke ich schnell, teilt meine Begeisterung nicht. Da heisst es beispielsweise, man dürfe «einem wie Köppel» keine weitere Plattform geben, mehr noch: Man dürfe ihn als Person gar nicht wahrnehmen. «Könnt ihr mir sagen, weshalb ich nun auch bei der ‹Republik› mit der Übelkeit Köppel in echt konfrontiert werde?», heisst es unter anderem.
Die Redaktion beteiligt sich wie gewohnt munter an der Leserdebatte. Wird sie gleich die Freiheit des Journalismus engagiert verteidigen? Nun, nicht wirklich. Die Reaktionen erfolgen in einem entschuldigenden Tonfall. Einer ihrer Journalisten schreibt, er habe sich auch gefragt, wieso man Köppel jetzt noch einmal eine Stimme gebe, aber «Populisten verlieren dann ihren Glitzer, wenn sie entmystifiziert werden». Abgesehen von der Wortkeule: Das alles klingt schon fast nach einer Rechtfertigung. Fehlt eigentlich nur der Hinweis, es bleibe ganz sicher bei dieser einzigen Ausnahme.
Nun stellen wir uns vor, ein Verleger bei Ringier oder Tamedia würde seiner Redaktion sagen, sie solle gefälligst bestimmte Personen mit bestimmten politischen Haltungen grundsätzlich totschweigen. Der Aufschrei wäre gross – bei der Redaktion und in der Öffentlichkeit. Die «Republik»-Verleger hingegen haben eine andere Vorstellung. Sie wünschen sich offenbar ein von gewissen Namen bereinigtes Medium. Und die Redaktion kriecht zu Kreuze, statt sich zu wehren.
Das alles ist kein Betriebsunfall. Es sind die Geister, die man selbst gerufen hat.
Die «Republik» ist ja bekanntlich angetreten, um den Journalismus zu retten. Und zwar vor der laufenden Medienkonzentration, dem damit verbundenen Abbau von Redaktionsstellen und von journalistischer Leistung. Und vor möglichen furchtbaren Entwicklungen in der Zukunft. Das ist nicht nur ihre Philosophie. Es ist auch ihr Geschäftsmodell.
In der Lancierungsphase des neuen Mediums habe ich für ein Magazin Daniel Meili interviewt, einen der grössten Investoren der «Republik». Auch er beschwor die künftige Verarmung des Journalismus, machte sie aber an einem Namen fest: Christoph Blocher. Dieser Name fiel im 15-minütigen Gespräch drei Mal, obwohl er nicht einmal das Thema war. Der Investor befürchtete, dass der Alt-Bundesrat noch mehr Zeitungen übernehmen und alles auf seine Linie trimmen würde. Dieser Entwicklung galt sein Kampf. Und sein Geld.
Mit anderen Worten: Am Anfang der «Republik» stand eine tief verwurzelte Angst vor dem Mann aus Herrliberg als Alleinherrscher über die Schweizer Medien. Da muss man doch etwas tun! Die «Republik» selbst hat das so nie deklariert, aber auch wenn ihr Geschäftskonstrukt Einflussnahme durch Investoren verhindern soll, ist anzunehmen: Einer, der Millionen einschiesst, muss zumindest das Gefühl erhalten, dass seine Ängste ernstgenommen werden. Und die Leser, diese Kleininvestoren, sehen es ja offenbar auch so. Und auch sie will man nicht verlieren. Da bezahlt man Geld – Millionen oder 240 Franken –, und die lassen den Köppel reden!
Wer sich als Medium heute dafür entschuldigt, einen «Rechten» zu interviewen, der verzichtet möglicherweise morgen ganz darauf. Und das ist dann «unabhängiger Journalismus»? Das ist die Frage, die ich mir stelle, bevor ich in wenigen Monaten wieder zur Kasse gebeten werde.
Stefan Millius ist Chefredaktor der Onlinezeitung «Die Ostschweiz».
Unsere Kolumnisten vertreten ihre eigene Meinung. Sie deckt sich nicht in jedem Fall mit derjenigen der Redaktion.
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Die Geister der «Republik»