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Die Magie der richtigen Verknüpfung

Arnold Schwarzeneggers Lebensgeschichte ist so beeindruckend wie bekannt: Aus seinem Elternhaus in der Steiermark ohne Strom und fliessend Wasser mit nur 20 Dollar in der Tasche in die USA ausgewandert, wurde er fünffacher Mr. Universum, rettete als Terminator die Menschheit und regierte während acht Jahren die fünftgrösste Volkswirtschaft der Welt. Kurzum: Das Paradebeispiel eines Selfmade-Man.

Aber genau das ist es nicht.

Schwarzenegger selbst sagt es in markigen Worten: «You can call me anything that you want, but don’t ever call me a self-made man.» Was er damit meint: Niemand erreicht ausserordentliche Erfolge allein – ohne das richtige Umfeld und Team. Nicht einmal der stärkste Mann auf Erden. Und das gilt nicht nur für Bodybuilder, Hollywood-Stars und Spitzenpolitiker – sondern genauso für Marketers und Kundenerlebnisverantwortliche.

Doch nicht alle Teams sind gleich erfolgreich. Viele Führungskräfte vergessen, dass ein Team mehr braucht, als einen gemeinsamen Namen, ein paar Prozesse und fixe Abstimmungstermine – Teams brauchen das richtige Zusammenarbeitsmodell, um kollektiv möglichst erfolgreich zu sein.

Wichtig dabei zu verstehen ist: Ein grossartiges Modell mit mittelmässigen Talenten hilft nichts. Das richtige Modell mit den falschen Leuten ist nur ein leerer Prozess, der kaum etwas Ausserordentliches hervorbringt. Und andersrum ebenso: Grossartige Menschen können in einem schlechten Modell verloren gehen. Sie werden ob der Strukturen frustriert sein, und ihr Talent wird verschwendet.

Ein schönes Beispiel hierfür ist Jony Ive. Der oft als weltbester Industrie-Designer gefeierte ehemalige Design-Chef von Apple war ja nicht nur verantwortlich für Blockbuster-Produkte wie iMac G3, iPod, iPhone und iPad. Er selbst – und viele andere grossartige Designer – waren bereits vor der Rückkehr von Steve Jobs zu Apple dort tätig. Sie operierten aber in einem ganz anderen Modell und brachten es nicht fertig, durchschlagende Innovationen und grossartige Produkte zu kreieren. Zurück bei Apple, organisierte Jobs die Arbeitsweise der Design-Teams neu und führte Methoden wie den Apple New Product Process (ANPP) ein. Plötzlich waren Leute wie Ive befähigt, ihr Talent voll zu entfalten. Der Rest ist Geschichte.

Sie werden sich nun wohl fragen: Habe ich die richtigen Leute, Prozesse und Strukturen? Wer ist mit wem verbunden, und wie arbeiten sie zusammen? Verschwende ich Talente, die wir haben, indem ich sie auf eine Weise miteinander verbinde, die nicht funktioniert?

Es lohnt sich daher ein Blick auf die verschiedenen Arten, wie Sie Ihre Teams und Talente miteinander verbinden können. Sie haben grundsätzlich drei Möglichkeiten.

Transfer-Verbindungen: Hier geht es um das Teilen und Verteilen von Wissen innerhalb eines Teams oder einer Organisation. Das geschieht über Newsletters, digitale Plattformen für den Wissensaustausch, regelmässige Teamsitzungen und so weiter. Informationen gehen dabei von einer Gruppe zur anderen über – ob und was damit danach passiert, bleibt offen. Es ist ein Hand-Off, eine Übergabe. Die Hoffnung: Das empfangende Team kann damit seine Arbeit besser machen als ohne diese Informationen. Die meisten Unternehmen beherrschen diese Art von Verbindung gut, sie ist eine Minimalanforderung.

Additive Verbindungen: Hier werden mehrere Knoten – also Talente, Teams oder Abteilungen – so miteinander verknüpft, dass der eine Teil mit seiner (Vor-)Leistung den anderen Teil besser macht. Ein Beispiel aus dem Marketing: Die Strategie sollte die Kreation besser machen; Analytics sollte die Strategie verbessern. Wichtig ist, dass das richtige Mass an Information fliesst und die Zusammenarbeit auf ein gemeinsames Ziel ausgerichtet ist. Das klappt manchmal besser, manchmal weniger gut.

Synthetische Verbindungen: Hier sind Innovation und Magie zu Hause: Verschiedene Menschen oder Teams arbeiten so zusammen, dass sie etwas schaffen, das keiner von ihnen allein schaffen könnte. Durch die Kombination der unterschiedlichsten Informationen und Fähigkeiten werden neue Ideen synthetisiert, was dann zu neuartigen Lösungen führt.

Synthetische Verbindungen können ganze Industrien verändern – wie zum Beispiel die Werbebranche.

In der Werbung der 1950er Jahre bestand das Kreativ-«Team» aus einem einzigen Copywriter. Dieser hatte eine Idee, die er dann an den Art Director weitergab, der sie «bebilderte». Der Art Director war nichts anderes als das ausführende Organ des Copywriters. Das Ergebnis waren die typischen Kampagnen jener Epoche: Bildwelt und Text laufen parallel, sie transportieren die gleiche Botschaft. Nimmt man eins der beiden weg, vermittelt das andere weiterhin die Botschaft. Es gibt keine Spannung zwischen Art und Copy. Kein Wunder – sie wurden ja nicht zusammen, sondern getrennt entwickelt.

Bis die Werbe-Ikone Bill Bernbach kam und den Art Director mit dem Texter in einen Raum setzte und die beiden Disziplinen zusammenspielen liess. Mit Bernbachs neuem Modell entstanden synthetische Verbindungen und damit neue Arbeiten, wie sie die Welt bis dahin nicht gesehen hatte. Diese waren völlig abhängig von der Überschneidung zwischen Art und Copy – das eine würde ohne das andere schlicht nicht funktionieren. Sie konnten nur durch diese Synthese entstehen. Dieses neue Modell war der Startschuss für die kreative Revolution in der Werbewelt und veränderte die Branche bis heute.

Der Bedarf an synthetischen Verbindungen im Marketing und der Customer Experience-Welt ist auch heute noch aktueller denn je.

Wir leben in einem Zeitalter, in dem das rasche Aufkommen neuer Technologien unendliche Möglichkeiten für neue Kundenerlebnisse schafft – generative KI ist hier nur ein Beispiel von vielen. Aber jede neue Technologie braucht Kreativität, um für Menschen relevante und bereichernde Anwendungen zu finden, ja sie «menschlich» zu machen. Ansonsten bleibt Technologie nur ein Werkzeug ohne Wert. Solche Innovationen entstehen erst, wenn Menschenversteher und Experience-Designer «richtig» mit Tech-Wizards, die die Kunst des Machbaren der heutigen Technologien verstehen, zusammenarbeiten.

Aber auch in den Marketingorganisationen gibt es oftmals «falsch» verbundene Akteure. Auf der einen Seite finden sich hier vielerorts die klassischen Brand Marketing-Experten. Das ist oft ein altehrwürdiger Stamm von Kreativen, welche die Marke im Detail verstehen, wunderbare Geschichten erzählen können und genau wissen, wie man damit Gefühle weckt und eine Marke positioniert. Ihnen gegenüber stehen im gleichen Unternehmen die Performance-Marketers – ein neuer Stamm von Mathematikern und Algorithmikern, die selten gut im Geschichtenerzählen sind, aber weltmeisterlich mit Daten, Media, Technologien und Analytics umgehen können. Sie wissen exakt, wo und wie wir alle durch modernes Targeting erreicht werden können. Oder etwas überspitzt gesagt: Eine Gruppe, die schöne Dinge kreiert, die niemand sieht. Und eine andere, die oft mittelmässige Markenerlebnisse schafft, die alle sehen.

Natürlich gibt es Brand Guidelines und Kampagnen-Toolkits (Transfer-Verbindungen) sowie Brainstorming-Sessions, Planungsmeetings und Analyse-/Reporting-Sitzungen (additive Verbindungen). Doch stellen Sie sich vor, was passieren könnte, wenn sie beide Camps so zusammenbrächten, wie Bernbach das mit Textern und Art Directors geschafft hat?

Damit hätten Sie das Zeug, integriertes Marketing auf ein völlig neues Level zu bringen – mit kreativeren und effektiveren Kampagnen. Denn schon Schwarzenegger wusste: «Das Schlimmste, was passieren kann, ist so zu sein wie alle anderen.»



Thomas Ruck ist Managing Director bei Accenture Song.

Unsere Kolumnistinnen und Kolumnisten vertreten ihre eigene Meinung. Sie deckt sich nicht in jedem Fall mit derjenigen der Redaktion.

 

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